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und so natürlich es sich einerseits anfühlte, so absurd fand es ein anderer Teil von mir. Während unser Freundeskreis nur darauf gewartet hatte, dass wir es endlich kapierten, hatten Dennis und ich parallel auf der gleichen Single-Plattform nach der großen Liebe gesucht. Verrückt.

      »Ich entdecke ständig Neues an dir«, erwiderte ich. »Jetzt gerade ist es zum Beispiel ein Stück Rührei, das in deinem Pornoschnäuzer hängt.«

      »Was?« Hektisch wischte er sich durchs Gesicht, bis er endlich mein diabolisches Grinsen bemerkte und damit aufhörte. »Du kannst es einfach nicht lassen, oder?«

      Nein, das konnte ich nicht.

      Immerhin waren meine Neckereien jahrelang fester Bestandteil unserer Freundschaft gewesen, die sich wiederum aus einer Arbeitsbeziehung entwickelt hatte. Ich hatte noch immer keine Ahnung, ob es klug gewesen war, mit dem Chef anzubandeln. Aber nun war es zu spät.

      Im Callcenter waren wir zunächst ganz diskret mit unserem neuen Status als Paar umgegangen, aber irgendwie hatte es doch die Runde gemacht. Für ungefähr sechs Minuten waren wir allgemeines Gesprächsthema gewesen, dann gingen alle wieder zur Tagesordnung über.

      Von meiner Kollegin und Freundin Doris hatte ich dann erfahren, dass die meisten Mitarbeiter ohnehin längst davon ausgegangen waren, dass Dennis und ich heimlich ein Verhältnis hatten, was mich sehr verblüffte. Hatten wir miteinander geflirtet, ohne es selbst zu bemerken? Wir waren jedenfalls ein Paradebeispiel dafür, dass sich aus einer langjährigen, kumpelhaften Freundschaft durchaus mehr entwickeln konnte.

      Zugegeben: Vor unserem ersten Kuss – von der ersten gemeinsamen Nacht will ich gar nicht anfangen – hatte ich Muffensausen gehabt, aber hallo. Unter den etlichen Optionen hatte eine darin bestanden, dass es sich anfühlen würde, als würde ich meinen Bruder küssen. Mein Herz hatte vor Nervosität wie verrückt gehämmert. Aber dann war es einfach himmlisch gewesen. (Und alles andere als geschwisterlich.)

      Wir ließen es trotz allem langsam angehen. Wir hatten uns gefunden, und das genossen wir mit einer gewissen gelassenen Zufriedenheit. Wir waren beide Mitte vierzig, und wir mussten nichts überstürzen. Darin waren wir uns einig, ohne es aussprechen zu müssen.

      Mal übernachtete er bei mir, mal ich bei ihm, aber wir hingen nicht wie Kletten aneinander. Davon, zusammenzuziehen, war bisher keine Rede, auch wenn ich mir deutlich Schlimmeres vorstellen konnte, als in Dennis’ wunderschönem Bauernhaus außerhalb der Stadt zu wohnen. Aber ich liebte meine Wohnung, die mir noch ein gewisses Maß an Unabhängigkeit gewährte. Außerdem: Der kleine Lebensmittelladen meiner Freunde Bärbel und Frank war nur wenige Gehminuten entfernt. Seit sie ihn übernommen hatten, sahen wir uns beinahe täglich, und das bedeutete mir viel.

      »Was hast du heute noch vor?«, fragte Dennis. Er beugte sich hinunter und streichelte meinen Kater Baghira, der maunzend um die Tischbeine strich, weil er scharf auf unser Rührei war.

      »Cäcilie und Käthe haben mich in die Residenz zum Essen eingeladen. Sie wollen mir irgendetwas erzählen, haben sie gesagt. Sie taten sehr geheimnisvoll.«

      Dennis tauchte wieder auf und lächelte. »Du magst die beiden alten Mädchen, oder?«

      Seine Frage war rein rhetorisch und bedurfte keiner Antwort. Cäcilie und Käthe – muntere Schwestern jenseits der achtzig – hatten vor einigen Monaten bei der Aufklärung des letzten Mordfalls geholfen, in den ich gestolpert war. Nicht nur das: Sie waren auch live dabei gewesen, als der Fall seinen fulminanten Abschluss gefunden und Dennis mir heldenhaft das Leben gerettet hatte. Seither besuchte ich sie regelmäßig alle drei bis vier Wochen zu einem Plausch bei Kaffee und Kuchen.

      »Ich bin nicht zufällig auch eingeladen?«, fragte Dennis.

      Ich schüttelte den Kopf. »Sie lieben dich, das weißt du, aber diesmal handelt es sich um ein reines Mädelstreffen. Du wirst dich ohne mich doch nicht etwa langweilen? Ich komme später noch vorbei.«

      »Das ist es nicht.« Dennis seufzte theatralisch. »Ich hatte irgendwie gehofft, mich vor der dringend notwendigen Gartenarbeit drücken zu können, die ich mir für heute vorgenommen habe. Es ist Herbst, und es gibt viel zu tun. Blätter zusammenharken, die Äpfel aufsammeln, verblühtes Zeugs abschneiden, ein letztes Mal den Rasen mähen, die Gartenmöbel einmotten, das Hühnerhaus auf Winterfestigkeit checken …«

      »… einen Brunnen graben und die Zäune an der Nordweide reparieren«, fiel ich ihm grinsend ins Wort. »Du tust gerade so, als wäre dein Garten so groß wie das Gelände der Ponderosa Ranch.«

      »Klein ist er nicht gerade, oder?«

      »Du musst ja nicht alles heute erledigen. Und ich könnte dir später noch helfen.«

      »Versprochen?«

      »Versprochen.«

      Nach dem Frühstück trödelte er noch ein wenig herum, aber schließlich verabschiedete er sich. Baghira bekam eine winzige Portion vom übriggebliebenen Rührei, die er begeistert verputzte. Als er sah, dass ich den Staubsauer einstöpselte, floh er Hals über Kopf auf seinen Kratzbaum und beäugte von oben aus sicherer Entfernung, wie ich die lärmende Teufelsmaschine durch die Wohnung manövrierte. Als ich das erledigt hatte, putzte ich das Bad, das es mehr als nötig hatte.

      Danach brühte ich mir einen frischen Espresso und lümmelte mich damit aufs Sofa. Kaum saß ich, als das Telefon klingelte: Es war meine beste Freundin Diana.

      »Huhu!«, zwitscherte sie aufgeräumt. »Ich habe dich doch nicht etwa geweckt? Oder bei etwas gestört?«

      Die Art, wie sie dieses Wort aussprach – gestöööhööört –, ließ eine gewisse Schlüpfrigkeit mitschwingen. Prompt ritt mich der Teufel.

      »Nee«, erwiderte ich betont brummig. »Bin gerade mit dem Putzen fertig.«

      »Putzen? Wie unsexy. Und das am Sonntagmorgen. Ist Dennis nicht bei dir?«

      »Dennis? Mit dem hab ich Schluss gemacht.«

      Mit diabolischem Vergnügen genoss ich die fassungslose Stille am anderen Ende der Leitung.

      Nach einer angemessenen Pause fuhr ich fort: »Je besser ich ihn kennenlernte, desto langweiliger wurde er. Stink-lang-wei-lig. Wir hatten uns rein gar nichts zu erzählen. Was auch? Schließlich sehen wir uns seit Jahren täglich, da werden die Gesprächsthemen knapp. Ehrlich, ich bin zu alt, um meine Zeit mit einem Langweiler zu verplempern.«

      Immer noch Stille.

      Schließlich wisperte sie: »Du machst hoffentlich Witze?«

      »Wieso – hast du Angst, dass du den anderen das Geld aus der gewonnenen Wette zurückzahlen musst?«

      Es hatte sich seinerzeit nämlich herausgestellt, dass meine Freunde um den Zeitpunkt gewettet hatten, wann Dennis und ich zusammenkommen würden. Diana hatte punktgenau geschätzt und ordentlich abgeräumt.

      »Quatsch, ums Geld geht es mir nicht. Wie kannst du das nur denken? Aber ich dachte, ihr beide … Ich hab mich doch so für euch gefreut!«

      »Ich doch auch, Diana. Zuerst jedenfalls. Aber wie sage ich immer: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.«

      Wieder schwieg sie einen Moment lang, dann sagte sie: »Moment mal. Seit wann sonderst du denn derartig bescheuerte Phrasen ab? Zumal zu einem so wichtigen Thema! Weißt du was? Ich glaube dir kein Wort! Und ich kriege selbst durch den Hörer mit, dass dein Grinsen von einem Ohr bis zum anderen reicht.«

      Ich musste kichern. »Schon gut, du hast ja recht. Keine Sorge, zwischen Dennis und mir ist alles in Butter. Wir haben uns lieb und sind sehr nett zueinander, wie es sich gehört. Aber er hat in seinem Garten zu tun, und ich bin später mit den beiden Schwestern verabredet.«

      Ich musste ihr nicht erklären, wen ich damit meinte, denn selbstverständlich war Diana über jedes Detail meiner letzten Mördersuche informiert.

      »Ich würde sie zu gern mal kennenlernen«, sagte sie. »Apropos: Okko nervt mich damit, wann ihr endlich mal zu uns an die Küste kommt.«

      »Wer

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