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suchte die Einsamkeit Äthiopiens auf und versenkte dort seinen Geist, fern allen sonstigen Beschäftigungen, ganz in die Erkenntnis des Göttlichen, so daß er die Herrlichkeit Gottes von Angesicht zu Angesicht schaute. Ihm gibt die Schrift das Zeugnis, daß „kein Prophet fürder aufstand in Israel gleich Moses, welcher den Herrn kannte von Angesicht zu Angesicht“11. Nicht im Gesicht und nicht im Traum, sondern von Mund zu Mund durfte er mit Gott dem Allerhöchsten sprechen und ward der Gnade gewürdigt, Gottes Gegenwart nicht nur im Bilde oder im Rätsel, sondern in Klarheit und Wahrheit zu schauen12.

      7.

      Er (Moses) nun öffnete seinen Mund und goß aus die Worte, welche der Herr zu ihm redete gemäß der Verheißung, die er ihm gegeben hatte, da er ihn zu König Pharao sendete: „Zieh hin! Und ich werde deinen Mund öffnen und dich lehren, was du sprechen sollst“13. In der Tat, wenn er schon die Worte, die er zur Entlassung seines Volkes vorbringen sollte, von Gott empfangen hatte, wieviel mehr jene, die er über den Himmel aussprechen sollte! „Nicht in Überredung menschlicher Weisheit“14, nicht in philosophischen Trugschlüssen, „sondern in Erweisung von Geist und Kraft“15, gleichsam als Zeuge der göttlichen Schöpfung, wagte er denn zu sprechen: „Im Anfange hat Gott den Himmel und die Erde geschaffen“. Er wartete nicht erst den langwierigen und vergeblichen Prozeß ab, wonach die Welt aus Atomverbindungen sich zusammenfügte, und (wartete) nicht sozusagen auf einen Schüler der Materie, der letztere erst studieren mußte, um die Welt formen zu können, sondern glaubte gleich Gott als ihren Urheber aussprechen zu sollen. Ein Mann voll Weisheit, merkte er wohl, daß allein in Gottes Geist Wesen und Grund der sichtbaren und unsichtbaren Dinge beruhten, und nicht, wie die Philosophen lehren, eine nachhaltige Verbindung der Atome ihre stetige Fortdauer bedinge. Ihm dünkte es, als spännen sie nur ein Spinngewebe16, sie, die so kleinliche und wesenlose Prinzipien für Himmel und Erde ansetzten. Müßten doch diese, wie zufällig verbunden, so auch zufällig und aufs Geratewohl sich auflösen, hätten sie nicht in der göttlichen Macht ihres Lenkers den festen Bestand. Kein Wunder übrigens, wenn die, welche Gott nicht kennen, auch vom Lenker (der Welt), der alles leitet und regiert, nichts wissen. So folgen wir also dem, der sowohl den Schöpfer als auch den Lenker kannte, und lassen wir uns nicht von eitlen Meinungen irreführen!

      III. Kapitel.

       Die zeitlose Schöpfung und der zeitlose Schöpfungsakt. Gott der Schöpfer der Welt. Der zeitliche Anfang der Welt. Dem Anfang entspricht notwendig das Ende der Welt.

      8.

      „Im Anfang“ so beginnt (Moses). Eine treffliche Anordnung!17 Erst betont er, was man zu leugnen pflegt18; (erst) sollte der Mensch erkennen, daß die Welt einen Anfang hatte, damit er die Welt nicht für anfangslos halte. Darum hebt auch David, da er vom Himmel und der Erde und dem Meere redete, hervor: „Alles hast du mit Weisheit gemacht“19. Er (Moses) sprach sonach der Welt einen Anfang, sprach desgleichen der Schöpfung Unzulänglichkeit zu, daß wir sie nicht für ναρχος [anarchos] (anfangslos), nicht für ungeschaffen und göttlicher Wesenheit teilhaftig hielten. Und dazu das treffliche „hat geschaffen“, womit der Annahme eines zeitlichen Verlaufes des Schöpfungsaktes vorgebeugt werden sollte. So doch wenigstens sollten die Menschen einsehen, wie unvergleichlich der Schöpfer ist, der ein so gewaltiges Werk in einem so winzig kurzen Augenblick seines Wirkens vollführte, daß die Ausführung seiner Willenstat jedem merklichen Zeitverlauf vorausging. Niemand sah ihn schaffen, er sah vielmehr nur das geschaffene Werk vor sich. Wo könnte auch von einer Zeitfrist die Rede sein, wenn man liest: „Er sprach und es ward, er befahl und es war erschaffen“?20 Nicht also eines Kunst-, nicht eines Kraftaufwandes bedurfte es für den, der im Nu mit seinem Willensakte die majestätische Pracht eines so gewaltigen Werkes vollendete, so daß er das Nichtseiende plötzlich so ins Dasein setzte, daß weder die Schöpfung dem Willensakte noch der Willensakt der Schöpfung vorausging.

      9.

      Du staunst über das Werk, fragst nach dem Meister: wer dem so gewaltigen Werke den Anfang gegeben, wer es so plötzlich ins Dasein gerufen? Da fügte er (Moses) auch schon die Antwort bei: „Gott hat den Himmel und die Erde geschaffen“. Du hast den Schöpfer vernommen, darfst nicht zweifeln. Dieser ist’s, in welchem Melchisedech den Abraham, den Stammvater der vielen Völker, gesegnet hat mit den Worten: „Gesegnet sei Abraham von Gott dem Höchsten, der geschaffen hat den Himmel und die Erde!“21 Und es glaubte Abraham und sprach: „Ich hebe meine Hand auf zu Gott dem Höchsten, der geschaffen hat den Himmel und die Erde“22. Du siehst, das ist nicht eines Menschen Einfall, sondern Gottes Botschaft. Gott nämlich ist der Melchisedech; denn er ist „der König des Friedens und der Gerechtigkeit“23, „ohne Anfang und Ende seiner Tage“24. Kein Wunder also, wenn Gott, der Anfangslose, allen Dingen den Anfang gegeben hat, so daß sie, die Nichtseienden zu sein anfingen. Kein Wunder, wenn Gott, der alles mit seiner Macht umfängt und alles mit unbegreiflicher Hoheit in sich begreift, die sichtbare Welt geschaffen hat, nachdem er auch die unsichtbare Welt geschaffen hat. Wer möchte aber leugnen, daß dem Unsichtbaren der Vorzug vor dem Sichtbaren gebührt? Ist doch „das Sichtbare zeitlich, ewig hingegen das Unsichtbare“25. Wer möchte zweifeln, daß Gott dies geschaffen hat, der durch den Mund des Propheten gesprochen: „Wer maß mit der Hand das Wasser und mit der Spanne den Himmel und mit der geschlossenen Hand die ganze Erde? Wer wog die Berge nach dem Gewicht und die Felsmassen nach der Wage und das Gelände nach dem Joch? Wer nahm Einsicht in den Geist des Herrn, oder wer war ihm Berater, oder wer unterwies ihn?“26 Auch an einer anderen Stelle lesen wir von ihm: „Er hält den Umkreis der Erde und hat die Erde wie ein Nichts geschaffen“27. Und Jeremias ruft aus: „Die Götter, welche den Himmel und die Erde nicht geschaffen haben, sollen verschwinden von der Erde und unter dem Himmel dort! Der Herr ist’s, der geschaffen die Erde in seiner Macht und geordnet den Erdkreis in seiner Weisheit und in eigener Einsicht ausgespannt den Himmel und die Menge des Wassers am Himmel“28. Und er fügte bei: „Betört ward der Mensch von seinem Wissen“29. Wie sollte denn einer, der den vergänglichen Dingen der Welt folgt und aus diesen die Wahrheit über Gottes Natur erfahren zu können glaubt, nicht durch die Kniffigkeit der gewandten Sophistik betört werden?

      10.

      So viele Aussprüche also vernimmst du, worin Gott bezeugt, daß er die Welt geschaffen hat: halte sie nicht für anfangslos, weil sie kugelförmig sein soll30, so daß anscheinend jeder Anfang an ihr fehlt; und weil alles, wenn sie erdröhnt, rings im Unkreis erbebt, so daß sich Anfang und Ende an ihr unmöglich wahrnehmen läßt; den Anfang eines Kreises sinnenfällig zu bestimmen, gilt ja als ein Ding der Unmöglichkeit. Auch an einer Kugel läßt sich der Anfangspunkt nicht ausfindig machen: wo etwa die Mondscheibe anfängt, wo sie nach der monatlichen Abnahme des Mondes aufhört. Doch wenn du’s auch selbst nicht merkst, folgt daraus nicht, daß sie überhaupt keinen Anfang und keinerlei Ende hat. Wenn du eigenhändig einen Kreis mit Tinte oder Stift ziehst oder mit dem Zirkel beschreibst, wirst du’s nach einiger Zeit unmöglich mehr mit den Augen merken oder dich geistig erinnern, wo du angefangen und wo du aufgehört hast. Und trotzdem bist du dein eigener Zeuge, daß du angefangen und aufgehört hast. Denn wenn es auch dem Auge entgeht, die Wahrheit stößt’s nicht um. Was aber einen Anfang hat, hat auch ein Ende, und was ein Ende nimmt, hat auch, das steht fest, einen Anfang genommen. Daß aber die Welt ein Ende nehmen wird, lehrt der Heiland selbst in seinem Evangelium mit den Worten: „Denn die Gestalt dieser Welt vergeht“31; ferner: „Himmel und Erde werden vergehen“32; und im folgenden: „Siehe, ich bin bei euch bis an das Ende der Welt“33.

      11.

      [Forts. ] Wie können sie also die Welt für gleichewig mit Gott erklären, die Schöpfung mit dem Schöpfer des Alls auf dieselbe Stufe stellen und für gleichartig mit ihm ausgeben sowie die materielle Körperwelt mit der unsichtbaren und unnahbaren göttlichen Natur34 vermengen zu dürfen glauben, nachdem sie doch ihrer

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