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Der du von dem Himmel bist. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Der du von dem Himmel bist
Год выпуска 0
isbn 9788711507100
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Ach — ist dieses Jahr einer?“ Frau von Helmstorff frug das so erstaunt — und dabei so zerstreut — aus anderen schweren Gedanken heraus: das war keine Verstellung. Da hatte doch ein tieferer Anlass sie hergeführt. Aber sie wiederholte noch einmal, gleich als ob sie von nichts anderem zu reden wüsste oder sich getraute: „Also nochmals meinen besten Glückwunsch. Sie müssen ja ein so schönes Examen gemacht haben. ...“
„Es geht, gnädige Frau: ‚cum laude‘!“ ...
„Aber alle Herren waren so ausnehmend befriedigt. Mein Mann sagte es mir ausdrücklich ...“
Hedwig lächelte wieder. „Wenn ich ein bisschen was geleistet hab’, dann verdanke ich es vor allem Ihrem Herrn Vater, der mich promoviert hat. Es war rührend, wie er um mich und meine Studien besorgt war, all die Jahre. Meine Dissertation ist ja Kapitel um Kapitel unter seinen Augen entstanden. Jetzt hat er auch noch die Güte gehabt, mich für morgen Abend zu sich zu einem kleinen Doktorschmaus, wie er es nennt, einzuladen. Sie kommen doch wohl auch, gnädige Frau?“
Wieder stockte Frau von Helmstorff und erwiderte dann zögernd. „Nein — leider nicht ...“ Das wunderte Hedwig. Denn sonst waren Helmstorffs bei solchen Gelegenheiten immer bei dem verwitweten Geheimrat Trenkle zu Gaste, der nur die eine Tochter hatte und bei seinen berühmten Feinschmeckerdiners, die er den Kollegen gab, mit seinem kaustischen und für Damenohren oft bedenklichen Witz auf seine greisen Tage immer mehr den Eindruck eines gottlosen alten Junggesellen machte. Frau von Helmstorff war eigentlich dort unbedingt nötig, um ihn nach Tisch ein wenig im Zaum zu halten, und vertrat überhaupt für gewöhnlich bei ihm die Hausfrau. Und ihr diesmaliges Ausbleiben erklärend setzte sie hinzu: „Meine Tochter, die Gymnasiastin in Karlsruhe, hat doch so arg Influenza gehabt und ist heute auf ein paar Tage hergekommen, um sich zu erholen. Da wollen wir nicht gerade ausgehen. Es tut uns recht leid. Wir hätten so gerne Ihren Erfolg mit Ihnen gefeiert ...“
... Ach, schwindle du nur! dachte sich Hedwig. Was liegt denn dir an meinem Doktor? Den hast du bis morgen schon total vergessen! — Aber die Höflichkeit gebot ihr zu sagen: „Sehr gütig, gnädige Frau! Hoffentlich ist es doch nichts Ernstes mit Gretchen?“
„Ach nein — gottlob! Das Mädel ist ja sonst auch kerngesund. Und so merkwürdig kindlich, das fällt mir immer auf, wenn ich sie wiedersehe. Körperlich ja sehr entwickelt — aber geistig hat sie förmlich was von ’nem Jungen ... so harmlos ... das macht der frühe Ernst des Lebens ... die Studien ... wenn ich da an unsere Tanzstundenbackfische denke ...“
Hedwig nickte. Das war ganz richtig. Das hatte sie an sich selber empfunden. Frau von Helmstorff sagte überhaupt, trotz all ihrer Weltläufigkeit, selten etwas allzu Flaches. Dazu war sie von ihrem Mann zu gut erzogen und von Haus aus in ihrer Art eine recht kluge Frau. Aber wie kam sie jetzt gerade auf diese Betrachtung? Warum nicht zum Zweck ihres Besuchs? Hedwig wusste es nicht und setzte das Gespräch fort: „Und mit Ihrem Sohn sind Sie auch zufrieden! ... Ich begegne ihm manchmal auf der Strasse ...“
Über Frau von Helmstorffs unruhige Züge glitt ein freundlicher Schein bei der Erwähnung ihrer Kinder. „Ja, er macht sich ganz ordentlich, der Hans! In ein paar Jahren wächst er mir über den Kopf ... da merkt man erst, wie die Zeit vergeht ...“
Eine neue Pause entstand und aus diesem Schweigen zwischen ihnen heraus fühlten beide: so ging das nicht weiter mit diesem leeren Lippenwerk ...
Seltsam: Frau von Helmstorff hatte die ganze Zeit Hedwig nicht recht ansehen können. Immer irrte ihr Auge unstät im Zimmer herum, über all den Grossväterkram und die Reliquien Alt-Heidelbergs, die die Wände bedeckten. Jetzt zum ersten Male schaute sie der anderen voll ins Gesicht und dabei überzog eine feine Röte ihr eigenes Antlitz, um gleich darauf einer noch fahleren Blässe zu weichen. „Also ... wir wollen uns lieber nicht weiter quälen und uns gleichgültiges Zeug vorreden — Fräulein Solitander — nicht wahr?“ sagte sie halblaut, „sondern lieber, so schrecklich es ist, auf die Sache eingehen. Worum es sich handelt — wissen wir beide. Das erst noch zu nennen, wollen wir uns wenigstens sparen. Ich wäre ohnedies schon bald lieber zu meiner eigenen Hinrichtung gegangen als den Weg hierher ...“
„Gnädige Frau — ich verstehe Sie nicht!“ Hedwig sah sie ruhig an. Und sie war es auch. „Ich muss Sie bitten, deutlicher zu reden!“
Frau von Helmstorff warf ihr einen Blick zu — es war etwas wie Verachtung darin — eine Frage: Verstellen willst du dich auch noch? Aber ihr Gesicht hatte eher etwas Hilfeflehendes, während sie leise fortfuhr: „Es ist ja nur das eine ... die Bitte ... die Sie ja schon erraten haben werden ...“
„Noch nicht, gnädige Frau! Es tut mir leid ... es scheint Ihnen so peinlich, davon zu sprechen ... aber ich bin noch ganz im Dunkeln. ... Wenn ich eine Bitte von Ihnen erfüllen kann — selbstverständlich werde ich es tun! ... Mit grösster Freude ...“
Während ihrer Worte hatte Frau von Helmstorff sich erhoben. Und nun sagte sie, die Hand auf die Stuhllehne gestützt, den Kopf leicht vorgeneigt, eindringlich und leise: „Also ... dann bitte, Fräulein Solitander ... bitte ... geben Sie meinem Hause den Frieden wieder....“
Es war ein Schweigen. Hedwig stand langsam auf. Sie begriff anfangs gar nicht, was die andere wollte. Erst allmählich wurde ihr durch die Kette eines Gedankengangs klar, was damit gemeint sein musste ... und sie erschrak vor Empörung ... vor Scham. Und jene fuhr inzwischen fort: „Ich hab’ nichts sagen wollen, solange Sie bei ihm ins Kolleg gegangen und ihm gegenüber gesessen sind. Das war Ihr Recht als Studentin — vielleicht sogar Ihre Pflicht. Und auch dass Sie in dem letzten Semester zu uns ins Haus kamen, war ja wohl begreiflich. Sie erwähnten ja selbst vorhin das Verhältnis, in dem Sie zu meinem Vater stehen. Da konnten Sie seine Aufforderung, Sie bei uns einzuführen, kaum ablehnen. Sie kamen ja auch nur ein paarmal — nur der Form halber — das weiss ich alles wohl. Ich will auch gar keine Vorwürfe machen oder mich beklagen ... das hätte ja auch weiter keinen Zweck. Ich möchte nur sagen ... jetzt — wo das alles abgeschlossen ist und hinter Ihnen liegt, machen Sie es ihm leichter, sich zu uns zurückzufinden — auch in Ihrem Interesse — gerade in Ihrem Interesse, Fräulein Solitander! ... Erlauben Sie, dass ich Ihnen das sage ... wir sind ja ungefähr gleichalterig und Sie sind gelehrter als ich — aber dafür bin ich Frau und Mutter — und weiss mehr vom Leben und von solchen Dingen — erwägen Sie nur: wo soll das hinaus? Wo soll es denn schliesslich enden? Es ist ja doch so gar keine Aussicht auf ... es ist doch nur ein fortwährendes Spiel mit dem Feuer — ich weiss: es ist nicht mehr — aber gefährlich — furchtbar gefährlich bleibt es doch für uns alle drei!“
Hedwig hatte sie ausreden lassen. Sie hatte sich inzwischen ganz gefasst und sagte kalt: „Sprechen Sie von Ihrem Herrn Gemahl, gnädige Frau?“
„Muss ich Ihnen auch diese Frage erst noch bejahen? Sie sind wirklich gründlich, Fräulein Solitander!“
„Ich bin gründlich, gnädige Frau, weil es sich um meine Ehre und meinen guten Ruf handelt! Und da erwidere ich Ihnen: Ich bin allerdings in das Privatissimum Ihres Herrn Gemahls gegangen wie viele andere Studenten! Und ich war auch im ganzen dreimal bei Ihnen im Hause und habe mir dabei noch weniger gedacht, sondern wollte nur höflich sein — und ich bin ihm gestern im Examen gegenüber gesessen — und das ist alles. Nie war ich mit ihm unter vier Augen zusammen, nie habe ich einen Brief von ihm bekommen oder gar an ihn geschrieben — nie habe ich mit ihm irgendwie durch Dritte verkehrt — kurz — es ist nichts zwischen uns und war nichts zwischen uns — nicht das geringste ...“
Und in einer Aufwallung ehrlichen, nachträglichen Zornes konnte sie sich nicht enthalten, hinzuzufügen: „Eigentlich hätten Sie das wohl auch erst des näheren prüfen sollen, gnädige Frau — ehe Sie solche ... Anfragen oder Bitten oder wie Sie’s nun nennen wollen, an mich richten!“
Die zwei jungen Frauen sahen sich eine Sekunde in die Augen — ernst, eigentlich ohne Feindseligkeit — eher mit banger Spannung. Sie waren beide betroffen — ganz betäubt. Jetzt auch Alwine von Helmstorff. Sie verhehlte