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Wildfell Hall. Anne Bronte
Читать онлайн.Название Wildfell Hall
Год выпуска 0
isbn 9783985221462
Автор произведения Anne Bronte
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mr. Lawrence saß, mit dem Ellbogen auf den Tisch gestützt da, spielte nachlässig mit seinem halb geleerten Weinglase und lächelte verstohlen vor sich hin
»Denken Sie aber nicht, Mr. Milward,« meinte er, als Jener endlich seine Predigt geendet hatte, daß, wenn ein Kind von Natur zur Unmäßigkeit geneigt ist — zum Beispiel von seinen Eltern oder Voreltern her — einige Vorsichtsmaßregeln räthlich sind.« — (Man glaubte allgemein, daß Mr. Lawrence’s Vater sein Leben durch Unmäßigkeit verkürzt habe.)
»Einige Vorsichtsmaßregeln wohl, aber Mäßigkeit ist Eines und Enthaltsamkeit ein Anderes.«
»Aber ich habe gehört, daß für manche Personen Mäßigkeit fast unmöglich ist, und wenn Enthaltsamkeit ein Uebel ist — was Manche bezweifeln — so wird Niemand leugnen, daß Uebermaß ein noch größeres ist. — Manche Eltern verbieten ihren Kindern gänzlich, berauschende Getränke zu berühren, aber die elterliche Gewalt kann nicht ewig dauern. Die Kinder sind von Natur geneigt, sich nach dem Verbotenen zu sehnen, und ein Kind würde in einem solchen Falle höchst wahrscheinlich sehr neu gierig sein, dasjenige, was von Andern so gelobt und genossen wird, aber ihm so streng verboten ist, zu kosten und dessen Wirkungen zu versuchen, eine Neugier, die gewöhnlich bei der ersten Gelegenheit befriedigt würde und wenn der Zwang einmal durchbrochen wäre, so könnten daraus ernstliche Folgen entstehen. Ich gebe mich für keinen Kenner in dergleichen Dingen aus, es scheint mir aber, als ob das von Ihnen, Mrs. Markham, beschriebene System der Mrs. Graham, so ungewöhnlich es auch ist, seiner Vortheile nicht ermangelt, denn hier sehen Sie, daß dem Kinde die Versuchung gänzlich benommen ist — es hat keine Neugier, keinen verstohlenen Wunsch, ist mit den verlockenden Flüssigkeiten so bekannt, wie es nur je wünschen kann, und dieselben ekeln es an, ohne daß es von ihren Wirkungen zu leiden gehabt hat.«
»Und ist das recht, Sir? — Habe ich Ihnen nicht bewiesen, wie unrecht — wie sehr im Widerspruche mit der heiligen Schrift und der Vernunft es ist, wenn man einem Kinde lehrt, die Segensgaben der Vorsehung mit Verachtung und Ekel anzublicken, statt sie richtig zu benutzen.«
»Sie mögen das Opium auch für eine Segensgabe der Vorsehung ansehen, Sir,« antwortete Mr. Lawrence lächelnd, »und doch werden Sie zugestehen müssen, daß die Meisten von uns am besten thun werden, sich selbst des mäßigen Genusses desselben zu enthalten; aber,«i fügte er hinzu, »ich wünsche nicht, daß Sie mein Gleichniß zu streng ausführen und leere zum Zeichen davon mein Glas.«
»Und genießen doch hoffentlich noch eines, Mr. Lawrence,« sagte meine Mutter, indem sie ihm die Flasche hinschob.
Er lehnte es höflich ab, rückte seinen Stuhl etwas von dem Tische fort, neigte sich zu mir zurück — ich saß im Hintergrunde auf dem Sopha neben Elise Milward und fragte mich nachlässig, ob ich Mrs. Graham kenne.
»Ich habe sie ein paar Mal gesehen und gesprochen,« entgegnete ich.
»Was denken Sie von ihr?«
»Ich kann nicht sagen, daß sie mir sehr gefällt, sie ist von schönem — oder ich sollte vielmehr sagen, vornehmen und interessantem Aeußern, aber keineswegs liebenswürdig; sie kommt mir vor wie eine Frau, die gern starke Vorurtheile annimmt und durch Dick und Dünn mit ihnen geht, wobei sie Alles in Uebereinstimmung mit ihren vorgefaßten Meinungen zu drehen und zu wenden sucht — zu hart, zu schroff, zu bitter für meinen Geschmack.«
Er antwortete nicht, sondern blickte nieder und biß sich die Lippen und kurz nachher stand er auf und schlenderte zu Miß Wilson hin, wie es mir vorkam, gleich stark von mir zurückgestoßen, wie von ihr angezogen. Ich bemerkte es zu jener Zeit kaum, später aber erinnerte ich mich an diese und andere Kleinigkeiten ähnlicher Art, als — doch ich darf meiner Erzählung nicht vorgreifen.
Wir beendigten den Abend mit einem Tänzchen, dem beizuwohnen unser guter Pfarrer für keine Sünde hielt, obgleich einer von den Dorfmusikanten gemiethet worden war, um unsere Evolutionen mit seiner Violine zu leiten.
Mary Milward weigerte sich indeß hartnäckig, daran Theil zu nehmen und das Gleiche that Richard Wilson, obgleich meine Mutter ernstlich in ihn drang und sich ihm sogar zur Tänzerin anbot.
Es ging jedoch auch ohne sie recht gut. Mit einem einzigen Quarré zum Contretanze und einigen Anglaisen trieben wir es bis ziemlich spät und endlich rief ich unsern Musikus auf, einen Walzer aufzuspielen und wollte, von Lawrence mit Jene Wilson und Fergus mit Rosa gefolgt eben anfangen, Elisen in diesem schönen Tanze umherzuwirbeln, als sich Mr. Milward in’s Mittel legte und sprach:
»Nein, nein, das erlaube ich nicht! — Komm, es ist jetzt Zeit zum Gehen.«
»Ach nein, Papa,« bat Elise
»Hohe Zeit, meine Tochter — hohe Zeit! — Seid mäßig in allen Dingen! das ist mein System.«
Zur Rache aber folgte ich Elisen in den schwach erleuchteten Hausgang, wo ich unter dem Vorwande, ihr den Shawl umzulegen, mich leider schuldig bekennen muß, ihr hinter dem Rücken ihres Vaters einen Kuß geraubt zu haben, während Jener Hals und Kinn in einen ungeheuren, wollenden Shawl wickelte. Aber ach, als ich mich umwendete, stand meine Mutter dicht neben mir, und die Folge davon war, daß ich, sobald die Gäste Abschied genommen hatten, eine äußerst ernsthafte Strafpredigt anhören mußte, die den Galopp meiner guten Laune auf unangenehme Weise zügelte und einen häßlichen Schluß des Abendvergnügens abgab.
»Mein lieber Gilbert,« sagte sie, »ich wollte, Du thätest das nicht! — Du weißt, wie sehr mir Dein Wohl am Herzen liegt, wie ich Dich über Alles in der Welt liebe und schätze und wie sehr ich mich sehne, Dich im Leben gut untergebracht zu sehen, — und wie bitterlich es mich bekümmern würde, wenn ich Dich mit diesem Mädchen oder irgend einem andern in der Nachbarschaft verheirathet erblicken sollte. Ich weiß nicht, was Du an ihr siehst, ich denke nicht nur an ihre Vermögenslosigkeit — ganz und gar nicht — aber sie besitzt weder Schönheit noch Talente, noch Güte, noch irgend etwas Anderes, was man sich sonst wünschen könnte. Wenn Du Deinen Werth so gut kenntest, als ich, so würdest Du nicht im Traume an sie denken. Warte doch noch eine Weile und sieh zu — wenn Du Dich an sie, bindest, so wirst Du es lebenslänglich bereuen, sobald Du Dich nachher umschaust und siehst, wie viele Bessere es gibt, als sie. — Nimm mein Wort darauf, daß es so kommen wird.«
»O Mutter, sei doch ruhig! — ich hasse die Vorlesungen! — ich denke noch nicht an’s Heirathen, das sage ich Dir, aber Du lieber Gott, soll ich denn mein Leben gar nicht genießen?«
»Ja, lieber Junge, aber nicht aus diese Art. Du solltest wirklich dergleichen Dinge nicht thun, Du würdest dem Mädchen Unrecht zufügen, wenn sie das wäre, was sie sein sollte; aber ich versichere Dir, daß sie eine schlaue kleine Kröte ist, wie man sie nur zu sehen wünschen kann, und Du wirst Dich in ihren Netzen fangen, ehe Du weißt wo Du bist, und wenn Du sie heirathest, Gilbert, so wirst Du mir das Herz brechen. — Weiter sage ich Dir nichts.«
»Nun. weine nicht darum, Mutter,« sagte ich, denn die Thränen standen ihr in den Augen. »Da, laß diesen Kuß denjenigen, den ich Elisen gegeben, verwischen, schilt nicht mehr auf sie und beruhige Dich, denn ich verspreche Dir, nie — das heißt, ich will Dir versprechen, mich — mich zweimal zu bedenken — ehe ich einen wichtigen Schritt thue, den Du ernstlich mißbilligst.«
Hiermit zündete ich mein Licht an und ging mit bedeutend gedämpfter guter Laune zu Bett.
Fünftes Kapitel.
Das Atelier.
Es war gegen das Ende des Monats, als ich endlich dem eifrigen Drängen Rosa’s nachgab und sie zu einem Besuche nach Wildfell Hall begleitete
Zu unserm Erstaunen wurden wir in ein, Zimmer gewiesen, wo der erste Gegenstand, welcher mein Auge traf, eine Malerstaffelei mit einem Tische daneben war, worauf Leinwandrollen, Oel und Firnißflaschen, eine Palette, Pinsel, Farben u. s. w. umherlagen. An der Wand lehnten mehrere Skizzen auf verschiedenen Stufen der Ausführung und einige ausgeführte