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das Durchführen einer (komplexen) Handlung können als allgemeine stilistische Handlungstypen nach Sandig (ebd.: 150) das Gestalten und das Relationieren angesetzt werden. Das Gestalten – Püschel (1987: 143) zufolge das „zentrale Stilmuster“ schlechthin: „Die Form, das Aussehen, die Gestalt einer Sprachhandlung/eines Textes ist ihr/sein Stil“ (ebd.)1 – ist in erster Linie ein auf Einheitlichkeit ausgerichtetes sprachliches Handeln (vgl. Fix 1996: 318). Dass Texte ein und desselben Themen‑ und Gegenstandsbereichs wie auch einzelne Texte und Textpassagen unterschiedlich gestaltet werden können und dass die Einheitlichkeit des Stils in der Sprachwirklichkeit nicht aufrechterhalten werden muss, sondern intentional oder auch unbedacht durchbrochen oder dass gar das Aufgeben von Einheitlichkeit selbst zu einem stilbildenden Prinzip werden kann (vgl. ebd.: 318), gehört zu den Alltagserfahrungen im Umgang mit literarischen Texten wie auch mit zweckorientierten Gebrauchstexten; gegebenenfalls erkennbare Unterschiede sind vor allem auf die jeweilige Art des Formulierens, die jeweilige Präferenz für bestimmte Sprachhandlungen, den Rückgriff auf andere als sprachliche Zeichen und das Maß der Typisierung der Handlungsdurchführung zurückzuführen. Voraussetzung ist dabei, wie bereits angedeutet, eine auf Geltung bestimmter Konventionen beruhende Interpretationsgrundlage für alle Kommunikationsbeteiligten (Textproduzent und Textrezipient): „Wichtig ist, daß […] die für die Beteiligten in der Situation per Konvention erwartbaren Handlungen, Handlungsinhalte und Durchführungsarten angenommen werden; stilistischer Sinn und Stilwirkung des Textes […] entstehen in Relation dazu“ (Sandig 1986: 124).

      Das Einheitlichmachen und das Wechseln von Stilelementen zählen – neben z.B. Abweichen, Verdichten und Mustermischen – zu den grundlegenden stilistischen Handlungsmustern:2 „Einheitlichkeit entsteht durch FORTFÜHREN stilistisch gestaltbildender Mittel, so dass dieses FORTFÜHREN zur Interpretation des stilistischen Sinns beitragen kann“ (Sandig 2006: 174; Hervorhebungen im Orig.). Die Konstanz des stilistischen Sinns als Folge gleichbleibender und insofern redundanter Stilelemente (wie gleiche oder ähnliche Stilebenen, propositionale Gehalte und/oder Teilhandlungen) kann im Anschluss an ethnomethodologisch geprägte Konzepte der Interaktionsanalyse als Kontextualisierungsverfahren bzw. ‑hinweis interpretiert werden (vgl. dazu etwa Auer 1986 und 1992; Selting 1989): Dem Rezipienten wird zu verstehen gegeben bzw. „mitgeteilt: Es ist noch dieselbe Handlung (im Unterschied zu anderen möglichen), noch dasselbe Thema (im Unterschied zu anderen möglichen), noch dieselbe Beziehung zwischen den Interagierenden (in Relation zu anderen …), noch dieselbe Situationsinterpretation […]“ (Sandig 1986: 118). Das Einheitlichmachen und die Einheitlichkeit des Stils sind funktional also darauf angelegt, Änderungen in der Handlungsdurchführung (z.B. Themenwechsel, Wechsel der Handlungstypen usw.) durch Stilwechsel zu kontextualisieren:

      „Eine Konsequenz der Funktion der Einheitlichkeit des Stils ist es, daß bei Übergängen zu anderen Handlungen, auch Teilhandlungen, der Stil gewechselt wird, auch bei Übergängen zu anderen Themen, bei einem Wechsel der Interagierenden, bei einer Änderung der Beziehung, der Situationsdefinition usw. […] So zeigen die Stilwechsel mit ihren Funktionen die Verflechtung von stilistischer Textstruktur einerseits und den Handlungsvoraussetzungen, auf die die Handlungsdurchführung bezogen ist, andererseits“ (Sandig 1986: 119).

      Versteht man Einheitlichkeit des Stils als „generelles Postulat“ (ebd.: 122) bei konstanter Sprachgestaltung, konstanter Handlungsart und konstantem Thema, liegt es nahe, in Stilwechseln aufgrund ihrer Leistung als Kontextualisierungsverfahren Indikatoren für Veränderungen in der Art der Handlungsdurchführung zu sehen und ihnen Stilwirkung(en) zuzusprechen: Sie lassen sich als Instrument dafür deuten, die Textrezeption attraktiv(er) – z.B. abwechslungsreich(er) oder lebendig(er) – zu machen, und können als Mittel der Aufmerksamkeitssteigerung interpretiert werden (vgl. ebd.: 122). Denn grundsätzlich lassen sich Wechsel, wie sie beispielsweise durch auffällige Veränderungen in der lexikalischen und/oder syntaktischen Gestaltung oder in der thematischen Struktur fassbar werden, mithilfe der Figur-(Hinter‑)Grund-Relation erfassen: „Bei Stilwechsel wird der bisherige Stil zu Grund, der neue Stil zu Figur […]“ (Sandig 2006: 73; vgl. auch ebd.: 202–205), wodurch er sich vom bisherigen Grund abhebt. Man kann darin durchaus auch eine Ausprägung eines anderen allgemeinen textstilistischen Handlungstyps, nämlich des Abweichens, sehen (vgl. dazu ebd.: 153–157), wodurch der Zusammenhang zwischen Existenz (und Kenntnis) von Gestaltungskonventionen und dem Verstoßen dagegen deutlicher hervortritt:

      „[D]ie Mitglieder von Kommunikationsgemeinschaften [bilden] im Laufe ihrer kommunikativen Sozialisation Erwartungen aus über die Erwartbarkeit bestimmter Stile in bestimmten Kommunikationskontexten. Diese fungieren als Normalformerwartung, von der jedoch zum Zwecke der Nahelegung bestimmten [!] Bedeutungen und Interpretationen jederzeit abgewichen werden kann“ (Selting 2001: 5).

      Darauf, dass damit auch Gefahren verbunden sein können, wird üblicherweise meist aus einer eher normativ-ästhetischen Sicht auf Stil und Stilphänomene aufmerksam gemacht; Fleischer u.a. (1993: 66) etwa verweisen im Blick auf Stilwechsel, die sie primär im Zusammenhang mit thematischen Veränderungen sehen, auf „Akzeptanzgrenzen“ und damit auf die Erfahrung, dass auffällige Veränderungen in der Verwendung insbesondere phonetischer, graphematischer, lexikalischer und morphosyntaktischer Elemente (vgl. ebd.: 21) zu stilistischen Fehlleistungen führen können, die rezipientenabhängig u.U. als Stilbrüche oder Stilblüten wahrgenommen werden.

      1.3 Stil und Stilwechsel in Wissenschaftstexten

      Auch wenn natürlich nicht alle Grammatik-Texte ohne Weiteres dem Kommunikationsbereich und Funktionalstil der Wissenschaft zugerechnet werden können und sich die globale Charakterisierung von Texten als „wissenschaftlich“ als viel zu grob erweist, gehen wir in starker Vereinfachung der im Sprachgebrauch vorhandenen sprachlichen und textsortenbezogenen Differenzierung in der Behandlung wissenschaftlicher Themen von einem durch die „Dominanz der Erkenntnisvermittlung“ (Fix u.a. 2001: 34) geprägten Anspruch in Verbindung mit adressatengerechter Textgestaltung aus. Das entsprechende Spektrum an Texten bedarf aufgrund seiner Heterogenität einer differenzierten Betrachtung der dominierenden Stilelemente und Stilzüge, die – im Zusammenspiel mit textlinguistischen Analysemodellen – als Textsorten‑ oder Textmusterstile erfasst werden können. Aus funktionalstilistisch-textsortenlinguistischer Perspektive ist davon auszugehen, dass verschiedene Stilelemente auf bestimmte Weise kombiniert werden und in ihrem Zusammenspiel im Hinblick auf die wesentliche Wirkungsabsicht funktionalisiert sind.1 Wenn z.B. der Funktionalstil der Wissenschaft durch Stilzüge wie „sachlich, folgerichtig, klar/fasslich, abstrakt, dicht/gedrängt, genau, unpersönlich“ (ebd.: 35, vgl. auch ebd., 75–78) charakterisiert werden kann, besteht die Aufgabe der Textanalyse darin zu überprüfen, in welchem Maße und mit welchen sprachlichen Mitteln solche Stilzüge jeweils realisiert sind: „Die Bestimmung von Stilelementen und Stilzügen bezieht sich immer auf ein ‚Stilganzes‘. Damit ist die Bedingung und Einheitlichkeit des stilbildenden Handelns gemeint“ (ebd.: 35).

      Für die konkrete textstilistische Analyse konkurrieren zwar unterschiedliche Modelle und Konzepte mit teilweise unterschiedlichen Auffassungen darüber, welche Texteigenschaften und welche Merkmale der Kommunikationssituation für die Analyse berücksichtigt werden sollen (vgl. für einen Überblick ebd.: 52–56), in der grundlegenden Auffassung herrscht jedoch Einigkeit:

      „Die bei der Analyse eines Textes ermittelten Stilzüge konstituieren den Stil des Textes, also die Art und Weise (das WIE), mit der das Mitzuteilende (das WAS) im Hinblick auf einen Mitteilungszweck (das WOZU) [und, so muss man ergänzen: im Hinblick auf die Adressatengruppe (das FÜR WEN)] – gestaltet wird“ (Fix u.a. 2001: 52; Hervorhebungen im Orig.).

      Dass die Ausrichtung auf die jeweilige Adressatengruppe – bei mehr oder weniger konstanter Wirkungsabsicht – einen wichtigen Faktor für die gestalterischen Entscheidungen des/der Textproduzenten darstellt, liegt auf der Hand (vgl. dazu z.B. Biere 1996; Becker-Mrotzek u.a. 2014) und ist empirisch ohne großen Aufwand zu belegen (vgl. z.B. Eroms’ [2008: 119–121] kurzen Vergleich von Texten, die zum einen für Angehörige der Fachgemeinschaft bzw. Experten, zum anderen für ein breiteres Publikum bzw. Laien konzipiert sind und die jeweils typische, aber einheitlich eingesetzte stilistische Mittel aufweisen).

      Vor diesem Hintergrund sind intendierte Stilwechsel in

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