Скачать книгу

der träge an die Decke stieg. So wie in allen Sitzungen mit Kimball Hayden, wartete er geduldig darauf, dass der Vatikanritter sich ihm mitteilte. Als nur noch fünf Minuten der einstündigen Sitzung übrig waren, sagte der Monsignore: »Kimball, es sind nur noch fünf Minuten übrig.«

      Kimball seufzte. Der Monsignore beugte sich in seinem Sessel nach vorn. »Kimball«, sagte er drängend.

      Der Vatikanritter hasste die Treffen mit dem Monsignore und kam deshalb oft absichtlich zu spät. Der Pontifex bestand allerdings auf die wöchentlichen Treffen und bezeichnete sie als Katharsis … als möglichen Weg, Kimball davon zu überzeugen, dass er die Erlösung trotz seines im Grunde brutalen Naturells dennoch verdiente. Alles, was Kimball tun musste, was er verstehen und akzeptieren musste, war, sich so zu sehen wie ihn die anderen sahen, nämlich als Retter derer, die sich nicht verteidigen konnten. Kimballs Vergangenheit hatte aber einen so dunklen Fleck auf seiner Seele hinterlassen, dass er sie nicht einfach wie die Haut einer Schlange abstreifen konnte.

      »Kimball, bitte.« Der Monsignore studierte scheinbar fasziniert die Rauchkringel, die von seiner Zigarette aufstiegen und an der Decke verschwanden. »Verraten Sie mir wenigstens, wie Sie sich gefühlt haben, als Ezekiel eliminiert wurde.«

      Kimball zögerte, während die Bilder erneut vor seinem geistigen Auge vorüberzogen. Er erinnerte sich unweigerlich wieder an seine Zeit als Auftragskiller für die Regierung der Vereinigten Staaten, als man ihm befohlen hatte, Senator Cartwright zu töten … und an den Moment, als er seine Klinge über die Kehle des Politikers zog und den Mann ausbluten ließ. Er erinnerte sich außerdem an den Enkelsohn des Senators, der sich währenddessen in einem Schrank unter dem Bücherregal versteckt hatte. Der Junge hatte mit surrealer Langsamkeit mitansehen müssen, wie sein Großvater getötet worden war.

      »Wie haben Sie sich gefühlt, als Ezekiel eliminiert wurde?«, wiederholte der Monsignore.

      Kimball schloss die Augen. Er sah wieder alles so klar und lebhaft vor sich als wäre es gerade eben erst passiert. Weil er sich schuldig gefühlt hatte, hatte er sich des Jungen angenommen und ihn zu einem jungen Mann aufgezogen und schließlich sogar zu einem Vatikanritter gemacht. Doch am Ende hatte Ezekiel die gelernten Fähigkeiten gegen Kimball eingesetzt, als Vergeltung für den Mord an seinem Großvater. Kimballs eigenes frankensteinsches Monster sozusagen. Seine Schöpfung, die sich schließlich von ihm abgekehrt hatte, um ihren Meister zu töten. Doch es war Kimball gewesen, der am Ende gesiegt hatte.

      »Wie haben Sie sich gefühlt, als Ezekiel ausgeschaltet wurde?«, wiederholte der Monsignore unnachgiebig mit tonloser Stimme.

      Schließlich antwortete Kimball: »Ich habe ihn nicht geliebt, wenn es das ist, was Sie wissen wollen. Nicht so wie ein Vater seinen Sohn liebt, nicht einmal ansatzweise. Aber dennoch habe ich mich um ihn gesorgt.«

      »Das beantwortet nicht wirklich meine Frage, oder, Kimball? Versuchen wir es noch einmal. Wie haben Sie sich gefühlt, als Ezekiel eliminiert wurde?«

      Kimball warf ihm einen finsteren Blick zu. »Wieso formulieren Sie die Frage dann nicht einfach so, wie sie Sie eigentlich stellen wollen, ohne sie zu beschönigen.«

      »Was meinen Sie damit?«

      »Sie wissen ganz genau, was ich meine.«

      »Sagen Sie es mir. Sie sind schließlich ein aufrichtiger Mann.«

      Kimball wusste ganz genau, dass er damit in eine der Fallen des Monsignores tappen würde, aber es interessierte ihn nicht. »Sollte die Frage nicht eigentlich lauten: Wie haben Sie sich gefühlt, nachdem Sie Ezekiel umgebracht haben, einen Menschen, den sie aufgezogen haben, seit er ein kleiner Junge war?«

      Der Monsignore blieb regungslos sitzen und ließ sich keinerlei Gemütsregung anmerken. Das einzig Lebendige an ihm schien die Rauchsäule zu sein, die immer noch von der Zigarette zwischen seinen Fingern aufstieg.

      »Ich fühlte …« Doch Kimball ließ den Satz unvollendet.

      »Sie fühlten was

      Nach einem kurzen Moment sprach Kimball weiter: »Ich fühlte auf der einen Seite Reue … auf der anderen aber Erleichterung.«

      »Reue und Erleichterung. Finden Sie das nicht seltsam? Sind das nicht eigentlich Gegensätze? Reue zu empfinden, weil man einen geliebten Menschen getötet hat, und gleichzeitig darüber erleichtert zu sein?«

      »Er war ein Monster«, konstatierte Kimball. »Er hat unschuldige Menschen getötet.«

      »So wie Sie, als Sie noch ein Auftragsmörder der Regierung waren, nicht wahr?«

      »Nicht immer.«

      »Aber manchmal haben Sie doch unschuldige, gute Menschen getötet, habe ich recht? Menschen, die Ihre Mission hätten gefährden können. So wie diese beiden Jungen im Irak.«

      Kimball kochte nun innerlich vor Wut. Es sah dem Monsignore gar nicht ähnlich, ihn dermaßen aufzuwühlen. Ihre Beziehung war bislang eigentlich förmlich, auf eine gewisse Art und Weise aber auch herzlich gewesen. Kimball verstand deshalb nicht, was der Monsignore auf diese ruppige Weise zu erreichen versuchte. »Ich war nie so wie Ezekiel!«, stieß er hitzig hervor.

      »Sie haben geholfen, ihn aufzuziehen, Sie haben sein Wesen geformt. Wie können Sie also nicht sein wie er?«

      Kimball spürte, wie sich die Muskeln in seinem Arm anspannten. »Ich habe mich geändert … er nicht.«

      »Wie meinen Sie das?«

      »Ich töte nur noch, wenn ich es unbedingt muss, und niemals, weil ich es will. Er hingegen hat getötet, um seine Wut zu bezähmen.«

      »Sehr richtig«, sagte der Monsignore jetzt und ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. »Sie haben sich in jemanden verwandelt, der die Schwachen beschützt. Ezekiels Seele hingegen wurde immer schwärzer und verkümmerte schließlich vor selbstgerechtem Hass. Sie beschlossen irgendwann, die Kirche vor Ezekiel zu schützen, dessen Mission es nun einmal war, deren Ende einzuleiten. Sie haben unzählige Leben damit gerettet, Kimball, auch wenn Ihr Einsatz dabei sehr persönlicher Natur war.«

      »Ich nehme mal an, dass Sie damit auf etwas Bestimmtes hinauswollen?«

      Der Monsignore sah ihn verblüfft an. »Sie hören sich offenbar nicht selbst zu«, meinte er. »Denn Sie haben gerade selbst erklärt, dass Sie sich verändert haben, und zwar aus eigenem Entschluss. Aber Ihre Zunge ist offenbar nicht im Einklang mit Ihrem Gewissen, denn Sie fühlen sich immer noch schuldig für Ihre früheren Taten. Sie glauben noch immer, dass Ihnen die Erlösung verwehrt wird, trotz all der guten Werke, die Sie mittlerweile vollbracht haben. Sie sagen das eine, Ihr Gewissen lässt Sie aber etwas anderes glauben. Wenn Ihr Bewusstsein und Unterbewusstsein irgendwie in Einklang gebracht werden können, werden Sie die Erlösung finden, die Sie suchen. Es liegt also ganz an Ihnen, daran zu glauben, dass Ihre Worte tatsächlich der Wahrheit entsprechen.«

      Ich verstehe, dachte er. Sie wollen also, dass ich etwas eingestehe, wofür ich noch nicht bereit bin. Da ich Ezekiel nur getötet habe, um die Kirche zu retten, sollten meine Gefühle für Ezekiel längst abgeklungen sein, da er ja schließlich auf gewisse Weise das Böse verkörpert hat. »Es ist nicht so leicht, sich aus dieser Sache herauszureden«, sagte er schließlich.

      Enttäuschung und Frustration verdüsterten das Gesicht des Monsignores. »Die Zeit ist leider um«, sagte er leise. Eine weitere Sitzung, die ergebnislos verlaufen war.

      Während er dabei zusah, wie sich sein Patient aus dem Sessel erhob und das Büro verließ, musste sich Monsignore Dom Giammacio eingestehen, dass er langsam nur noch wenig Hoffnung hegte, Kimball Hayden je als etwas anderes, als eine verlorene Seele zu erleben.

      Er begann sogar zu glauben, dass die wahre Erlösung für den Vatikanritter stets unerreichbar bleiben könnte. Also betete er für ihn und hoffte, dass es doch noch irgendeine Hoffnung für Kimballs Seele gab und dieser sich am Ende für einen Weg entscheiden würde, der ihn in die Arme des göttlichen Lichts der Liebe führen würde.

      Die Antwort auf seine Gebete bestand jedoch nicht in dem Flüstern eines liebenden,

Скачать книгу