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Herzblut. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Herzblut
Год выпуска 0
isbn 9788711507124
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er schwieg und rauchte und blickte lächelnd zur Decke. Er kam ihr nicht zu Hilfe. Frau von Teichardt war zu vorsichtig, um weiter in ihren Bruder zu dringen. Damit reizte man nur seinen Widerspruch. Dann war er einer der verschlossensten Menschen, die sie kannte, und konnte herausfordernd höhnisch werden. Sie blieb ein paar Augenblicke stumm und sagte dann: „Eigentlich habe ich deine Pläne für dein äusseres Leben nicht so sehr gemeint — die kenne ich ja schon, wenigstens in grossen Zügen — und will mir auch kein Urteil gestatten, ob ein Wölsick durchaus mit Börsenpapieren und Streiks und allerhand sonderbaren Leuten zu tun haben muss, um seinen Platz in der Welt auszufüllen! Das musst du besser wissen und wirst schon nicht zu kurz kommen! Darum ist mir nicht bang! ... sondern um dich selber — um dein Inneres — meine ich, Erich — was aus dem schliesslich wird ...“
Ihr Bruder warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
„Ich hab’ schon oft darüber nachgedacht, Erich ...“ fuhr seine Schwester fort, „ob du nicht einmal würdest dafür büssen müssen, dass du absolut nicht im stande bist, irgend einen Menschen wirklich, innerlich zu achten! Es ist ja gewiss nicht allein deine Schuld! Es liegt nicht nur daran, dass du ja von Haus aus ein ungewöhnlich gescheiter Mensch bist, sondern auch an deiner Erziehung. Es war ein Unglück, dass unser Vater gestorben ist, wie wir erst drei und vier Jahre alt waren! Du hast viel zu früh gewusst, dass du Majoratsherr bist! Mir ist es unvergesslich, wie wir einmal spazieren gingen und Mama und ich dir riefen: ‚Komm aus dem Gras heraus!‘ Und du Knirps standst mitten in der Wiese, die dir fast bis über die Ohren reichte, und antwortetest ganz pomadig: ‚Ihr habt hier gar nichts zu sagen! Das Gras gehört mir! Alles gehört mir!‘ und fuhrst dabei mit dem Schmetterlingsnetz so ungefähr über den halben Horizont hinaus! ... Mama hatte schon damals keine Autorität über dich — und nach ihrer unglücklichen zweiten Heirat natürlich ... Solch ein Stiefvater, der ...“
„Na — lassen wir ihn!“ sagte Erich trocken. „Er ist tot. Was ist denn nun der langen Rede kurzer Sinn?“
„Ich meine: du bist immer verwöhnt worden im Leben. Vom ersten Tag ab, wo du auf der Welt warst, hat man um deine Gesundheit gebetet und gezittert. Wenn du starbst, hatte Mama ja nichts mehr. Immer ist dir alles nach Wunsch gegangen. Auf der Ritterakademie warst du gleich der Primus, in Bonn haben sie dich zum ersten Chargierten im Korps gemacht, als Referendar haben sie dich aussuchen lassen, zu welcher Regierung du wolltest — jetzt wieder nimmt dich Berlin W. mit offenen Armen auf ... du bist so gewohnt, dass alle Türen vor dir von selber aufspringen und alle Leute dir aus dem Weg treten! ... Dass du aber dafür verantwortlich bist, was du aus den Leuten machst ...“
Erich von Wölsick war aufgestanden und tat ein paar Schritte durch das Zimmer. Er gähnte leicht hinter der vorgehaltenen Hand. Das Gespräch langweilte ihn. Es schien auf eine allgemeine Klage seiner Schwester über ihn hinauszulaufen. Das war bei ihr eine ganz neue Torheit. Die sollte sie sich nicht erst angewöhnen.
„Du musst eben die Leute vor mir warnen, Helme!“ sagte er ernsthaft. „Michael!“ er drückte auf den Knopf! ... „Punkt fünf Minuten vor halb Acht muss ich fahren ... entschuldige!“ er wandte sich, während der Diener verschwand, wieder an seine Schwester. „Aber zu spät kommen bei einem Diner wird einem bekanntlich nie verziehen!“
„Wo bist du denn eingeladen?“
„Bei Neerlages!“
Sie machte eine unwillkürliche Bewegung. Dann frug sie anscheinend leichthin: „Viel Leute?“
„Ja, wahrscheinlich! Gott sei Dank ist es ein Herrendiner! — da wird man wenigstens satt ... lauter Bankgrössen ... Kohlen-, Eisen-, Kupfer-, Kalimenschen ... Geld, sag’ ich dir, Helme ... Geld ...“
„Also an Damen nur Frau und Tochter ...“
„Nur Frau und Tochter.“
Die beiden Geschwister schwiegen. Plötzlich lachte Erich von Wölsick hell auf.
„Helme!.... Du machst so ein unendlich kluges Gesicht. Das machen offenbar alle Frauen, wenn sie denken, sie haben so was glücklich herausgebracht!“
„Ich habe vorläufig noch gar nichts gesagt!“
„Aber gedacht — Helme — gedacht! Man konnte förmlich hören, was du dachtest!“ Ihr Bruder setzte sich ihr wieder gegenüber, schlug ein Bein über das andere und fuhr, die Zigarette in der Hand, gleichmütig fort: „Siehst du: wie so ein Leutnant, der mit Zittern und Zagen in Helm und Epaulettes anklopft, um sich Braut und Mitgift zu holen — das hab’ ich eben nicht nötig! Und das ist das einzige, was solch einem alten Millionär imponiert, dass man sein Geld gar nicht braucht. Das erschreckt ihn! Das kann er sich anfangs gar nicht vorstellen, dass ich zum Beispiel zu dem alten Neerlage sage: ‚Verehrter Herr Generalkonsul ... auf eine Mitgift verzichte ich! Ich bin reich genug, um meiner Frau selber jeden in meinen Kreisen üblichen Komfort zu gewähren! Aber geben Sie mir Gelegenheit zu einer Tätigkeit! Dann verdiene ich noch viel mehr und werde deshalb umsoweniger jemals Ansprüche an Ihren Beutel stellen‘ — das ist die Art, Helme, wie man Teilhaber an einer Weltfirma wird und sich nichts dabei vergibt ...“
So ruhig er sonst war, der Gedanke hatte ihn unwillkürlich erregt. Er schritt wieder rasch in dem Zimmer auf und nieder. Er bereute nicht, es seiner Schwester gesagt zu haben. Es dachten sich doch schon zu viele Leute ihr Teil über seinen Verkehr in dem Neerlageschen Haus in der Tiergartenstrasse. Davon hatte auch Frau von Teichardt schon genug gehört, denn nun frug sie schnell: „Also es ist wahr: du willst Fräulein Neerlage heiraten!“
„Vielleicht! ... wenn sie mich nimmt ...“
„Weisst du das denn noch nicht?“
„Na ... ich will jedenfalls vorher meiner Sache sicher sein! Ich gehöre nicht gern zu den Leuten, die mit einem Korb am Arm abziehen und — offen gestanden, Helme, ich kriege keinen Korb, weder von ihr noch von den beiden Alten — das haben mich Freunde des Hauses schon im Vertrauen erraten lassen — ich brauche mich nur noch zu erklären ... und das kann ja sehr bald sein ...“
Er warf einen Blick durch die angelehnte Tür in sein Toilettezimmer nebenan, um sich zu überzeugen, dass da Frack, Weste und weisse Binde bereit lagen — alles andere zur Gesellschaft Nötige hatte er bereits nach dem Bade angelegt — und fuhr dann ruhiger fort: „Warum du dabei so versteinerte Augen machst, Helme, verstehe ich nicht. Das ist eben eure Enge! In allen unseren Kreisen noch! Unser Geschlecht ist sechshundert Jahre alt! ich erwerbe mir nur ein Verdienst, wenn ich seinen Reichtum vermehre!“
„Das meine ich auch nicht!“ sagte seine Schwester. „Aber es ist so charakteristisch für dich, dass du immer nur von der Firma Neerlage sprichst ...“
„Firma ist es gar nicht! ... der alte Neerlage ist doch Teilhaber der Charlottenburger Bank, mindestens anderthalbdutzendfaches Aufsichtsrats-Mitglied ... und ...“
„Also gut ... dass du immer von dieser Bank sprichst und nie von dem Fräulein Neerlage selber ...“
„Ach ... das ist doch so ein vernünftiger Mensch!“
Weiter sagte Erich von Wölsick von ihr zunächst nichts. Er lächelte wieder mit der Zufriedenheit eines Mannes, der eine wichtige glücklich begonnene Sache ebensogut zu Ende zu führen im Begriffe steht. Endlich hub er an: „Ich bilde mir natürlich auch nichts Unnötiges ein. Wenn ich ihr ja auch selbstverständlich nicht direkt missfalle, so ist es doch mehr eine Verstandesheirat ...“
„Von deiner Seite? Das glaube ich dir aufs Wort!“
„Nein. Bei ihr auch! Sophie Neerlage ... — so wie sie ist, wird sie in gewissem Sinn allen Problemen des Lebens nur mit der Vernunft beikommen — unwillkürlich — auch der Ehe. Sie ist nun einmal eine innerlich sehr gleichmässige und überlegene Natur, bei all ihrer Lustigkeit ...“
„Nun ... dann passte sie ja zu dir ...“
„Das hoffe ich!“
„Aber sie muss doch ganz bedeutend viel jünger sein wie du!“