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mit einem seiner Riesenbleistifte als Randbemerkungen über die gefälschten, sein verschnörkelten Tintenbuchstaben des Entwurfs der Geheiminstruktion des Auswärtigen Amts an die deutschen Missionen gezogen. Aber eben der verkehrte Abklatsch dieser Handschrift des Geheimrats von Möllinghoff leuchtete verräterisch von dem roten Fliessblatt.

      „Das hatt’ ich doch wirklich verschwitzt . . .“ Es würgte nachträglich den Dr. Cassube. „Wenn sie das bei ’ner Haussuchung fänden . . . Na danke! Bitte zu grüssen!“ Er kauerte zitternd vor dem Kanonenöfchen nieder. Ein Geflacker. Asche. Uff! Adieu, Plötzensee!

      Er durchsuchte noch einmal ängstlich alle Fugen der Schreibtischschublade. Nirgends mehr ein Fetzen Papier — nirgends ein Schulheftschnitzel mit den ersten monatelangen, geduldigen Fälschungsversuchen. Cassube atmete auf. Er sah auf seine Tombakuhr. Er lief im Geschäftstrab davon.

      An der Ecke der Linden und der Schadowstrasse löste er sich eine Karte für das Aquarium. Er durchschritt den lichten oberen Raum, in dem die weissen Webervögel lärmend ihre Nester bauten und der kleine schwarze Gorilla humoristisch Hof hielt, und stieg in die Unterwelt des Meeres hinab. Die Glaskästen voll perlenden Seewassers leuchteten farbig in die tiefe Dämmerung des Gewölbes. Vor der dritten Scheibe stand, in die Betrachtung der bunten Anemonen versunken, ein hochgewachsener Herr. Seine elegante Gestalt schattete nur undeutlich im Zwielicht, vom Zylinderhut ab bis zu dem vornehmen Fall der Beinkleider über das modische Wildledergrau der Gamaschen. Günther Cassube stellte sich ohne Gruss neben ihn und musterte tiefsinnig das Geruder der Seepferdchen. Von drüben eine halblaute, verwöhnte Stimme.

      „Sie kommen spät, mein lieber Wurmhuber!“

      „Dafür ist alles in Ordnung, Herr Graf!“ Noch leiser der Klang aus Cassubes Kehle. „Morgen früh steht die Bismarcksche Geheiminstruktion also schwarz auf weiss in der ,Grossen Trommel‘!“

      Eine Pause. Dann kaum hörbar von drüben:

      „Herr Doktor Wurmhuber: In letzter Stunde ein ernstes Wort zwischen uns! Die Sache ist furchtbar ernst. Es ist ein Spiel um die Ruhe Europas! Noch einmal: Wir haben Ihnen das Dokument für schweres Geld abgekauft . . .“

      „Noch viel zu billig, Herr Graf von Lassbach! Was habe ich an Bestechungsgeldern zahlen müssen . . .

      „. . . abgekauft in der vollen Überzeugung, dass es absolut echt ist . . .“

      „Echt wie Gold!“

      „Der Entwurf stammt wirklich und wahrhaftig, so wahr ein Gott im Himmel lebt, aus der Reichskanzlei?“ Plötzlich drehte sich der lange, elegante, schnurrbärtige Schatten drüben dem kleinen Doktor zu.

      „Mein Ehrenwort!“

      „Beruhigen Sie mich! Beschwören Sie es mir noch einmal — bei Ihrer Seligkeit!“

      „Ich schwöre!“ Eine Hand hob sich feierlich vor dem Lichtgeflimmer der Wasserbeckenscheibe.

      „Gut! Dann ist kein Zweifel! Danke!“ murmelte der Graf Lassbach und schaute tiefsinnig vor sich hin. „Sehen Sie mal, wie das Biest da hinter der Scheibe — nee — da links die Flunder — sich in den Sand einkuschelt! Nichts mehr von ihr zu sehen!“

      „Was heisst das, Herr Graf?“

      „So wie diese Flunder muss das Original des Schriftstücks, das noch in meiner Wohnung in der Vossstrasse liegt, spurlos bei irgend jemandem in Berlin verschwinden! Ich bin von morgen ab vor einer Haussuchung nicht sicher. Sie nicht. Niemand, den man in der Wilhelmstrasse kennt!“

      „Muss es eben ein grosser Unbekannter sein!“

      „Aber wer?“

      „Ja — wenn Wurmhuber nicht wäre . . .“, sagte der kleine Mann leise und stolz.

      „Wissen Sie jemanden?“

      „In einer Stunde wird ein junger Mann bei Ihnen erscheinen, Herr Graf, und Ihnen mitteilen, dass das Wetter sehr schön ist.“ Günther Cassube verfolgte mit scheinbarem Interesse das Liebesspiel zweier Seeteufel im Wasserbecken. „Dieser junge Mann ist heute früh in Berlin eingetroffen. Kein Mensch hier kennt ihn. In der Wilhelmstrasse hat man keine Ahnung von seiner Existenz. Bei ihm ruht der Entwurf wie in Abrahams Schoss!“

      „Und wer ist das?“

      „Sie werden lachen, Herr Graf! Nie werden Sie seinen Namen erfahren: Aber er heisst mit dem Anfangsbuchstaben ,Oberkamp‘!“

      „. . . doch nicht der Sohn des Buggenhageners?“

      „. . . des Bismärckers — und mit dem Alten überworfen . . .“

      „Ahnt er denn, was in der Mappe ist?“

      „Nee! Warum auch? Neugier ist ’n Laster!“

      „Aber wie weit kann man ihm trauen?“

      „Ach — das ist ein ganz dummer, anständiger Kerl . . . Kenn’ ich von Kindesbeinen an!“

      „Trotzdem . . .“

      Ein nachdenkliches Schweigen des Grafen Lassbach. Dann ein erleichtertes Aufatmen.

      „Ich weiss einen Weg, der uns sichert! Also ich erwarte den jungen Herrn! . . . Herr Wurmhuber — ich kenne Ihre Bewegung mit der gekrümmten Hohlhand . . .“

      „Herr Graf . . . . . der treue kleine Wurmhuber macht doch alles! Aber man muss dem Tierchen auch ein Pläsierchen machen! Unter einem braunen Lappen, dafür, dass ich den Lutz Oberkamp als Helfer in der Not stelle, kann ich es nicht machen! Sonst pfeif’ ich den jungen Mann wieder zurück!“

      Die lange, elegante Gestalt im Zylinderhut drüben liess unauffällig einen ihrer Brieftasche entnommenen Tausendmarkschein in die Finger des anderen gleiten. Dann schlenderte der Graf von Lassbach, ohne sich um seinen Nachbarn zu kümmern, in der Grottendämmerung längs der farbigen Glasscheiben weiter. Er beobachtete noch die Verdauungskünste der grossen Boa constrictor und war plötzlich nicht mehr da.

      7

      Gleich nach ihm trottete auch Günther Cassube, vornübergebeugt im Eifer der Geschäfte, quer über die Linden die Wilhelmstrasse entlang. Da, wo in ihr jenseits der Leipziger Strasse die grauen Paläste der Zopfzeit in die Fensterfronten des Berliner Alltags nahe dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts übergingen, zog er im ersten Stock eines gutbürgerlichen Hauses neben einer Messingtafel „Casimir Stieber“ die Klingel.

      „Herr Kommissionsrat ist verreist!“ sagte das öffnende Mädchen. „Ach so — Sie! . . . Herr Kommissionsrat“, sie rief es schrill rückwärts durch einen Türspalt, „darf der Doktor Nordmann-Humann ’rin? Ja? Bitte!“

      Ein bleicher Herr unbestimmten Alters mit gefärbtem Schnurrbart unter den Augensäden und einem künstlich nachgedunkelten Haarfranz um die Glatze erhob sich nicht beim Eintritt des kleinen Gewaltmenschen. Er schob ihm nur die Zigarrenkiste über den papierbesäten Schreibtisch zur Hand und musterte ihn mit einem forschenden, feuchten Blick zwischen tränenden Lidern. Er hatte unheimliche Augen. Er fragte:

      „Na — Herr Nordmann-Humann? Was bringen Sie Schönes und Gutes?“

      „Ich bin jetzt so weit, dass ich Ihnen alles verraten kann!“ Der kleine Mann nahm strahlend Platz. „Auch das, was ich noch nicht wusste, als ich Ihnen heute morgen Bericht erstattete! Graf Lassbach steht im Begriff, die schamlose Fälschung, die er von einem unbekannten Betrüger erworben hat, so geschickt verschwinden zu lassen, dass ihr sie ohne mich niemals in Berlin findet!“

      „So . . . so . . .“

      „Ein junger Mann, den ich gut kenne — wen kenn’ ich nicht? — holt das Falsifikat jetzt gleich bei dem Grafen Lassbach ab und bringt es — wohin? Seine hiesige Wohnung verrät mir der Jüngling in spätestens einer Stunde. Ich schicke Ihnen dann sofort durch den flinksten Dienstmann, den ich an der Ecke finde, in einem Brief Strasse und Hausnummer!“

      „Hm . . . hm!“

      „Ihr braucht dann nur dem jungen Mann auf die Bude zu rücken

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