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Ehrenwertes ist und nicht so mir nichts dir nichts weiterverhökert werden kann.“

      „ Mariechen“, blökte Dussing und krabbelte ablenkungsbedürftig in meinen Schamhaaren herum, „ich habe dich doch in dieser Hinsicht niemals strapaziert. Mir hat es immer genügt, wenn du nett aussahst und freundlich zu den Herren warst und mal ein paar Blicke in dein Dekolleté gestattet hast. Diesmal aber geht es wirklich um etwas. Wenn ich diesen Vertrag kriege, dann bin ich in, dann brauche ich keine Lobby mehr, dann spare ich die ganzen irrsinnigen Provisionen, die ich bisher diesem Schnösel – du kennst ihn, mir fällt der Name jetzt nicht ein – bezahlt habe, dann bin ich vor allem nicht mehr abhängig von dieser Visage!“

      „ Wenn du soviel sparst, sollte dann nicht auch für mich etwas ‘rausspringen?“

      „ Halte ich dich zu kurz? Hast du nicht Wohnung, Gehalt und Apanage?“

      „ Für das Gehalt arbeite ich, das scheidet aus den Erwägungen aus, mein Guter“, sagte ich hart, „und was Wohnung und Apanage anbelangt, so rechne mal ein bißchen. Im Schnitt kommst du neunmal im Monat zu mir, zu einer Biene mit Grips, Figur, Umgangs- und anderen Formen, jeweils für den ganzen Abend mit allen Schikanen. Das kostet dich bei einem hübschen Callgirl neunmal zweihundertfünfzig.“

      „ Danke, ich habe begriffen“, ächzte Dussing und erhob sich. „Mir ist die Lust vergangen, womöglich rechnest du mir noch jeden Verkehr einzeln vor. Also bis morgen!“

      Ich hatte eine unruhige Nacht. Hatte ich den Bogen überspannt? Epple war weicher gewesen, Sachenberger reicher; woher sollte ich wissen, wie man mit einem deutschen Chef von Mittelkaliber umzuspringen hat?

      Mittags aber, als er mit der Post fertig war und vor dem Essen noch eine Minute Zeit hatte, leuchtete das Cheflämpchen auf, und ich marschierte, zum Beidrehen entschlossen, in sein Zimmer.

      „ Hier“, sagte er wortlos, reichte mir ein weißes Kuvert und nahm den Mantel vom Haken, „aber es ist ein reines Erfolgshonorar, also voller Einsatz!“

      Ich sah natürlich nicht gleich nach, was drinstand, steckte mit eisiger Miene das Kuvert in meine Bluse und verschwand. Erst, als er mit Tschüs Mahlzeit enteilt war und die Mittagsstille sich im Büro ausbreitete, öffnete ich den Umschlag. Darin stand groß

       Ein Prozent

      und darunter: Wir brauchen aber noch zwei Bienen, und zwar Klasse, keinen Durchschnitt.

      Im Büro gab es wohl noch ein paar Damen, aber wir waren insgesamt kaum ein Dutzend Angestellte, und ich konnte mir denken, daß Dussing die Sache nicht gerade in diesem Kreis bekanntmachen wollte. Die Arbeiterinnen aber, vor allem die zum Teil recht jungen und appetitlichen Anfängerinnen an den Webstühlen, kannte ich viel zu wenig, traf nur gelegentlich die eine oder andere im Lohnbüro, da konnte man in der gebotenen Eile auch nicht viel machen, und es war auch mehr als zweifelhaft, ob diese breit berlinernden, ziemlich direkten Mädchen den Geschmack der doch ziemlich zugeknöpften Benelux-Herren getroffen hätten.

      Während ich so grübelte und das verheißungsvolle Prozent bereits wieder davonschwimmen sah, blätterte ich im Tagesspiegel und sah zu meinem Entzükken, daß der Oiseau bleu bei Eden gastierte. Das war ein Fingerzeig des Himmels oder zumindest eines liebenswürdigen Teufels. Ich schrieb Dussing einen erklärenden Zettel und machte mich sogleich auf, um das Hotel meiner Kolleginnen von einst ausfindig zu machen.

      Um zwei Uhr hatte ich sie gefunden, sie saßen eben beim Frühstück in einem scheußlichen neuen Kasten von Hotel am Kudamm ganz hinten, von wo sie bis zum Europacenter endlos zu hatschen hatten, wie sie mir nach den ersten frenetischen Umarmungen alle zugleich anvertrauten. Noemi war nicht mit von der Partie, das war natürlich eine Enttäuschung, und auch Don Hersch war in Paris geblieben, was ich eher verschmerzen konnte. Aber von dem Rest der niedlichen Schweinchen, die diese Tournee mitmachten, waren zwei gleich bereit, mir aus der Patsche zu helfen:

      „ Wir haben ohnedies eine Reserve von zwei Girls, so daß zwei immer bei Eden herumsitzen oder im Hotel. Da ist es doch viel lustiger, bei einer alten Freundin ein wenig Geld zu verdienen!“

      Die erste Markaufwertung und die erste Francsabwertung lagen inzwischen hinter uns, und beide erklärten sich begeistert mit 300 DM pro Kopf und Abend einverstanden.

      Dussing fiel mir erleichtert um den Hals, als ich ihm, eben noch vor Büroschluß eintrudelnd, von dieser eleganten Lösung berichten konnte.

      „ Wunderbar“, sagte er, „die können ja mit den Herren französisch sprechen.“

      „ Die können überhaupt französisch“, bekräftigte ich, „und nicht nur sprechen!“

      Der Empfang der drei Herren verlief denn auch in bester Stimmung, Dussing brachte sie selbst ins Hotel, zeigte ihnen nachmittags seine Fabrik und die Schneiderei und verabschiedete sich dann mit ihnen verheißungsvoll zu einem intimen Abend in seiner Villa, die erst am Morgen von der Familie geräumt worden war: Frau Dussing mit den süßen Kleinen war Hals über Kopf zur Oma nach Bad Kreuznach expediert worden. Die Villa – ein Gelegenheitskauf – lag in Lichterfelde-Ost sehr angenehm in einem Garten mit hohen alten Bäumen, aber es hatte meines besten Französisch bedurft, um den Herren klar zu machen, daß Lichterfelde-Ost immer noch WestBerlin sei und sie keine Gefahr liefen, wenn sie uns dort besuchten: Kleiner Scherz der Berliner Topographie, sonst nichts.

      „ Zu dumm, dieses Ost hinter Lichterfelde“, wütete Dussing, der hypernervös war, „ich hätte doch in Dahlem bauen sollen, statt diesen alten Kasten zu nehmen. Aber er war um 80 000 DM billiger, und du wirst sehen, diese 80 000 von damals kosten mich jetzt eine Million!“

      Um acht Uhr fuhr das erste Taxi vor, es brachte Monique, eine entzückende blonde Pariserin, und Irina, eine hinreißende Eurasierin, die schlechthin unwiderstehlich war. Dann kam der Lieferwagen mit dem kalten Buffet von Kempinski und der Serviererin, und schließlich, um halb neun, unser Firmenmercedes, der die Herren Dremelon, van Straaten und de Gebwiller aus dem Hotel abgeholt hatte.

      Warum soll ich lange Umschweife machen? Es bestätigte sich wieder einmal, daß Positionen und Funktionen nach der dritten Flasche nicht mehr viel zu sagen haben, vor allem, wenn von der anwesenden Weiblichkeit soviel Attraktion ausgeht wie in diesem Fall. Dussings Altbau-Villa hatte eine Flucht von drei schönen, hohen Räumen, deren mittlerer ein Wintergartenzimmer war. Dort war das Buffet angerichtet, in den beiden Salons vollzog sich bei gedämpftem Licht die weitere Entwicklung. Dussing, der einzige Unbeweibte, mochte sich Hoffnungen auf die hübsche Serviererin gemacht haben, die in einem knappen schenkelkurzen schwarzen Kleid mit kokettem weißem Schürzchen so lange für Stimmung gesorgt hatte, als noch niemand sich wirklich traute. Um halb elf aber erklärte die junge Dame, daß ihr Dienst abgelaufen sei, das Nachschenken werde ja wohl der Hausherr selbst besorgen können, und sie entschwand – was gewisse Nachteile, aber auch das Gute hatte, daß wir nun unter uns waren.

      Der Holländer war der erste, der die Contenance verlor und beim ersten Toast mit der vierten Flasche uns allen das Du antrug. Da er der älteste war, ließ sich dagegen nichts sagen, aber als Irina dann noch einmal vous sagte statt tu, weil sich in Frankreich eben auch gute Freunde noch so anreden, da verlangte der eigensinnige Greis, daß sie zur Strafe das Kleid ausziehe. Nichts konnte ihr weniger ausmachen, daß wußte ich, aber es ärgerte sie, daß sie es als Strafe tun sollte – vor allem, da wir alle drei Abendkleider trugen, die so geschnitten waren, daß man allenfalls einen Minislip, sonst nichts mehr darunter anziehen konnte.

      „ D’accord, Monsieur“, sagte sie mit ihrer dunklen Akzentstimme, „ich ziehe aus, was Sie wollen – wenn Sie mich fangen können!“

      Dussing schloß blitzschnell die Tür zur Halle, Irina wetzte in einem Höllentempo ab und Mijnheer van Straaten hinter ihr her, das Gesicht vom Wein und von der Gier gerötet. Nach drei Runden um das Buffet war der Gute dem Infarkt näher als seiner Beute, ich gab Irina bittend ein Zeichen und sie strauchelte über eine nicht vorhandene Teppichfalte. Van Straaten stolperte glückselig über sie, tastete ein Weilchen nach dem verlorengegangenen Zwicker und dann nach Irina und keuchte dann, sich erhebend:

      „ Sie haben gesagt, Sie ziehen aus, was ich will!“

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