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senkte aufrichtig

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      bejahend das holde Köpfchen.

      II

      Am 1. September früh um Viertel vor acht schloß Doktor Tachecí, der vorn saß, die Augen und versuchte sich zu suggerieren, das Portal, dem das Taxi sich näherte, gehöre zur philosophischen Fakultät.

      Frau Tachecí schwelgte in Erinnerungen an ihren ersten Gang zur höheren Töchterschule. Sie sah sich mit Dauerwellen, auf hohen Stöckelschuhen, in engem, kariertem Rock und knappem Pulli, der ihre schon damals heranreifende Weiblichkeit betonte. Sie mußte jedoch zugeben, daß die Tochter, obwohl eher das Gegenteil von ihr, keinen geringeren Zauber ausstrahlte. Sie versuchte sich in ihre Gedanken einzufühlen und kämpfte gegen die eigene Ergriffenheit an.

      Lízinka

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      beobachtete den Taxifahrer. Bog er nach links ein, so ließ er die rechte Hand nach links mitlaufen. Bog er nach rechts ein, so griff er mit der linken Hand bis zur rechten über und drehte mit beiden. Fuhr er geradeaus, so hielt er die rechte Hand am oberen und die linke am unteren Rand des Lenkrads.

      Der September war trocken, aromatisch und sonnig, allem haftete noch der sanfte Atem der Ferien an. Das Gebäude mit den von Gitterwerk zerteilten Fenstern und dem gepanzerten Tor, das sich wie eine Ziehharmonika öffnete, steuerte eine dunkle, disharmonische Nuance bei. Der Taxifahrer hielt während der ganzen Fahrt den Blick auf den Rückspiegel geheftet und schaltete plötzlich die Scheinwerfer ein, weil er das aberwitzige Gefühl hatte, eine Prinzessin zu kutschieren. Als er vor dem Gefängnis hielt, fragte er verwirrt:

      – Wen besuchen Sie da drin?

      – Unsere Tochter kommt hinein, sagte Frau Tachecí stolz. Der Mann schaute Lízinka noch einmal an und fragte verstört:

      – Wieviel hat man ihr aufgebrummt?

      – Ein Jahr, sagte Frau Tachecí hochmütig; dann erschrak sie ob dieser Indiskretion und verstummte.

      – Diese Hunde! sagte der Taxifahrer. Sie ist ja noch ein Kind!

      Dann entsetzte er sich über die eigene Courage und fuhr davon. Der Wachtposten studierte eingehend Lízinkas Personalausweis und Passierschein. Dann sagte er:

      – Und Sie beide?

      – Wir sind die Eltern, sagte Doktor Tachecí, und wir dachten ...

      – Das gewöhnen Sie sich lieber ab, sagte der Wachtposten, doch darin äußerte sich eher langjährige Routine als persönliche Feindseligkeit, und kehren Sie um!

      Darauf drückte er einen Klingelknopf und trommelte mit den Fingern auf dem Pistolengriff. Doktor Tachecí fand, er sollte die Tochter nun an die Hand nehmen und mit ihr aus Leibeskräften zur Straßenbahnhaltestelle laufen. Dann sah er im Geiste seine Unterschrift auf dem Gesuch um Aufnahme und ließ den Kopf hängen.

      – Lízinka! sagte Frau Tachecí feierlich, geh, mein Mädchen, und lerne, damit du uns recht viel Freude machst!

      Sie entsann sich ihrer Mutter auf der Schwelle der höheren Töchterschule und machte Lízinka ein Kreuz auf die Stirn. Auch der Wachtposten verspürte den Wehmutshauch der Kindheit und wandte sich ab. Lízinka hob die Wange, und Doktor Tachecí gab ihr erschöpft einen Kuß.

      – Na, Gott befohlen! sagte

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      der hübsche, aber merkwürdig blasse Junge. Er sprang vom Fensterbrett herunter und starrte sie bewundernd und verwundert an.

      – Das bist du? fragte er, das Mädchen, das bei uns mitmachen soll?

      Lízinka nickte.

      Mich trifft der Schlag, sagte er fassungslos, überquerte den Korridor, und öffnete eine Tür und rief:

      – Leute, sie ist da!

      In dem weiten Raum mit einer Tafel, sieben Arbeitstischen, einem menschlichen Skelett und mehreren Vitrinen, der sich nur durch die Gitter vor den Fenstern von einem Naturkundekabinett unterschied, spielten fünf Jungen Schinkenklopfen. Vier davon droschen mit je zwei ausgestreckten geschlossenen Fingern abwechselnd aufs Hinterteil des fünften ein, der die Ellbogen auf die Knie gestützt hielt und vorläufig vergeblich zu erraten versuchte, wer ihn eben geschlagen hatte, um abgelöst zu werden. Die Vorstellung verlief wie unter Altersgenossen üblich.

      – Ahoj! sagte der gutmütig aussehende Dicke; Bund und Schritt seiner Jeans waren mit geblümtem Stoff besetzt, was komisch wirkte. Ich bin der František.

      – Ahoj! sagten zwei Jungen gleichzeitig, wir sind Petr und Pavel.

      Sie waren Zwillinge, in Aussehen und Kleidung einander zum Verwechseln ähnlich; die Scheitel im glatten schwarzen Haar waren jedoch auf verschiedenen Seiten gezogen.

      – Ahoj! sagte der vierte, ich heiße Albert.

      Das herrliche kastanienbraune Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte, und die großen Augen, richtige Rehaugen, bewirkten, daß man erst nach längerer Zeit seines Gebrechens gewahr wurde: Er hatte einen Buckel.

      Der fünfte Junge verharrte noch immer in gebückter Haltung, mit dem Rücken zu ihnen. In Erwartung weiterer Schläge schnaufte er vor Aufregung und merkte nichts von dem Gespräch.

      – Verflixt noch mal, sagte er ungeduldig, wird’s bald?

      – Simon, sagte František, du zeigst deinen Hintern einer Dame. Aber so lernt sie dich wenigstens von deiner besseren Seite kennen.

      Der Junge drehte sich um. Er war ein baumstarker Kerl mit lächerlich kleinem Kopf, der, kahlgeschoren, wie er war, einem größeren Tennisball glich. Als er Lízinka erblickte, bekam er Kulleraugen und sperrte den Mund auf.

      – Bete, Simon, röhrte Albert mit unerwartet tiefer Stimme, der Engel des Herrn ist gekommen, um dich zu strafen für alle Katzen, denen du den Hals umgedreht hast!

      Der Muskelprotz sank krachend auf die Knie und verbarg das Gesicht in den Händen, die größer waren als der Kopf.

      – Gnade! schrie er mit überkippender Stimme.

      Darauf erscholl jungenhaftes Gelächter aus fünf Kehlen.

      – Du bist ein schönes Rindvieh! sagten Petr und Pavel.

      Er spreizte die Finger und blickte Lízinka mit tränenfeuchten Augen mißtrauisch an.

      – Und ich bin Richard, sagte der Junge, der sie hereingeführt hatte. Ahoj!

      Sein gewinnend bleiches Antlitz, das einem Hirten auf einem bukolischen Gobelin wohl angestanden hätte, überzog sich rasch mit Blutröte, der ersten, wie er sich bewußt wurde, die nicht von dem tückischen Leiden verursacht war, sondern von ganz gewöhnlicher Verlegenheit, in deren Gefolge sich Wohlbefinden, Glück und die Freuden der Jugend wieder bei ihm einstellten ...

      Da öffnete Dozent Schimssa die Tür und machte Platz, um Professor Wolf den Vortritt zu lassen.

      – Hals- und Beinbruch, flüsterte er ihm fröhlich zu.

      Wolf spuckte sich in die Hände und ging ans Werk. Die ersten drei hängte er selbst, aber je niedriger die ehemalige Funktion

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      des Betroffenen, desto heftiger sein Widerstand. Den vierten mußten schon drei Gehilfen festhalten, aber das Ruck-Zuck gelang ihm trotzdem erst nach dem dritten Versuch. Zwar würde ihm niemand einen Vorwurf machen, wenn er diesem hier nach altem Brauch einfach die Beine wegstieß und ihn nach bestem Können ersticken ließ! Aber um diese Zeit hatte er schon begonnen, sein Fach systematisch zu studieren, und seine Exzerpte aus der Literatur füllten bereits das fünfte Heft; der Ruf, der immer häufiger und in einem Ausmaß an ihn erging, das selbst die schönste Kunst zum Handwerk machte, wuchs sich allmählich zur Berufung aus.

      Als

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