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Salz und Kleie zum Trank für die Ziege; auch die „Hasen“ mussten Körner und Rüben bekommen; vom Heu allein würden sie nicht fett. Und Vater Lorent bekam das alles auf Borg; er war ja ein fix Angestellter. Was dann am nächsten Ersten von seinem Lohne blieb, war wenig, aber Mutter und Agi verdienten ja dazu. Sie waren doch schon gesuchte Weissnäherinnen. Koja, dem das Lernen wenig Zeit nahm, war ein leidenschaftlicher Holzarbeiter geworden. Kaum zehn Jahre alt, bewältigte er das Zerkleinern der eichenen Schwellen.

      Einen Keil trieb er neben dem andern ins teergetränkte Holz, schlug mit dem Helm der umgekehrten Hacke darauf, bis die langen Fasern knisternd nachgaben, versetzte dann die Keile und jubelte, wenn sich krachend ein Stück vom Ganzen löste. Wenn die Mutter ihn bei der Arbeit sah, gab sie Baumeister Prokop recht; es war für den Jungen gut, das Herausarbeiten aus drückenden Verhältnissen als ein Tätiger mitzuerleben. Und studieren sollte er. Im nächsten Herbst stand ja alles anders. Da gab’s Milch und Eier, Kaninchen und Zicklein, Feld- und Gartenernte und alles war besser: Der Vater war kein Trinker mehr.

      Kater Dummerl

      Der neue Oberlehrer hielt an dem Gedanken fest, dass Koja studieren sollte. Er gab ihm Nachunterricht in der Analyse und wollte von einer Bezahlung nichts wissen; auch für den Geigenunterricht verlangte er nichts. Frau Maria bestand aber auf einer Gegenleistung. So lieb ihr Kojas Hilfe bei den Hausarbeiten war, sie eiferte den Knaben an, im Schulhause sich nützlich zu machen, wo es keine Magd und keinen Diener gab. Mit dem wöchentlichen Reinigen der Klassen waren die Töchter des Oberlehrers betraut. — Da stellte sich Koja als Helfer ein. O, wie gern! Er fegte und scheuerte mit der zwölfjährigen Marie und der fünfzehnjährigen Pepi um die Mette. Auch bei der magdlichen Arbeit, die den Mädchen das Aussehen von Aschenbrödeln gab, erschienen ihm die Töchter seines Gönners wie verzauberte Prinzessinnen, verehrenswert. Sie hatten das ruhige Wesen ihrer Mutter und waren so gut zu dem armen Jungen, dass er am liebsten die ganze Arbeit für sie getan hätte! Nach und nach gewöhnte er sich daran, einen Grossteil seiner freien Zeit in der Schule zuzubringen. Er hackte Holz und er schleppte Wasser, wenn Waschtag war. Erst wurde es Brauch, dass eines der Mädchen dem armen Koja ein grosses Butterbrot oder gar ein Honigbrot zur Jause brachte, dann aber wurde er über Mittag dabehalten und ass mit der Oberlehrersfamilie beim grossen Küchentisch; Koja war glücklich. Mutter Maria, für die es eine Kunst war, die Familie satt zu machen, hatte bei vielen Mahlzeiten um einen Esser weniger. Aber mehr noch freute sie sich aus einem anderen Grunde: Die Anähnelung an die Denk- und Redeweise der gebildetsten Familie im Ort war für Koja gut gegen die Gefahr, dass der leicht beeinflussbare Knabe durch den Vater in die Gewohnheiten und Anschauungen der würdelosen Armut hineingezogen würde. Zu schnell hatte der Vater sich dareingefunden.

      Seit Lorent von der Bahn billige Brennkohle bezog, hatte Koja nur dafür zu sorgen, dass der Vorrat an Unterzündholz immer erneuert wurde; und das tat er um Agis und der Mutter willen gerne; dazu genügte ein halbes Stündlein täglich, und das Holzhacken war so lustig; sah man doch die Kleinerfolge der Arbeit sofort nach jedem Hieb. Und wöchentlich einmal, am schulfreien Donnerstag reinigte Koja den Ziegenstand und die Kaninchenställe; es war eine unangenehme Arbeit, die er weder der Mutter noch Agi lassen wollte. Dabei kam er sich als Wohltäter der Tiere vor, wenn er ihnen frische Streu gab und so wieder ein sauberes Lager bereitete. Aber sehr wider den Strich ging ihm das Schuhputzen. Jeden Abend nach dem Nachtmahl vier Paar Schuhe auf den Glanz herzurichten, wenn er schon darauf zitterte, sich mit einem Buch in den Lichtkreis der Lampe zu setzen, bei der Mutter und Agi nähten, das war ihm eine Qual, die er nur seufzend überwand. Und die Mutter pflegte zu sagen: „Lass gut sein, wenn du ein G’studierter sein wirst, ein Lehrer, ein Doktor oder Professor, wird dir ein anderer die Schuhe putzen.“ — Und wenn er dann ein Stündlein erübrigte, um sich zum — wer weiss, wievieltenmale — in die Robinsongeschichte zu vertiefen, die er nun als daumendickes Buch von der Schule entlehnt hatte, dann war er beinahe in seinem Behagen. Nur eins vermisste er dabei sehr: den schnurrenden Kater Matz, der hatte sich beim Übersiedeln vor der Unruh auf irgendeinen Dachbodenraum zurückgezogen und war in der verlassenen Mühle geblieben. Und unten im Heu bei den Ziegen gab es Mäuse.

      Beim Bäcker Übleis, dessen Hof nur durch ein schmales Gässchen vom Schulhof getrennt war, wusste Koja eine fünfköpfige Katzenfamilie, darunter ein schwarzweissgeflecktes — grossköpfiges Katerlein, das er an den Rufnamen „Matzi“ zu gewöhnen suchte, indem er ihm jede Maus zutrug, die er daheim tot oder lebend erlangte. — Wenn Koja auch nicht zu hoffen wagte, das ganz aussergewöhnliche Tier für sich zu erlangen, so tat es ihm selbst wohl, dem Katerlein eine Freude zu bereiten. Und Matzi war wirklich so gezeichnet, wie vielleicht kein zweiter Kater auf der Welt. Sein Kopf war fast ganz weiss, nur auf der rechten Wangenseite hatte er vom Nasenrücken weg ein schwarzes Dreieck, das bis zum Lippenrand reichte; das rechte Ohr war ebenfalls schwarz. Solche Unsymmetrie des Gesichtes reizte zum Lachen, und dies um so mehr, als die sehr grossen Augen ein immerwährendes Verblüfftsein, Staunen, Fragen und Erwarten auszudrücken schienen, wie die Augen eines Kindes. Matzi war gutmütig, zutraulich, vielleicht auch ein bisschen einfältig, er hatte das Bedürfnis, gestreichelt zu werden, und Koja streichelte gern. Einmal beobachtete die Übleisin den Knaben, als er dem Katerlein schön tat. Da fragte sie ihn: „Habt’s denn Ös (Ihr) z’haus ka Katz’?“ — „Nein,“ gab Koja kleinlaut zurück und streichelte den schnurrenden Matz weiter. — „Und du tät’s gern eine mögen, han?“ — „Bitt’, recht schön, die da.“ Und fest drückte er Matz an sich; der kletterte ihm auf die Schulter. Schnurrend rieb er seinen Kopf am Ohr des Knaben, so dass er ihm den Hut verrückte. — Erwartungsvoll hingen Kojas Augen an den schmalen Lippen der Übleisin. — Die alte Frau schmunzelte und liess ihn zappeln. — „Bist du nit der Bub von der Neudamüllerin? Ös wohnt’s im Prokop-Haus, gelt?“ — Koja nickte betroffen. Warum fragte die Übleisin? — „Was macht denn die Mutter?“ — „Näh’n tut’s für die Leut’.“ —„Möchtest ihr ein bissel verdienen helfen?“ — „Näh’n?“ fragte Koja zurück und schaute nicht gerade klug darein. Da lachte die Bäckerin, dass die Schürzenbänder hüpften. — „Hör’ lieber zu: zweimal im Tag muss ich den Lehrbuben auf die Bahn schicken, dass er’s „Bacht“a) in der Restauration abgibt Und jed’smal bleibt mir der Lalib) eine ganze Stund’ aus. — Wann du zweimal im Tag den Korb voll hintragest, einmal in der Früh und einmal mittags, gäb’ ich dir für je zehn Stück immer eins als Botenlohn drauf. Weniger als zweihundertvierzig Stück täglich sind’s nit. Und am Sonntag 600.“ — Koja rechnete: Täglich vierundzwanzig, am Sonntag 60 Semmeln oder Kipfel oder Wecken oder „Schusterlaibl“ — ihm gingen die Augen über. Schon malte er sich aus, was die Mutter alles daraus machen könnte: Semmelknödel, Kipfelkoch, Semmelschmarren; und altgebackenes übergebliebenes Gebäck konnte sie reiben auf Semmelbrösel zum Panieren der gebackenen Kaninchen ... Da tät die Agi bald runde Wangen kriegen. — „Du b’sinnst di?“ fragte die Bäckerin erstaunt. — Da kam er in die Gegenwart zurück. Und er küsste der Übleisin den von hervorquellenden Adern runzligen Rücken der schwieligen Hand. „Und den Matz Krieg i nit?“ kam er auf den Gegenstand seines Wunsches zurück. — „Den kannst dir gleich mitnehmen, wann du willst.“

      Heute wurden Koja die Schulstunden lang.

      Als er in der frühen Abenddämmerung heimtrabte, trug er seinen Matz unterm zugeknöpften Rock, dass nur der Kopf hervorguckte. — Und als er ihn in der Küche frei gab, mussten Mutter und Agi lachen beim Anblick der einseitigen Gesichtsmaske. Das war ein guter Empfang. Der unfreiwillige Komiker mochte schnurren oder sich waschen, er reizte alle zum Lachen. Und das Lachen tat ihnen wohl. Mutter und Agi lachten so herzlich, wie Koja sie seit Jahren nicht hatte lachen gehört, Verdutzt schaute Matz von einer zur andern, als wollte er sagen: „Was lacht ihr denn?“ Da lachten sie noch mehr. Was sollte das heissen? Noch immer lachend nahm ihn Agi auf. Sie strich ihm mit der Hand über den Kopf, umfasste seine Vorderpfoten und sagte es ihm ins Gesicht: „Bist ein liebes, gutes, herziges Dummerl.“ — „Das wär’ ein richtiger Name für das komische Tier,“ meinte die Mutter,Koja aber wendete ein: „Er is’ nit so dumm, wie er drein schaut.“ Dennoch musste er’s dulden, dass Agi dem Kater unbeirrt weiter den Kosenamen gab: „Dummerl, liab’s Dummerl.“ Ein halbes Stündchen lang durchschlenderte der Kater alle Winkel des neuen Heims, beguckte und beschnupperte alles, liess da einen Knaul, dort einen Knopf

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