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entsetzliches Kriegsgeheul aus, und schoss die Pfeile ab; Bum auf Bum, Fall auf Fall folgte. Zwei Indianer fielen. Mit Todesverachtung drangen die zwei Überlebenden zum Handgemenge vor, die hölzernen Tomahawks schwingend. Koja nahm mit seiner Kanone den vorderen aufs Korn, aber das Zündholz verbrannte ihm zwischen den Fingern, die Zündung versagte; beim Tragen war Pulver aus dem Zündloch gerieselt. Da holte er sich vom niedergebrannten Feuer ein glimmendes Holzstäbchen, neigte sich über die Kanone und bohrte die Glut ins Zündloch. Ein Knall erfolgte, dann ein Schrei; aber nicht der Indianer schrie, der tot hingestürzt war: nein der Farmer selber. Beide Hände hielt Koja sich vors Gesicht und jammerte: „I siach nix, i siach nix, i bin blind.“ — Da liessen die Trapper den zweiten Indianer los, der über die Palisaden eingedrungen war, die toten Rothäute draussen in der Prärie wurden lebendig, sie kamen in langen Sprüngen von der Lichtung herein, und alle umstanden anteilnehmend den jammernden Farmer.

      Roserl zog ihm die Hände vom Gesicht. Er hatte die Augenlider krampfhaft geschlossen, die Wimpern und Brauen waren etwas versengt, das Gesicht von Russ. Pulverkörnern und Tränen versudelt. „So mach’ doch die Augen auf!“ schrie Roserl den Jammernden an. Er folgte und dann jubelte er auf: „I siach schon, i bin nit blind.“ Da holte der Wieser Franzel einen Hut voll Bachwasser und Frau Roserl wusch dem verwundeten Mann das Gesicht. Es gelang ihr aber nicht, alle Spuren des Schusses zu tilgen. „Dank du dem Herrgott, dass die Augen sich dir rechtzeitig zugemacht haben. — Hättest können blind sein für immer.“ In der allgemeinen Freude wurde Friede gemacht, die Indianer trugen dürres Holz herbei, dass das Feuer besser genährt werden konnte, die Farmerin verteilte Brot und Speck an alle Versöhnten und befreite ihren Säugling aus dem Wickel. Der Kaffeetopf ging von Mund zu Mund und das Farmerkind nahm teil am Friedensmahl. Und wo war die Kanone? — Die hatte mitsamt ihrer Lafette einen Sprung gemacht, niemand wusste wohin. — Alles Suchen nach ihr blieb vergebens. Sollte sie vielleicht einer der Indianer eingesteckt haben?

      Die Sonne sank hinter der Gollinger Höh’ und die Spielgefährten zerstreuten sich.

      Nach dem Abendmahl nahm Koja den Spagatverband von seiner Geige, schabte die vorgequollenen Leimklümpchen von den Rissen, stimmte die Saiten, spielte und sang sein Lieblingslied:

      Herziges Schwesterlein, reich mir die Hand

      Preis mit mir alles heut,

      Was uns der Frühling beut,

      Der wie ein König jetzt zieht durch das Land.

      Fühlst du ums Angesicht fächeln den Wind?

      Streicht er nicht warm und rein

      Über den Blütenhain,

      Wie einer Mutter hauch weht übers Kind?i)

      Weiter kam er nicht, der Vater verlangte Einsicht in die Rechnungen; Agi legte ihm sorgfältig alles vor und zog den Bruder in den Ofenwinkel. Als der Müller neben seinem Weib sass und sich im Geschriebenen zurecht zu finden suchte, liess er die Pfeife ausgehen und merkte es nicht. Frau Maria redete leise auf ihn ein und er gab stille Antworten.

      Im Ofenwinkel tuschelten Koja und Agi. Er schwelgte im Nacherleben überstandener Gefahr, und Agi schien ihm aufmerksam zuzuhören. Indes entging ihrem gespannten Gehör kein geflüstertes Wort, das drüben gesprochen wurde zwischen Mutter und Vater. Und aus dem, was sie erlauschte, schöpfte sie die Hoffnung, dass es vielleicht doch noch Möglichkeiten gäbe, das liebgewordene Haus zu retten.

      Vom Haus der Sehnsucht

      Der neue Oberlehrer Greil war ein Umstürzler, aber einer, der im Guten änderte, was zu ändern war. Seine hohe Gestalt, sein scharfgeschnittenes Gesicht, dessen männliche Zier ein mächtiger blonder Schnurrbart war, der klare, durchdringende Blick seiner blaugrauen Augen und insbesondere seine bestimmte, gewinnende Art zu sprechen, kennzeichneten ihn als einen, der da Macht hat. Mit ihm kam der Geist der Umgestaltung in die alte Pöchlarner Schule. Wohl übernahm er von Schönberger, der in erster Linie Organist und dann erst Lehrer gewesen war, den Chordienst in der Kirche, aber die Schule war ihm die Hauptsache. Die sollte nicht bloss Lernschule sein, sondern vor allem Arbeitsschule.

      Mit der Oberklasse, die er führte, zog er am ersten Tage nach dem Unterricht in den von Nesseln und Disteln überwucherten Schulgarten und setzte sechzig Paar Hände in Bewegung, um den Garten von Unkraut zu säubern, das zu einem Komposthaufen zusammengetragen und mit Erde gedeckt wurde. Da hinein legte der Oberlehrer Gurkensamen.

      Dann gab er den Kindern auf, die Strasse nach Ornding und die nach Krummnussbaum abzugehen, um alle absterbenden Alleebäume ausfindig zu machen. Die sollten im Laufe des Sommers entfernt werden, dann sollten sich je zwei Buben zum Ausheben der Baumgruben zusammenfinden, damit im Herbste die in der Baumschule zu dicht stehenden Wildlinge der Apfel-, Birn- und Zwetschgenbäume an ihre Stelle gesetzt werden könnten. Und die sollten später, sobald sie sich gut bewurzelt hätten, veredelt werden.

      Um mit den häuslichen Verhältnissen seiner Schüler vertraut zu werden, gab er ihnen einen vorbereitungslosen Bericht auf: „Mein Heim“. Da sollte jedes Kind gemütlich hinschreiben, was es von der Lage und Beschaffenheit seiner Wohnung und von der Beschäftigung seiner Familienmitglieder zu sagen wusste. Koja machte den Aufsatz mit Agis Hilfe. Sie gingen mitsammen die Umgebung der Mühle ab und dann das Innere der Hofgebäude. Sie schauten alles so, als sähen sie es zum erstenmal. Mitten in den Text zeichnete Koja die Grundrisse der Gebäude, dann die vorbeiführenden Wege und dann, wie der Mühlbach von der Erlaf abzweigte und in weitem Bogen zu ihr zurückkehrte. So machte er den Oberlehrer auf die Neuda als Insel aufmerksam. Als der Junge die ersten Orchideen brachte, die er auf den Neudawiesen gesammelt hatte, kündigte der Oberlehrer den Schülern an, dass er sie bald auf die Neudainsel führen werde. Sie sollten anschaulich lernen, was eine Insel sei. Von der Lebensweise des Neudamüllers hatte der Oberlehrer keine Ahnung. Übrigens war darin eine Änderung zum Bessern eingetreten. Vater Lorent war mehr zu Hause denn je; er war fast immer nüchtern und machte den Eindruck eines gutmütigen Mannes, den etwas drückte. Daraus, dass ihm sein Gruss von Begegnenden kaum erwidert wurde und dass ihm zweimal nacheinander von alten Bekannten das Feuer für die Pfeife verweigert worden war, hatte er erkannt, dass von ihm in der Gegend übel geredet wurde. Dabei war es ihm nimmer möglich, im Wirtshaus Trost zu finden. Man gab ihm nichts mehr auf Borg. Es war schon ruchbar, dass seine Mühle auf die Trommel kommen sollte.a) Nur der Krämer Sigismund Sacht, der unweit der Krummnussbaumer Tonwarenfabrik seinen Laden hatte, grüsste den herabgekommenen Müller so gut nachbarlich wie einst, und wenn er zufällig mit ihm den gleichen Weg hatte, zeigte er volles Verständnis für seine Klagen über die ungünstig gewordenen Vermögensverhältnisse. Er lud ihn in seine Wohnung, nicht in den Laden, wo die Arbeiter ihren Schnaps tranken, und bewirtete ihn freundschaftlicherweise mit einem oder zwei Gläschen Altvater, der aus „herzstärkenden Gebirgskräutern“ bereitet war. Er suchte ihn damit zu trösten, dass der Verkauf des zur Mühle gehörigen Harlander Ackerlandes ihn herausreissen könnte oder des auf der Gollinger-Leiten liegenden Wiesenlandes, das früher oder später als Baugrund in Betracht käme. Dabei erfuhr er, an welche Gläubiger die Gründe verpfändet waren und für wie geringe Schuldbeträge. Und er stellte Lorent in Aussicht, er werde sich um Käufer umschauen, die weit höhere Beträge zahlen würden. Dem mitteilungsbedürftigen, vertrauensseligen Müller tat es wohl, dass er sich mit einem freundlichen Nachbar aussprechen konnte, noch dazu mit einem, der als Grundmakler und Vermittler von Darlehen geschäftskundig war.

      Frau Maria nützte die Nüchternheit ihres Mannes aus; jetzt war er Vernunftgründen zugänglich. Er willigte ein, dass fortan von seiner Frau alle Bareinnahmen verwaltet wurden, die für Milch, Eier, Mehl und Holz einliefen. Und die verwendete sie sofort zu kleinen Abschlagszahlungen an verschiedene Gläubiger. Vielleicht war das Haus doch noch zu retten, wenn der gute Wille und eine gewisse Zahlungsfähigkeit erwiesen wurden. Auch war ja die Hilfe der Verwandten zu erwarten. Lorent änderte sich rascher, als seine Frau gehofft hatte. Weil sie ihm nichts nachtrug, war ihm, als wäre nichts geschehen. Leichthoffend gab er sich mit dem Anwesen Mühe, das ihm ja doch erhalten bleiben konnte. Er arbeitete sich täglich müde in Haus und Garten, ging früh zu Bett und stand früh auf. Er kümmerte sich um die Mühle wie um die Säge. Er verabschiedete einen Mühlknecht und einen Handlanger vom Sägewerk, die nach seines

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