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noch an einen Lulatsch in schrägen Klamotten.«

      Lulatsch in schrägen Klamotten – das traf es tatsächlich recht gut, wie ich zugeben musste. Dennis war hochgewachsen und schmal, und er hatte eine Vorliebe für die Siebziger. Das führte zuweilen zu modischen Extravaganzen, die wahrlich nicht nach jedermanns Geschmack waren, aber das war ihm so wurscht wie nur was. Schon immer hatte ich das Selbstbewusstsein bewundert, mit dem er seine leidenschaftliche Liebe zu Schlaghosen, Plateaustiefeletten und überbreiten Krawatten auslebte. Oft genug sah er aus, als wäre er auf dem Weg zu einer Bad-Taste-Party, bei der er hundertprozentig den ersten Preis abgeräumt hätte. Das Beste war, dass er über meine spitzzüngigen und spöttischen Bemerkungen zu seinem Äußeren stets hatte lachen können. Ein Mann mit Selbstironie – das allein wäre ja eigentlich schon Grund genug gewesen, mich in ihn zu verlieben.

      »Schönen Gruß an deinen Gatten – ein Besuch bei euch steht ganz oben auf meiner Liste.«

      »Super. Aber sag Dennis, er soll mir dann nicht wieder damit auf den Keks gehen, dass ich die beste Domina war, die er jemals hatte, und zurück an seine Hotline kommen soll.«

      Tatsächlich gehörte es zum Ritual, dass Dennis sie genau darum bat, wenn er und Diana sich begegneten. Wie ernst es ihm damit war, konnte ich nicht einschätzen, aber sicherlich würde er sich gegen ihre Rückkehr nicht wehren. Okko hatte nie ein Problem damit gehabt, dass Diana an der Sexhotline gearbeitet hatte, aber …

      »Okko fände es also nur mäßig komisch, wenn Dennis die Telefondomina in dir wieder heraufbeschwören wollte?«, fragte ich amüsiert.

      »Mäßig komisch?« Diana schnaubte. »Du weißt selbst, dass er mehr als entspannt mit meiner Vergangenheit an der Sexhotline umgeht, aber … Sagen wir so: Wenn Dennis in seinem Beisein versuchen würde, mich zu überreden, würde Okko ihm wahrscheinlich weit draußen im Watt bei einem Picknick auf einer Sandbank K.-o.-Tropfen in ein Glas Bier geben und ihn bei der nächsten Flut ersaufen lassen.«

      »Und das als Anwalt.«

      »Anwälte sind auch nur Menschen. Und zuweilen gleichzeitig Ehemänner, die ihre Frau abgöttisch lieben. Aber sie verfügen manchmal über ein profundes Wissen, wie sie den perfekten Mord begehen können.«

      »Profundes Wissen? Ich würde das kriminelle Energie nennen, meine Liebe. Aber die Idee ist tatsächlich hübsch. Auf deinem Mist gewachsen?«

      Diana kicherte. »Ja, gerade eben. Okkos Beruf scheint mich irgendwie zu inspirieren.«

      »Solange du ihm keine Vorschläge machst, wie er meinen Freund beseitigen kann …«

      »Das würde ich niemals tun. Dazu mag ich ihn viel zu sehr. Außerdem bist du wieder viel fröhlicher, seit du mit ihm zusammen bist. Süße, ich muss los, Heini wartet schon ungeduldig auf seinen Strandspaziergang. Grüß den Lulatsch von mir.«

      Wir legten auf, und ich musste feststellen, dass ich sie nur zu gern auf dem Strandspaziergang mit Heini, ihrem quirligen Terrier, begleitet hätte. Es wurde wirklich mal wieder Zeit, sie zu besuchen. Zusammen mit Dennis.

      Eigentlich hatte ich es sogar ihr zu verdanken, dass Dennis und ich jetzt ein Paar waren. Bei ihrem letzten Besuch bei mir war sie zu dem Schluss gekommen, dass ich einsam und unglücklich war, hatte mich an einem sehr angeheiterten Abend zu einem Profil auf einer Plattform für Singles genötigt, auf der auch Dennis aktiv gewesen war …

      Der Rest ist Geschichte.

      Eine Stunde später parkte ich mein Auto auf dem Randstreifen in der Straße, an der sich die Seniorenresidenz ›Herbstglück‹ befand. Wie üblich waren die beiden Flügel des schmiedeeisernen Tores, durch das man das weitläufige Gelände betrat, einladend geöffnet. Das Laub der malerischen Allee aus Buchen, die zur Residenz führte, schimmerte goldgelb und orange, wie es sich für den Herbst gehörte. Im Sommer nutzten die Bewohner der Einrichtung ausgiebig den schönen Park, der das Gebäude umgab, aber heute konnte ich niemanden entdecken, denn es war trotz der Sonne herbstlich kühl. Für meine Verabredung war ich etwas zu früh dran, also spazierte ich zunächst zum kleinen Ententeich. Sofort kam das Federvieh hoffnungsvoll zum Ufer gepaddelt, drehte aber umgehend desinteressiert wieder ab, als ich keine Anstalten machte, sie zu füttern. Klare Ansage: Du hast nichts für uns, also existierst du für uns nicht.

      Ob Baghira wohl auch nur deshalb so anschmiegsam war, weil ich ihn mit Leckerbissen verwöhnte? Wir vermenschlichen unsere Haustiere ja nur zu gern und bilden uns ein, dass sie uns lieben, aber vermutlich ist das nur eine Mischung aus Kalkül, Bequemlichkeit und Instinkt. So nach dem Motto: Bei der Ollen ist es warm, gemütlich und trocken, und sie kann im Gegensatz zu mir die Dosen öffnen, in denen mein Futter aufbewahrt wird – hier bleibe ich, denn hier ist das Leben viel einfacher und besser als in der freien Wildbahn.

      Ich schlenderte weiter.

      Überall lag herabgefallenes Laub, auch zwischen den hüfthohen Holzfiguren der beiden großen Schachspiele, deren Partien auf gepflasterten Flächen aus weißen und schwarzen Steinplatten ausgetragen wurden. Auf dem einen Spielfeld standen die Figuren ordentlich aufgereiht am Rand, auf dem anderen waren sie wie bei einer laufenden Partie angeordnet. Aber es konnte natürlich auch sein, dass sie einfach sinnlos irgendwo herumstanden; von Schach verstand ich nichts. Umgeben war das lauschige, vom Hauptweg nicht einsehbare Areal von Büschen, zwischen denen in regelmäßigen Abständen Bänke standen, die interessierten Zuschauern Platz boten.

      Die gekiesten Spazierwege wanden sich anmutig durch den idyllischen Park, der auch zu dieser Jahreszeit noch jede Menge Charme besaß. Das Laub der Bäume und Büsche prunkte in traumhaften Herbstfarben, und in den wie zufällig angelegten Beeten blühten farbenfrohe Astern. Ich passierte einen kleinen Minigolf-Platz und diverse hübsche Sitzgelegenheiten. Ich liebte den versteckt liegenden hölzernen Pavillon, der mit Korbmöbeln für vier Personen eingerichtet und von einer Kletterrose umrankt war, die noch etliche Blüten trug. Ein wunderbares Plätzchen, wenn man einen ungestörten Plausch halten wollte.

      Nicht der schlechteste Ort, um seinen Lebensabend zu verbringen, dachte ich nicht zum ersten Mal.

      Nicht, dass ich mir diese Luxusresidenz jemals würde leisten können, aber ich beglückwünschte jeden, der hier wohnte.

      Wie Cäcilie und Käthe zum Beispiel, die bestimmt schon auf mich warteten, wie ein Blick auf die Uhr mir klarmachte.

      Ich musste mich sputen, also ging ich quer über den Rasen zur Terrasse ihrer Suite. Dort stand eine pfirsichfarben gekleidete Gestalt und winkte mir schon von Weitem zu.

       Kapitel 2

       Ein Speisesaal wie in einem Schloss und herrschaftliches Verhalten – Loretta fühlt sich wie in eine andere Zeit versetzt

      »Na, dat wurde aber auch Zeit«, begrüßte mich Cäcilie und zog mich ins Haus. »Wir dachten schon, du kommst nich mehr.«

      »Tut mir leid, ich war zu früh dran und bin noch im Park spazieren gegangen«, erwiderte ich und hauchte erst ihr, dann ihrer Schwester einen Begrüßungskuss auf die gepuderten Wangen. Beide dufteten stets nach Lavendel, was ich sehr mochte.

      Käthe schüttelte missbilligend den Kopf. »Das dachten wir natürlich nicht. Was soll Loretta denn von uns denken? Sie würde eine Verabredung mit uns niemals versäumen, ohne rechtzeitig Bescheid zu sagen. Das ist einfach nicht ihr Stil, Cäcilie, und das weißt du auch.«

      »Natürlich weiß ich dat«, sagte Cäcilie. »Wir müssen los, Mädels. Der Gong hat bereits geläutet.«

      Oho, die feinen Herrschaften wurden mit dem Gong zum Essen gebeten – ich war beeindruckt.

      Bisher hatte ich ihre Kantine noch nicht kennengelernt; entsprechend neugierig war ich. Ich wusste, dass die Bewohner der Residenz morgens beinahe vollzählig dort frühstückten, denn lediglich die vier großzügigen Suiten verfügten über eine eigene kleine Küche, während die zehn Apartments nur aus einem oder zwei Zimmern mit Bad bestanden. Außerdem wurden auf Bestellung Mittagessen, Kaffee und Kuchen sowie Abendessen dort

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