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      VII. Kapitel.

       Die “unsichtbare” Erde (Gen 1,2). Eine ewige Hyle ein Nonsens. Sinn von “unsichtbar”. Warum geht die Schöpfung nicht in voller Ausstattung aus des Schöpfers Hand hervor?

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      101* „Die Erde aber war unsichtbar und ungestaltet“*102. Ein tüchtiger Baumeister legt zuvor das Fundament, dann, wenn er das Fundament gelegt, führt er die Teile des Baues, einen nach dem andern, auf und fügt dazu die Ausschmückung. Erst also nachdem die Grundfeste der Erde gelegt und des Himmels Bau gefestigt war103 ― diese beiden sind ja das Grundwesentliche des Alls ― folgt die Bemerkung: „Die Erde aber war unsichtbar und ungestaltet“. Warum „war“? Daß man nur nicht etwa seine Meinung überspanne bis zu einer End- und Anfangslosigkeit und sage: Sieh, die Materie, d. i. nach philosophischer Ausdrucksweise die Hyle, nahm auch nach der göttlichen Schrift keinen Anfang. Denen, die das behaupten, kann man entgegenhalten, daß auch geschrieben steht: „Es ‚war‘ aber Kain ein Ackerbauer“104; und von Jubal, so heißt er, sagt die Schrift: „Er ‚war‘ der Vater, welcher Psalter und Zither aufzeigte“105; ferner: „Ein Mann ‚war‘ im Lande Hus namens Job“106. Mögen sie also den Streit um Worte lassen, zumal Moses im vorausgehenden bereits hervorhob, daß Gott die Erde geschaffen habe. Sie „war“ also von der Zeit an, da sie geschaffen wurde. Denn ist sie, wie sie behaupten, anfangslos, ist eben ihrer Behauptung zufolge nicht bloß Gott, sondern auch die Hyle anfangslos. Dann aber mögen sie angeben, wo sie denn war? Wenn im Raume, dann folgt, daß auch der Raum, worin der anfangslose Grundstoff der Dinge war, anfangslos gewesen ist. Scheint diese Auffassung vom Raume widersinnig, seht zu, ob wir uns die Erde nicht vielleicht mit Flügeln denken müssen, so daß sie in Ermangelung einer Grundfeste mit der Fittiche Schwungfedern sich in Schwebe hielt. Aber wo sollen wir denn die Fittiche für sie hernehmen? Wir müßten denn jenen prophetischen Ausspruch so deuten und hierher beziehen: „Vor den Schwingen der Erde vernahmen wir Unheilvolles, und jenes Wehe der Erde war wie Ruderschlag der Schiffe“107. Doch um es so zu verstehen: in welchem Luftkreis schwebte dann die Erde? Ohne Luft konnte sie ja nicht schweben. Luft aber konnte es noch nicht geben, weil es unterschiedliche Elemente unabhängig vom Stoff der Dinge nicht gab; waren doch die Elemente überhaupt noch nicht geschaffen. Wo befand sich also diese Hyle, von der Fittiche Schwungkraft getragen? In der Luft war sie nicht, weil die Luft etwas Körperliches innerhalb der Welt ist. Daß aber die Luft etwas Körperliches ist, lehrt die Schriftlesung: denn sobald der Pfeil nach dem Punkte, nach welchem der Schütze zielt, abgeschnellt ist, schließt sich sofort auch die Luft, die er durchschnitten108. Wo also befand sich die Hyle? Es müßte denn etwa die fast verrückte Antwort lauten: In Gott war sie. Also Gott mit seiner unsichtbaren und unverweslichen Natur, der „in unnahbarem Lichte wohnt“109, der unfaßbare und reinste Geist, war der Raum für die Weltmaterie? Und in Gott ruhte ein Teil der Welt?110 Ist doch nicht einmal der Geist seiner Diener von dieser Welt, wie wir es geschrieben finden: „Sie sind nicht von dieser Welt, wie auch ich nicht von dieser Welt bin“111.

      26.

      Welche Verquickung also des Unsichtbaren mit dem Sichtbaren, des Ungestalteten mit dem, der allem Ordnung und Schönheit gab! Es müßte denn sein, daß man deshalb, weil es heißt: „die Erde aber war unsichtbar“, diese ihrer Substanz nach für unsichtbar hielte112, und nicht deshalb, weil sie von den Wassern bedeckt, dem leiblichen Auge nicht sichtbar sein konnte, wie ja gar manche Dinge in der Tiefe der Wasser dem scharfen Blick des Auges sich entziehen. Für Gott gibt es nichts Unsichtbares; vielmehr wird die Weltschöpfung (an der obigen Stelle) lediglich vom geschöpflichen Standpunkt aus beurteilt. Unsichtbar war die Erde auch insofern, als noch kein Licht da war, das die Welt erhellte, noch keine Sonne; denn erst nachher wurden die Leuchten am Himmel erschaffen113. Wenn nun schon der Sonne Strahl vielfach auch die vom Wasser bedeckten Gegenstände aufhellt und durch seinen Lichtglanz die Dinge in der Tiefe aufdeckt, wer dürfte zweifeln, daß es für Gott keine unsichtbaren Dinge geben kann? Wir müßten denn die „unsichtbare Erde“ so verstehen, daß sie doch noch nicht der Heimsuchung des Wortes Gottes und seines Schutzes erfreute, indem sie noch keinen Menschen trug, um dessentwillen Gott zur Erde herabgeblickt hätte; denn so steht geschrieben: „Der Herr schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, zu sehen, ob ein Weiser sei oder ein Gottsuchender“114. Und an einer anderen Stelle: „Vom Himmel schleudertest Du Dein Gericht, die Erde erzitterte und ward still“115. Sodann mit Recht auch „unsichtbar“, weil noch ungestaltet; noch hatte ja (die Erde) von ihrem Schöpfer nicht die ihr gebührende Gestalt und Schönheit empfangen.

      27.

      Vielleicht möchte man einwenden: Warum hat denn Gott ― entsprechend dem: „Er sprach und es ward“116 ― den Dingen bei ihrem Entstehen nicht zugleich die gebührende Ausstattung verliehen?117 Konnte etwa der Himmel nicht im Augenblick seiner Erschaffung im Glanze der Sterne erstrahlen, die Erde nicht in den Schmuck der Blumen und Früchte sich kleiden? Gewiß, sie konnten es. Doch die Feststellung, sie seien zuvor geschaffen, dann erst ausgestattet worden, dient dazu, daß man sie nicht im Ernst für unerschaffen und anfangslos hielte, wenn die Arten der Dinge, als wären sie von Anfang an ursprungslos, nicht augenscheinlich später hinzugekommen wären. „Ungestaltet war die Erde“, steht zu lesen, und doch wird sie von den Philosophen mit denselben Ewigkeitsprivilegien ausgezeichnet wie Gott: was würden sie erst sagen, wenn ihre Schönheit gleich anfänglich in voller Pracht erblüht wäre? Im Wasser versunken, wird sie beschrieben, als wäre sie bestimmt gewesen, gleichsam in ihren Anfängen Schiffbruch zu leiden, und immer noch wird sie von einigen nicht für geschaffen gehalten: was erst, wenn ihr (die Schrift) ursprüngliche Wohlgestalt zuschriebe? Dazu kommt, daß uns Gott zu seinen Nachahmern haben wollte: wir sollten zuerst etwas fertigen, dann erst ausschmücken, damit wir nicht, wenn wir beides zugleich in Angriff nähmen, keines vollenden könnten. Unser Glaube erfährt so ein stufenweises Wachstum. Gott ließ darum die Erschaffung vorausgehen, die Ausstattung folgen, damit wir glauben, daß der nämliche, der die Schöpfung, auch die Ausschmückung, und der die Ausschmückung, auch die Schöpfung vollführte, und nicht meinen, einer habe die Ausschmückung, ein zweiter die Schöpfung vollzogen, sondern ein und derselbe habe beides vollbracht, erst die Schöpfung, dann die Ausschmückung, so daß eines durch das andere beglaubigt wird. Im Evangelium hast du ein klares Zeugnis hierfür. Da nämlich der Herr daran ging, den Lazarus aufzuerwecken, hieß er die Juden den Stein vom Grabe wegnehmen, damit sie sich erst mit eigenen Augen von dessen Tod überzeugten, hernach an dessen Auferweckung glaubten118. Darauf rief er den Lazarus mit Namen; er stand auf und kam mit den Binden an Händen und Füßen heraus119. Hätte der, welcher einen Toten zu erwecken vermochte, nicht auch einen Stein zu beseitigen vermocht? Und hätte der, welcher einem Verstorben das Leben zurückzugeben vermochte, nicht auch der Bande Knoten zu lösen vermocht? Hätte er dem, welchen er trotz den Fesseln an den Füßen gehen machte, nicht durch Zerreißen der Binden das Schreiten ermöglichen können? Doch wir sehen eben, wie es ihm darum zu tun war, zuerst den Toten (als solchen) zu zeigen, damit die Juden ihren Augen trauten, sodann ihn aufzuerwecken, endlich sie selbst die Leichenbinden lösen zu heißen, damit sich ihrem Unglauben während dieser Vorgänge der Glaube mitteilte und ihre Glaubenswilligkeit gleichsam stufenweise entwickelte.

      VIII. Kapitel.

       Die “ungestaltete” Erde (Gen 1,2). Was heißt “ungestaltet”? Der Geist Gottes über den Wassern der Heilige Geist: die Schöpfung das Werk der Trinität. Die “Finsternis über dem Abgrunde” nicht die bösen Geister das Böse überhaupt nichts Erschaffenes, nichts Substanzielles, sondern ein sittlicher Defekt, das einzige wahre Übel sondern der Schattenwurf des Himmels auf die Erde.

      28.

      So schuf also Gott zuerst den Himmel und die Erde ― doch nicht für ewig; er wollte vielmehr, daß sie, eine vergängliche Schöpfung, ein Ende hätten. Darum spricht er im Buche des Isaias [Jesaja]: „Erhebet

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