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durch eigene Abgrenzung in sich abgesonderten Meere, und die Erde war eben darum noch über und über von unstet wogender Flut und abgrundtiefem Wasser bedeckt122. Bedenke, wie auch jetzt noch die Erde häufig von Sumpfschlamm starrt und dort, wo zu reichliche Flüssigkeit in den Boden gesickert ist, keine Pflugschar trägt. Sie war sonach „ungestaltet“, weil ungepflügt für die Aussaat des emsigen Landmannes, indem ein Bebauer noch nicht da war. Sie war „ungestaltet“, weil brach an Erzeugnissen und ohne Pflanzenwachstum an schwellenden Ufergeländen und nicht umgürtet von dunklen Hainen, und nicht saatenfroh und nicht beschattet von Bergesgipfeln und nicht blumenduftend und nicht rebenwinkend; mit Recht „ungestaltet“, da sie allen Schmuckes entbehrte, da sie der sprossenden Rebengewinde mangelte. Es wollte nämlich Gott zeigen, daß die Welt an sich ohne Reiz gewesen wäre, wenn kein Bebauer sie mit mannigfacher Anpflanzung geschmückt hätte. Selbst der bewölkte Himmel pflegt beim Anblick Grauen und Angst in der Seele zu wecken, die von Regen aufgeweichte Erde Widerwillen; und das von Stürmen gepeitschte Meer: welchen Schrecken jagt es nicht ein! Wunderschön ist der Dinge Gestalt. Doch was wäre sie ohne das Licht? Was ohne die Wärme? Was ohne Sammlung der Wasser, in deren Tiefen vordem die Anfänge unseres Weltkörpers versenkt lagen. Nimm der Erde die Sonne, nimm dem Himmel die Sternenbälle: alles starrt vor Finsternis. So war es, bevor der Herr dieser Welt das Licht eingoß. Darum sagt die Schrift: „Finsternis lag über dem Abgrunde“. Finsternis lag darüber, weil der Glanz des Lichtes erst folgte. Finsternis war, weil die Luft an sich finster ist. Selbst das Wasser unter der Wolke ist finster; denn „finsteres Wasser ist im Gewölke der Luft“123. ― „Finsternis lag über den Abgründen der Wasser.“ Ich glaube nämlich nicht, daß man an die bösen Mächte zu denken hat, als hätte der Herr ihre Bosheit erschaffen; ist doch die Bosheit sicherlich nichts Wesenhaftes, sondern etwas Zufälliges, bestehend im Abweichen vom sittlich Guten der Natur.

      29.

      Bei der Erschaffung der Welt nun möge unsere Auffassung vom Bösen einstweilen noch zurückgestellt werden124, um nicht den Anschein zu wecken, mit Häßlichem Gottes Werk und der Schöpfung Schönheit zu entstellen, zumal da es im folgenden heißt: “Und der Geist Gottes war über den Wassern schwebend“125. Mögen auch einige Autoren ersteren von der Luft verstehen, andere vom Hauche des Lebensodems, den wir aus- und einatmen, so verstehen wir doch im Einklange mit der Auffassung der Heiligen und Gläubigen den Heiligen Geist darunter, so daß also bei der Weltschöpfung das Wirken der Trinität aufleuchtet126. Voraus ging nämlich: „Im Anfang hat Gott den Himmel und die Erde geschaffen“, d. i.: In Christus hat Gott geschaffen, oder: der Sohn Gottes hat als Gott geschaffen, oder: durch den Sohn hat Gott geschaffen, indem „alles durch ihn geschaffen ist und ohne ihn nichts geschaffen ist“127. Noch war nachzutragen die Fülle der Wirksamkeit im Geiste; denn so steht geschrieben: „Durch das Wort des Herrn sind die Himmel gefestigt und durch seines Mundes Hauch (Geist) all ihre Kraft“128. Wie wir also durch das Psalmwort über die Wirksamkeit des Wortes, d. i. des Wortes Gottes, sowie über die Kraft belehrt werden, die der Heilige Geist (den Himmeln) verlieh, so ertönt hier wie im Echo der prophetische Ausspruch: „Es sprach Gott“ und: „Es schuf Gott“, desgleichen: „Der Geist Gottes war schwebend über den Wassern“. Während der Himmel der Ausschmückung sich erfreuen sollte, schwebte, wie es so schön heißt, über der Erde, die sprossen sollte, der Geist Gottes; denn ihm verdankten die Samen für die neuen Erzeugnisse ihre Triebkraft nach des Propheten Wort: „Sende Deinen Geist und sie werden geschaffen, und Du erneuest das Angesicht der Erde“129. Der syrische Text, der mit dem hebräischen sich nahe berührt und zumeist wörtlich damit sich deckt und übereinstimmt, hat so: „Und der Geist Gottes brütete über den Wassern“, d. i. belebte sie130: er zwang sie zur Hervorbringung neuer Geschöpfe und weckte sie durch sein Brüten zum Leben. Denn auch vom Heiligen Geiste lesen wir, daß er der Schöpfer ist. So spricht Job: „Gottes Geist ist’s, der mich geschaffen hat“131. Sei es also, daß es der Heilige Geist war, der über den Wassern schwebte: dann konnte nicht die Finsternis feindlicher Mächte dort lagern, wo so großes Gnadenwalten Platz griff; sei es daß man, wie andere wollen, die Luft darunter versteht: dann mögen sie Antwort stehen, warum vom „Geiste Gottes“ die Rede ist, nachdem der Ausdruck ‚Geist‘ genügt hätte.

      30.

      Jene nun132 wollen vom Herrn unserem Gotte zuerst die vier Elemente: Himmel, Erde, Meer und Luft hervorgebracht wissen, deshalb weil Feuer und Luft, Erde und Wasser die Grundstoffe der Dinge bilden, aus welchen der Welt Schönheit und Form besteht. Wo nun hätte die Finsternis der Geister der Bosheit noch Platz haben sollen, als die Welt das Prachtgewand ihrer jetzigen herrlichen Gestalt anzog? Oder hat Gott zugleich auch das Böse erschaffen? Doch nein, das nahm seinen Ursprung aus uns und ging nicht aus Gottes Schöpferhand hervor: die Ausgeburt eines leichtsinnigen sittlichen Wandels, ohne alles geschöpfliche Vorrecht und Ansehen einer Natursubstanz, vielmehr mit dem schlimmen Hang zur Unbeständigkeit und der Verirrung in die Sünde behaftet. Ausgerottet will es Gott haben aus eines jeglichen Seele: wie sollte er es eingepflanzt haben? Laut mahnt der Prophet: „Lasset ab von eurer vielen Bosheit!“133 Und insbesondere der heilige David: „Laß ab vom Bösen und tu Gutes!“134 Wie dürften wir ihm den Ursprung aus dem Herrn beilegen? Und doch ist dies die unselige Ansicht derer, die da Verwirrung in der Kirche anrichten zu müssen glaubten. Hier machten die Marcioniten, dort die Valentiner, dort die Pest der Manichäer den Versuch, in den Geist der Heiligen die Todeskeime ihrer ansteckenden Seuche zu senken. Was sollten wir uns im Lichte des Lebens die Finsternis des Todes aufsuchen? Die göttliche Schrift träufelt den Balsam des Heils, duftet den Wohlgeruch des Lebens, so daß du süße Frucht aus ihrer Lesung ziehen, nicht Gefahr zu jähem Sturz laufen sollst. In Einfalt lies, o Mensch! Grab dir nicht selbst, ein verkehrter Ausleger, eine Grube! Der einfache Wortlaut sagt: „Gott hat den Himmel und die Erde geschaffen“: er hat geschaffen, was nicht da war, nicht, was da war. Ferner: „Die Erde war unsichtbar“: seit dem Augenblicke der Erschaffung war sie da, und zwar unsichtbar, weil Wasser sie überflutete und bedeckte. Und Finsternis war ausgegossen über ihr, weil noch kein Tageslicht, noch kein Sonnenstrahl da war, der selbst die unter dem Wasser verborgenen Dinge zu erhellen pflegt. Wie kann man also sagen, daß Gott das Böse erschaffen hat, da doch aus konträren, sich entgegengesetzten Prinzipien nichts hervorgeht, was gerade das Gegenteil von ihnen ist: Leben erzeugt nicht Tod und Licht nicht Finsternis. Denn nicht wechselnden Launen gleichen Zeugungsprozesse. Jene kehren sich mit der Änderung des Vorsatzes von einem Gegenteil ins andere, diese lassen sich nicht von einem Gegenteil ins andere verändern, sondern stehen, aus gleichartigen Urhebern, bezw. Ursachen entstanden, in einem Ähnlichkeitsverhältnisse zu ihrem Urheber.

      31.

      Was also werden wir sagen? Wenn das Böse weder als unerschaffen anfangslos, noch auch von Gott geschaffen ist, woher hat es die Natur? Denn daß es Böses in dieser Welt gibt, hat noch kein Vernünftiger geleugnet; kommt es doch so häufig in diesem Leben zum Fall in den (Sünden-) Tod. Indes schon aus dem oben (8, 28) Gesagten können wir schließen, daß das Böse keine usprüngliche Wesenheit ist, sondern eine auf die Abkehr vom Tugendpfade zurückgehende Entstellung des Geistes und Sinnes, die nur der Sorglosen Sinn häufig beschleicht. Nicht also von außen, sondern von uns selbst droht uns die größere Gefahr. Im Innern lauert der Widersacher, im Innern der Anstifter der Sünde, im Innern, ich wiederhole es, in uns selbst ist er verschlossen. Laß deinen Vorsatz nicht aus dem Auge, prüfe das Verhalten deines Geistes, sei wachsam wider die Gedanken deines Geistes und die Begierden deines Herzens! Du selbst bist schuld an deiner Sündhaftigkeit, du selbst der Anführer bei deinen Schandtaten und der Verführer zu deinen Missetaten. Was ziehst du eine fremde Natur zur Entschuldigung deiner Fehltritte herein? O daß du dich nur nicht selbst hineingezerrt, daß du dich nicht hineingestürzt, daß du dich nicht hineingewälzt hättest, sei es durch allzu ungezügeltes Streben, sei es aus Gereiztheit, sei es infolge der Begierden, die uns wie mit einem Netz umstrickt halten! Ja fürwahr, wir haben es in unserer Gewalt, unser Streben zu zügeln, den Zorn zu dämpfen, die Begierden zu bezähmen, aber auch in unserer Gewalt, der Lüsternheit zu frönen, die Lüste zu entfachen, den Zorn zu schüren oder dem Schürenden das Ohr zu leihen, uns lieber in Hochmut

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