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Theologen geworden. Dafür zeugt ganz besonders die monumentale Apokalypse der deutschen Seele des Jesuiten Hans Urs von Balthasar. Nach dem Krieg hat sich Romano Guardini intensiv mit Rilke auseinandergesetzt, ohne Heidegger direkt zu nennen. Karl Rahner, Heideggerschüler, hat sich mit Priester und Dichter unter ausdrücklichem Bezug auf die Duineser Elegien im Umkreis des Brenner an diesem Gespräch beteiligt. Ein seltsamer Nachzügler ist das Buch des Ex-Jesuiten Günther Schiwy Rilke und die Religion (2006). Die „Gleichung“ Heidegger-Rilke geht eindeutig auf eine nicht verbürgte Aussage des Philosophen zurück, die der französische Germanist Joseph-François Angelloz 1936 in seinem Rilkebuch in die Welt gesetzt hatte: Heidegger habe behauptet, die Duineser Elegien seien die poetische Variante seiner Philosophie, überhaupt glichen Rilke und Heidegger einander in der Frage des Todes.11 Heidegger war darüber sehr verärgert und hat Rilke in seinen Vorlesungen 1942–1943 aufs härteste kritisiert und einen Abgrund zwischen sich und dem Dichter konstatiert. Aber die apokryphe Behauptung tat ihre Wirkung: von Balthasar beruft sich auf sie und hat ihr ein ausführliches Kapitel unter dem Titel Rilke und Heidegger12 gewidmet, aber auch Gabriel Marcel und der abgefallene Priester Pierre Hadot, später Professor der Philosophie am Collège de France, denken daran, eine Dissertation über Rilke und Heidegger zu schreiben. Das Paar Heidegger-Rilke war sprichwörtlich geworden – Heidegger selbst sagte dazu verächtlich, dass „das gedankenlose Zusammenwerfen meines Denkens mit Rilkes Dichtung bereits zur Phrase geworden ist.“13 Zu dieser Dichtung bemerkt er abschätzig, sie „ist überhaupt nichts in einem Zeitalter, in dem nicht nur Sein oder Nichtsein eines Volkes zur Entscheidung steht, sondern all dem voraus das Wesen und die Wahrheit von Sein und Nichtsein selbst und schlechthin auf dem Spiele stehen“.14 1942! Doch die „Phrase“ hat ihre Wirkung getan und Rilke in ein theologisch-philosophisches Spannungsfeld gebracht, für das Marcels Homo Viator ein typisches Zeugnis ablegt.

      Der „Entzauberung der Welt“ durch die technische und wissenschaftliche Rationalität wird die Hoffnung auf eine Sakralisierung entgegengesetzt. Ein unerschöpfliches europäisches Thema seit der Aufklärung. Welche Rolle spielen Rilke und Heidegger für Marcel in diesem Prozess?

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