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Hotel Sabina. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Hotel Sabina
Год выпуска 0
isbn 9788711718919
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Marie Louise Fischer
Hotel Sabina
SAGA Egmont
Hotel Sabina
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)
Originally published 1967 by F. Schneider, Germany
All rights reserved
ISBN: 9788711718919
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com
Für meine Tochter Florina,
die mir so sehr geholfen hat
1
»Bis morgen dann, Frau Meyendorf!«
»Tschau, Sabine!«
Sabine Meyendorf erwiderte mit einem zerstreuten Lächeln die Abschiedsgrüße ihrer Kolleginnen, als sie, eilig wie alle anderen, das Gebäude der Nord-Süd-Versicherung verließ. Dann stand sie im dröhnenden Verkehr der breiten Prinzregentenstraße. Stoßstange an Stoßstange, von einer Ampel zur nächsten, drängten Pkw’s, Touristenbusse und Lastwagen zur Isar hin und in die Innenstadt von München, in der Gegenrichtung zumeist zur Autobahn nach Salzburg oder zum Flughafen. Auf der anderen Seite der Fahrbahn erhob sich mächtig die klassizistische Fassade des renovierten Prinzregententheaters.
Anders als die meisten Kollegen brauchte Sabine weder ein Auto noch ein öffentliches Verkehrsmittel, um nach Hause zu kommen. Sie ging die wenigen hundert Meter zu Fuß zu ihrer Wohnung heute beschwingter als gewöhnlich, wie sie selber spürte. Vorbei an der Weinstube »St. Georg«, einem im Souterrain des Eckhauses liegenden kleinen Lokal, überquerte sie die Possartstraße und hatte auch schon den Eingang des imposanten, an die hundert Jahre alten Sandsteingebäudes erreicht, in dem sie seit langem lebte.
Sabine schloß die schwere Haustür auf, stieg die fünf Stockwerke hinauf – einen Lift gab es nicht – und betrat ihre komfortable, liebevoll eingerichtete Altbauwohnung. Harry, ihr verstorbener Mann, hatte sie für seine Familie, für Sabine und die kleine Stefanie gekauft, und wie stets, wenn sie die hohen Räume betrat, empfand sie Dankbarkeit. Diese vier Wände boten ihr Schutz und Sicherheit in einer Welt, die, wie ihr schien, immer unruhiger und unberechenbarer wurde.
Noch in der Diele streifte sie, nachdem sie die Handtasche auf die Garderobe gelegt hatte, ihre eleganten, hochhackigen Pumps ab, hob sie auf und trug sie ins Schlafzimmer, das sie früher mit ihrem Mann geteilt hatte. Inzwischen hatte sie es durch helle Vorhänge und einen wunderschönen Aubussonteppich femininer gestaltet. Das Doppelbett war durch eine großzügig breite Liege ausgetauscht, die mit einem leuchtend bunten Überwurf bedeckt war.
Im Bad ließ sie Wasser in die große, runde Marmorwanne laufen, fügte ein paar Tropfen Öl hinzu und begann sieh auszuziehen. Kostümjacke und Rock hängte sie sorgfältig auf einen Bügel, um sie später zum Auslüften auf den Balkon zu bringen, Strümpfe und Unterwäsche warf sie in den Wäschekorb.
Während das Wasser noch in die Wanne lief, betrachtete Sabine sich kritisch im Spiegel. Sie war eine attraktive Frau von zweiunddreißig Jahren. Die recht breiten Schultern betonten ihre schmalen Hüften, ihre Beine waren sehr gerade, lang und schlank. Manchmal störte sie sich an ihrem kleinen Bauchansatz, der ihr von Stefanies Geburt geblieben war und den sie weder durch Gymnastik noch durch diverse Diäten hatte wegbekommen können. Aber es war ein liebenswertes Bäuchlein, fand sie und tätschelte die Wölbung, Stefanie war es wert gewesen.
Mit zwei Kämmchen steckte sie sich das halblange braune Haar aus der Stirn und reinigte mit einem Wattebausch gründlich das Gesicht. Ihre tiefblauen Augen waren umschattet, die Bindehaut gerötet, die Lider geschwollen. ›Witwenaugen‹, hatte Bernhard Heuss sie, gerührt und belustigt zugleich, genannt. – Ach, der gute Bernhard! schoß es ihr durch den Kopf. Nie hätte sie gedacht, daß er ein Problem für sie werden könnte, aber inzwischen sah es ganz so aus. Wie hatte es dazu kommen können?
Sabine lauschte noch einmal in die Wohnung, aber außer dem leisen Knarzen alten Holzes und dem gleichmäßigen Ticken der Standuhr in der Diele war nichts zu hören; sie war immer noch allein.
Sie ließ die Tür offen, bevor sie in die Wanne glitt. Wärme und duftender Schaum umfingen sie. Wohlig streckte sie sich aus und versuchte sich zu entspannen. Nach einer Weile gelang es ihr. Sie drehte den Wasserhahn zu, lehnte sich wieder zurück und schloß die Augen.
Als die Wohnungstür aufgeschlossen wurde, schreckte sie hoch und lächelte dann unwillkürlich. »Stefanie!« rief sie. »Huhu! Hier bin ich!«
Das kleine Mädchen, sehr blond und sehr dünn, aber sprühend vor Leben, stürmte herein. »Du hast’s vielleicht gut!« rief sie neidvoll. Sie trug weiße Kniestrümpfe und über ihrem Sommerkleid einen blauen Blazer, der die Farbe ihrer Iris betonte: Stefanie hatte die tiefblauen Augen ihrer Mutter, aber mit den hellen Haaren, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, waren sie nicht so auffallend wie bei Sabine.
»Komm doch zu mir!« lud Sabine sie lächelnd ein.
»In die Wanne?«
»Warum nicht?«
Stefanies Blazer flog zu Boden, das Kleid hinterher, Sandalen, Strümpfe und Höschen folgten, bevor sie in die Wanne kletterte.
»Zigeunerin! « schimpfte Sabine, der Stefanies Unordnung schon immer ein Dorn im Auge war, mochte jedoch die gelöste Stimmung nicht durch einen ernsthaften Tadel verderben.
Die Wanne bot reichlich Platz für zwei, und Stefanie streckte sich, der Mutter gegenüber, behaglich in dem weißen Schaum. »Das haben wir lange nicht mehr gemacht!« stellte sie fest und fragte danach: »Warum eigentlich nicht?«
»Dein Vater hat es nicht gern gesehen.«
»Und warum eigentlich nicht?«
Sabine dachte nach. »Das kann ich dir schwer erklären. Wahrscheinlich war er der Meinung, daß zwischen Eltern und Kindern ein gewisser Abstand sein müßte. Das hatte wohl etwas mit Respekt und Disziplin zu tun. Du weißt ja, wie er war.«
Stefanie sah sich bemüßigt, den Verstorbenen zu verteidigen. »Aber verwöhnt hat er uns doch trotzdem.«
»Das kann man wohl sagen. Wir beiden waren die am meisten verwöhnten Frauen in ganz Bogenhausen.«
»Und trotzdem bist du arbeiten gegangen.«
»Ja, aber das hat ihm auch nicht gepaßt.« Daß sie, nachdem Stefanie ins Kindergartenalter gekommen war, eine Stellung als Sachbearbeiterin bei der Nord-Süd angenommen hatte, war der einzige Punkt, bei dem sie sich in ihrer Ehe durchgesetzt hatte – das und die Ausstattung ihres Traumbadezimmers, die er bis zuletzt als übertrieben empfunden hatte. »Finanziell«, erklärte sie, »hatte ich es ja auch wirklich nicht nötig, darin hatte er recht. Aber ich brauchte es einfach. Stell dir vor, ich würde dir vorschlagen: Laß die Schule Schule sein, von jetzt an wollen wir uns einfach nur ein schönes Leben machen!«
»Das kannst du nicht«, erwiderte Stefanie ernsthaft, »in Deutschland muß man in die Schule gehen – oder etwa nicht?«
»Stimmt. Es gibt eine Schulpflicht. Aber in ein paar Jahren ist die für dich vorbei. Dann könntest du aufhören.«
»Willst du das?« fragte Stefanie ziemlich verständnislos.
»Natürlich