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den Teller ... „... aber ungemütlich ist’s und bleibt’s, und wir Frauen leiden sehr darunter. Nicht wahr, Mary?“

      „Ja, gewiss!“ erwiderte Mary halblaut, und wieder trat ein beklommenes Schweigen ein.

      „Aha ... die Omelette à surprise!“ Graf Oskar wischte sich befriedigt den Mund. „Der letzte Triumph der Kochkunst ... Himbeergefrorenes in heissem Teig gebacken. Wer will, kann davon haben! Niemand? Ihr wisst nicht, was gut ist! Aber ’nen Kaffee nimmst du, Mary! Einen Liqueur auch. Kein Widerspruch, Weib meines Herzens! das gehört sich so nach Tisch. Also, Kellner ... zwei Mocca double, ein Henessy Dreistern für mich, eine grüne Chartreuse für meine Frau, desgleichen etwas halbwegs Rauchbares ... Bock und Kyriazi ... flugs, Kind Gottes ... sind Sie noch nicht wieder da? ... Mary raucht nämlich jetzt Zigaretten,“ wandte er sich stolz zu den andern ... „Ich hab’s ihr angewöhnt!“

      „Wenn du sie nichts Besseres lehrst!“ sagte Ellen.

      „Nur Schönes und Gutes! Sie versteht ein Schnäpschen mit Anstand zu kippen ... sie spielt des Nachts Poker mit mir und meinen Freunden — meistens räubern wir sie da freilich noch aus — sie sieht mir die Kurse nach und verhandelt in Hoppegarten mit dem Buchmacher, dass es ’ne Art hat. Sie kann kutschieren, sie kann reiten, sie zieht sich entzückend an und macht hinter meinem Rücken Schulden,“ schloss er triumphierend ... „... kurz, sie ist einfach fin de siècle ... Fine fleur de Berlin W ... Kein Mensch merkt ihr an, dass sie aus der Provinz Sachsen kommt!“

      Mary erwiderte darauf gar nichts, sondern sass stumm da.

      „I nu hären Sie mal, meine Kuteste!“ drängte ihr Mann in sie. „Hab ich recht oder nicht?“

      Mary hob den Kopf. „Du siehst doch, dass sich Papa über dich ärgert!“ sagte sie ruhig.

      Der Börsengraf machte ein zerknirschtes Gesicht. „Frivol bin ich nur, solange ich Hunger hab’!“ erklärte er und schob die Teller mit Früchten und Käse so energisch beiseite, dass sie der Kellner gerade noch auffangen konnte. „Sowie ich satt bin, ringen sich bei mir Tugend und Moral unaufhaltsam an die Oberfläche, und ich fange an, von Politik zu reden. Also nochmals, Schwiegerpapa ... wie geht’s dem hohen Hause ... was treibt’s ... was tut’s?“

      „Es wird in den nächsten Tagen Wahlprüfungen erledigen!“ erwiderte der alte Herr ... „... darunter auch meine ... du erinnerst dich ...“

      „... dass ich damals in meiner Dummheit deinen Wahlaufruf als Beamter unterhauen hab’ ... Ja ... vor ein paar Jahren war ich noch ein Kind ... ein preussischer Regierungsassessor ... wusste nicht ein noch aus ... schliesslich ... was macht’s? du wirst ja sicher wiedergewählt!“

      „Ich kandidiere aber nicht mehr! der Arzt erlaubt’s nicht!“

      Graf Oskar pfiff leise durch die Zähne und warf einen Blick freudigster Überraschung auf seine Frau. Auch Mary war zusammengezuckt, und ihr Gesicht belebte sich.

      „Das ist ja eine kolossale Neuigkeit, lieber Schwiegerpapa! Und du bleibst fest bei diesem Entschluss?“

      „Ich kann mich nicht erinnern,“ erwiderte der alte Herr trocken ... „... dass ich in meinem langen Leben einem Vorsatz untreu geworden bin! Aber warum regt dich denn das so auf? du strahlst ja förmlich!“

      „Na ja ... verzeihe, Papa,“ der Lebemann rückte näher zu ihm heran ... „... aber wenn man so plötzlich ganz unvermutet vor dem grossen Schlag steht ...“

      „Vor dem grossen Schlag ...?“

      „Freilich! Was ich jetzt hier so in Berlin treibe, das sind doch Bagatellen ... pour passer le temps ... bis ... eben die richtige Zeit gekommen ist. Dass mein Ehrgeiz höher hinaus geht, das weisst du ja ...“

      „Du hast wenigstens zuweilen Andeutungen gemacht, dass die deutsche Nation dir eine Vertrauensstellung schuldig sei,“ meinte der alte Herr und ein leises, kaustisches Lächeln umspielte seine Lippen.

      Sein Schwiegersohn bemerkte das nicht. „Was für eine Vertrauensstellung ich darunter verstehe,“ fuhr er fort und suchte etwas unsicher die Worte ... „das ... ist ja wohl klar. Während der Zeit, wo ich Regierungsassessor in deinem Wahlkreis war, habe ich die engsten Verbindungen mit dem Grossgrundbesitz und den Landräten angeknüpft ... na ... die Pfarrer ... die sehen mich ja wohl noch ein bisschen skeptisch an ... aber die krieg’ ich ’rum ... und was schliesslich den sogenannten kleinen Mann betrifft, dies Scheusal ... da musst du mir eben helfen ...“

      „... in den Reichstag zu kommen?“

      „Ja, du kannst, wenn du nur willst!“

      „Hab’ ich es dir aber jemals versprochen?“

      „Na ... das nun freilich nicht!“ sagte Graf Oskar etwas verblüfft. „... ich hab’ ja nie davon angefangen. Eine gewisse Schüchternheit hielt mich zurück. Ich wollte dich doch nicht drängen, sondern warten, bis du von selbst einmal gingst!“

      „Danke!“

      „Und da das nun also der Fall ist ... Es liegt doch eigentlich eine Art moralische Verpflichtung vor ... verwandtschaftliche Rücksichten ... ich hab’ von Anfang an so kalkuliert: du hast zwei Schwiegersöhne, der eine ist Militär, hat also mit dem Reichstag nichts zu tun; der andere ist Zivilist, der muss hinein!“

      „Aber Herbert ist nicht mehr Militär!“

      „Ja ... nun ... und?“

      „Und infolgedessen erscheint er mir als mein geeigneter Nachfolger — schon als Schwiegersohn, wie du sehr richtig bemerkst — und ich werde seine Wahl mit allen Kräften unterstützen!“

      Der gräfliche Lebemann fuhr zurück. Sein Mund stand halb offen. Er rang mühsam nach Worten.

      „Und ich ...“ keuchte er ... „... was wird aus mir?“

      Der alte Herr zuckte die Achseln.

      „Auf den Wahlkreis spekuliere ich seit Jahren ...“ Oskar holte sein Taschentuch heraus und fuhr sich über die Stirn ... „... das ist mein grosser Schlag ... auf den hab’ ich gewartet.“

      „Da hättest du mich früher um meine Meinung fragen sollen. Ungebeten wollte ich dir die nicht aufdrängen.

      „So! ... die muss ja recht nett sein ... da du mich in dieser Weise zurücksetzt. Was hast du denn eigentlich gegen mich?“

      „Soll ich dir’s sagen?“ fragte der kleine Kommerzienrat. „Jetzt wäre ja freilich der rechte Augenblick!“

      „Ja! Jetzt muss Klarheit in die ganze Sache kommen. Und auch zwischen mir und meinem Herrn Schwager da drüben!“

      „Schön!“ sagte der alte Herr ruhig. „Also mit einem Wort: du missfällst mir! Als Mensch, als Geschäftsmann und als Politiker. Als Mensch bist du ein Zyniker. Die Sorte mag ich nicht. Ich hab’ in meinem ganzen schweren harten Leben mir den Glauben an was Höheres und Besseres bewahrt. Wenn ich bloss sehe, was du aus meiner Tochter gemacht hast! Wie sie jetzt dasitzt und raucht und gedankenlos vor sich hin starrt ... da erinnert sie mich mehr an irgendeine eurer Turfzigeunerinnen, an eine Treibhauspflanze eurer ungesunden Salons als an das freie, ehrliche, sorglose Mädel, dessen Hand ich dir vor fünf Jahren gegeben hab’ ...“

      „Was soll das?“ Ein spöttisches Lächeln lief über das sich allmählich zornig rötende Gesicht des Lebemannes ... „... sie ist meine Frau und ...“

      „... und daran ist nichts mehr zu ändern! Bleiben wir also bei dir! Als Geschäftsmann bist du eine Drohne. Ein Mensch, der vom Wechsel der Kurse lebt, indes wir für ihn arbeiten. Ausserdem schneidest du, wie ich überzeugt bin, was deine Erfolge betrifft, ganz gewaltig auf. Als Politiker endlich würdest du ein ganz skrupelloser Beutejäger sein. Unsern Landwirten geht es in Wahrheit sehr schlecht. Und nun gedenkst du von ihrer Not recht gut zu leben und ihnen vorzuspiegeln, du seiest selbst einer ihrer Leidensgefährten, der ...“

      „Genug!“ Der Graf de Grain hatte sich erhoben. Er war jetzt ganz ruhig. Aber in seinen kleinen Augen funkelte ein boshaftes Licht,

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