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Die Henkerin. Pavel Kohout
Читать онлайн.Название Die Henkerin
Год выпуска 0
isbn 9788711461372
Автор произведения Pavel Kohout
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
– Ich bin Professor Wolf, sagte der erste, zog den Hut und streifte die Handschuhe ab. Gnädige Frau, darf ich Ihnen die Hand küssen und diese kleine Aufmerksamkeit überreichen?
Er war ein stattlicher Sechziger mit tiefliegenden Augen, dessen schwarze Mähne und buschige, zusammengewachsene Brauen nur spärlich mit Grau durchsetzt waren. Er weckte Erinnerungen an aufgeklärte Landärzte aus verarmten Adelsgeschlechtern.
– Freut mich, Sie kennenzulernen, sagte Frau Tachecí mit ähnlich berückter Stimme wie damals, als sie zum erstenmal Doktor Tachecí begrüßt hatte. Sie roch an den Rosen und bedauerte heftig, nicht das Kleid vom Donnerstag angezogen zu haben. Unwillkürlich begann sie Lízinka zu beneiden.
– Gestatten Sie, sagte Professor Wolf, daß ich Ihnen meinen Stellvertreter, Dozent Schimssa, vorstelle.
– Dozent Schimssa, sagte Dozent Schimssa, verbeugte sich und überreichte Doktor Tachecí den zylinderförmigen Gegenstand, wir haben angenommen, Sie würden einen guten Kognak vorziehen.
Er war ein Altersgenosse von Frau Tachecí, ein mittelgroßer, wendiger Mann von athletischer Statur, die der kurze Haarschnitt noch betonte. Die Fältchenfächer in den Augenwinkeln verrieten, daß er oft und gern lachte.
– Das war doch nicht nötig, flüsterte Doktor Tachecí höchst verlegen. Zugleich wurde er auf den Dozenten eifersüchtig. Um all dies zu verbergen, stellte er die Flasche auf den Boden und beeilte sich, den dritten Mann von seinen Lasten zu befreien.
Er war ein beleibter Mensch unbestimmten Alters. Seine Augen verschwanden fast in dem fleischigen Gesicht, aus dem der zackige Rücken einer gebrochenen Nase aufragte. Das Ganze erinnerte an ein altes Schlachtfeld, in das sich das Gesicht ehemaliger Boxer zu verwandeln pflegt.
– Das ist Karli, sagte Professor Wolf, unser Gehilfe und Fahrer. Könnten Sie so freundlich sein und ihm das Bad zeigen?
– Ja, sagte Doktor Tachecí, natürlich, gewiß, selbstverständlich ...
Er öffnete die entsprechende Tür und betätigte den Lichtschalter. Der Mann namens Karli wartete respektvoll, bis der Doktor zur Seite trat, dann setzte er sein Gepäck neben der Wanne ab. Gleich darauf zog auch er den Hut, und im Vorzimmer erglänzte eine Glatze. Dienstbeflissen hob er die Flasche auf und reichte sie Doktor Tachecí.
– Karli, sagte Professor Wolf, wenn wir in fünfzehn Minuten noch nicht zurück sind, fährst du die Geräte weg, gehst nach Hause und holst uns punkt fünf Uhr ab!
– Zu Befehl, Chef, sagte Karli, blieb aber stehen, ohne den treuergebenen Blick von ihm zu wenden.
– Darfst dir dreißig Zentimeter von meinem abschneiden, sagte Professor Wolf gönnerhaft.
– Vielen Dank, Chef, sagte Karli und wandte sich an die anderen. Mein Kompliment, küß die Hand, Gnädigste.
Er setzte sich den Hut auf und salutierte. Seine riesige Hand flappte wie ein Elefantenohr.
– Dürfen wir ablegen? fragte Professor Wolf.
– Mein Gott, Emil, sagte Frau Tachecí, sei den Herren doch behilflich!
Doktor Tachecí stellte die Flasche wieder auf den Boden, aber sowohl der Professor als auch der Dozent waren schneller. Unter den Raglanmänteln trugen sie karminrote Sakkos von gleichem Schnitt. Auf dem rechten Ärmel und der linken Brustseite war das Staatswappen aufgenäht. Sie sahen aus wie Funktionäre einer Olympiamannschaft, was Frau Tachecí beruhigte.
– Sie müssen entschuldigen, gnädige Frau, sagte Professor Wolf, wir kommen geradewegs von der Arbeit. Aber wo ist eigentlich das Fräulein Tochter?
– Sie wartet im Wohnzimmer, sagte Frau Tachecí mit einem entschuldigenden Lächeln, sie hat Lampenfieber. Kein Wunder. Sie ist ja noch ein Kind.
– Wenn sie Ihnen nachgeraten ist, gnädige Frau, sagte Professor Wolf, dann braucht sie sich vor nichts im Leben zu fürchten. Könnten Sie uns freundlicherweise miteinander bekannt machen?
– Lízinka! rief Frau Tachecí.
Die Wohnzimmertür öffnete sich. Lízinka stand in ihrem Rahmen wie ein holdes altes Bild.
– Das ist unsere Lízinka, sagte Frau Tachecí voll glücklichem Stolz. Lízinka, das ist Herr Professor Wolf, und das Herr Dozent Schimssa.
Lízinka knickste artig. Professor Wolf und Dozent Schimssa sahen einander offenkundig erregt an. Sie wirkten wie Anwerber eines Profiklubs, was Doktor Tachecí beunruhigte.
– Emil, sagte Frau Tachecí, bitte die Herren doch weiter! Doktor Tachecí machte eine entsprechende Geste.
– Nein, nein, sagte Professor Wolf, wenn Sie freundlichst gestatten, gehen wir mit dem Fräulein zunächst
6
ins Bad.
– Was machen die dort mit ihr? fragte Doktor Tachecí schon zum drittenmal.
– Ich bitte dich, beruhige dich, sagte zum drittenmal seine Frau, du selbst hast mir gesagt, sie muß eine Prüfung ablegen.
– Werden Prüfungen denn im Bad abgelegt? fragte ihr Mann.
– Jedenfalls werden sie ohne Eltern abgelegt, sagte seine Frau.
– Dann hätten wir ja in die Küche gehen können, sagte ihr Mann.
– Sie wollten uns eben nicht stören. Dieser Professor sieht aus wie ein englischer Lord.
– Dafür sieht dieser Dozent aus wie ein Laffe.
– Genauso hast du ausgesehen, als ich dich kennengelernt habe.
– Aber nur ausgesehen! sagte ihr Mann.
– Leider! sagte seine Frau.
Durch zwei Türen war zu hören, wie im Bad Wasser floß.
– Sie füllen die Wanne, sagte Doktor Tachecí.
– Sie machen irgendeinen Versuch, sagte seine Frau.
– In der Wanne? sagte ihr Mann.
– Ihr habt diese Formel nicht gelernt? fragte seine Frau, wie das Gewicht des Wassers dem Gewicht eines Körpers gleich ist?
– Wir haben sie anders gelernt. Und nicht in der Wanne.
– Glaubst du vielleicht, die baden sie dort, oder was?
– Es sollte mich nicht wundern.
– Du kannst dir wohl nicht vorstellen, daß es Männer gibt, sagte seine Frau, die ein Mädchen nicht gleich beim erstenmal in den Klee werfen.
– Ich möchte dich erneut daran erinnern, sagte ihr Mann, daß es ein englischer Rasen war und daß ich dich zunächst in aller Form um Erlaubnis gebeten habe.
Durch zwei Türen hindurch erklangen aus dem Bad gedämpfte Schläge.
– Was schlagen sie dort? fragte Doktor Tachecí.
– Es ist ihnen etwas runtergefallen, sagte seine Frau.
– Das waren Schläge, sagte ihr Mann.
– Dann nageln sie dort eben was fest, sagte seine Frau.
– Hast du jemals in einem fremden Bad etwas festgenagelt?
Durch zwei Türen hindurch erscholl aus dem Bad ein unmenschliches Geräusch.
– Und was ist das? fragte Doktor Tachecí.
– Jemand lacht, sagte seine Frau.
– Jemand schreit! sagte ihr Mann. Ich gehe hin!
– Ich bitte dich, mach dich nicht lächerlich!
Das Geräusch schwoll an.
– Das ist doch ein Huhn! sagte Doktor Tachecí.