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gehaltvolle Zusammenfassung von Hartenstein gibt das breite Spektrum des Missionsverständnisses von Willingen treffend wieder. Von den Schwächen dieses Umstands war schon die Rede. Und die Stärken? Die Stärken der drei in Willingen vertretenen Modelle kommen einem missionalen Sendungsverständnis sehr nahe. Von Willingen aus lässt sich ohne weiteres eine ganzheitliche Sendungstheologie schmieden: Die Kirche folgt dem aus sich selbst herausgehenden Gott. Sie lässt sich in die Welt senden, um den Menschen die rettende Botschaft von Jesus Christus zu verkünden und Zeichen seines Friedensreiches aufzurichten. Wort und Tat finden auf dieser Grundlage zu einem wirkungsvollen Ganzen. Damit ist Mission als ganzheitliches Geschehen definiert. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass missionale Vertreter in der Diskussion um die Missio Dei einen der auslösenden Faktoren ihrer Theologie erblicken.

      Missionsmodelle in Willingen

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       2.2Verhängnisvolle Entwicklungen nach Willingen

      Die Weltmissionskonferenz in Willingen war die Initialzündung für das Konzept der Missio Dei und sollte in den folgenden Jahrzehnten eine beträchtliche missionstheologische Dynamik entwickeln.43

       Vicedom und der nie eingelöste Scheck

      Der lutherische Missionswissenschaftler Georg F. Vicedom legte mit seinem 1958 veröffentlichen Werk Missio Dei die erste systematische Abhandlung über das Konzept vor und trug damit entscheidend zu dessen Verbreitung bei. Bezug nehmend auf die missionstheologische Situation seiner Zeit sagt Vicedom zur Missio Dei:

      Die Weltmissionskonferenz von Willingen 1952 hat den Begriff aufgenommen, um damit in der protestantischen Christenheit die Mission als Handeln des dreieinigen Gottes zu begründen. Er hat seitdem weithin das Denken in der protestantischen Missionstheologie bestimmt. Missio Dei erklärt die Sendung als Gottes eigene Sache, die er in seinem Sohn begonnen hat und die er durch den Heiligen Geist in seiner Kirche fortführt bis zum Ende der Zeit.44

      Aus der Tatsache, dass Gott seinen Sohn sendet und diese Sendung durch den Heiligen Geist in der Kirche fortführt, folgert Vicedom:

      Damit ist die Mission der Kirche an die Mission Gottes selbst angeschlossen. So steht die Kirche im Dienste Gottes zur Ausbreitung seines Evangeliums. Sie kann nicht Kirche sein, wenn sie nicht an der Sendung seines Sohnes beteiligt ist. Mission wird damit zur Grundfunktion der Kirche.“ 45

      Unter dem Begriff „Sendung“ versteht Vicedom alles, was die Kirche zur Vermittlung des Heils zu tun gerufen ist:

      Es wäre jedoch eine Verengung der Missio Dei, wollte man den Begriff nur auf die Sendung beziehen. Zu ihr gehört alles, was um der Heilsmitteilung willen getan werden muss und was Gott tut. Berufung, Vorbereitung, Sendung der Arbeiter wie die Durchführung ihrer vielfältigen Dienste sind Verwirklichung der von der Missio bestimmten Liebe Gottes.46

      Georg Vicedom und Karl Hartenstein haben wesentlich zur Prägung des Begriffs Missio Dei und zu dessen Verbreitung beigetragen. Insbesondere haben sie die Missio Dei mit der Sendung der Kirche verknüpft und sie in einem heilsgeschichtlichen Ansatz untergebracht. Allerdings haben sie nach Schirrmacher den „wunderbaren Scheck“, den sie ausgestellt haben, nie eingelöst.47 Bei Hartenstein könne das auf die Kürze der von ihm stammenden Texte über die Missio Dei zurückgeführt werden. Vicedom hingegen habe trotz ausführlicher Beschäftigung mit dem Thema exegetische und systematische Ausführungen „über das innertrinitarische Sendungsverhältnis, über die Verbindung von Gott als Gesandtem zum Menschen als Gesandter, über das Verhältnis des Geistes Gottes, der seit Pfingsten Mission betreibt, zum missionalen Handeln der Kirche“ weitgehend vermissen lassen.48

      So bleibt nach Willingen und dem Beitrag Vicedoms die Erkenntnis: Die christliche Mission wurzelt im Wesen Gottes, der ein sendender Gott ist. Die Mission der Kirche ist Teilhabe an der Mission Gottes. So wichtig diese Erkenntnis war, so vieldeutig blieb das Konzept seiner Unschärfe wegen.

       Ein „neues“ Missionsverständnis

      Das Konzept der Missio Dei wurde an den auf Willingen folgenden ökumenischen Weltmissionskonferenzen aufgenommen und weiterentwickelt.49 Allerdings nicht im Sinne Hartensteins, der die Missio Dei eng mit der Missio Ecclesiae verband: „Die Sendung des Sohnes zur Versöhnung des Alls durch die Macht des Geistes ist Grund und Ziel der Mission. Aus der ‚Missio Dei‘ allein kommt die ‚Missio Ecclesiae‘. Damit ist die Mission in den denkbar weitesten Rahmen der Heilsgeschichte und des Heilsplanes Gottes hineingestellt.“ 50 Für Hartenstein und die deutsche Delegation in Willingen gehörte das missionarische Handeln der Kirche untrennbar zur Missio Dei in der Welt.

      Nun aber kam es in der ökumenischen Diskussion zu einer einseitigen Weiterentwicklung des an sich so wertvollen Konzepts. In den 1960er-Jahren übernahmen immer mehr ökumenische Theologen den Begriff der Missio Dei im Sinn des holländischen und des amerikanischen Modells.51 Der missionstheologische Fokus richtete sich weg von der Kirche auf das Wirken Gottes in der Welt – ein Umstand, der in der ökumenischen Bewegung nicht nur auf Zustimmung stieß, sondern auch substanzielle Kritik hervorrief.52 Die Mehrheit aber hatte zu einem „neuen“ Missionsverständnis gefunden: An Gottes Mission teilhaben bedeute, in der Welt mit Gott zusammenzuarbeiten. Ziel sei es, Gottes Schalom aufzurichten. Die Rolle der Kirche sei es, „diese Mission zu bezeugen – weil von ihr zu erwarten ist, dass sie weiß, was vor sich geht – und sich ihr anzuschließen, und zwar in dem Sinne, dass sie mit den Bewegungen in der Welt zusammenarbeitet, die den Schalom fördern, sei es nun, dass sie eine christliche Basis haben oder nicht.“ 53

      Die Unterscheidung von Heilsgeschichte und Weltgeschichte, die in Willingen auf Drängen der deutschen Delegation noch aufrechterhalten worden war, wurde nun ganz aufgegeben.54 Damit einher ging ein verändertes Heilsverständnis und als Folge davon eine inhaltliche Neuausrichtung der Mission. Das Ziel war jetzt nicht mehr die Aufrichtung der Herrschaft Jesu durch die Verkündigung des Evangeliums, sondern die Herbeiführung des innerweltlichen Schalom durch christliches Handeln. Die Kirche war nicht mehr beauftragt, das Evangelium zu bezeugen und zum Glauben zu rufen, sie war jetzt nur noch Partnerin im Kampf für Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen und politischer Unterdrückung.

      Zur vollen Blüte kam dieses veränderte Heilsverständnis an der siebten ökumenischen Weltmissionskonferenz von Bangkok 1973. Das Eintreten für das Heil wurde zum politischen Kampf, durch den der Mensch Anteil habe am Erlösungswerk Gottes in der Welt. Heil bedeute Friede in Vietnam oder Nordirland. Im Bericht der Sektion II „Heil und soziale Gerechtigkeit“ heißt es:

      In dem umfassenden Heilsbegriff erkennen wir vier soziale Dimensionen des Erlösungswerkes: 1. Das Heil wirkt im Kampf um wirtschaftliche Gerechtigkeit gegen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. 2. Das Heil wirkt im Kampf um die Menschenwürde gegen politische Unterdrückung durch Mitmenschen. 3. Das Heil wirkt im Kampf um Solidarität gegen die Entfremdung der Menschen. 4. Das Heil wirkt im Kampf um die Hoffnung gegen die Verzweiflung im Leben des Einzelnen.55

      Heil wird hier seiner eschatologischen Dimension beraubt und auf ein zwischenmenschliches Ereignis reduziert. Bangkok führte zu einer Umdeutung des Heilsverständnisses und damit zu einer radikalen Neuorientierung der Mission. Nicht mehr der Glaube an Christus und der Ruf zum Glauben standen im missionarischen Fokus. Es ging jetzt um die Verwirklichung des Heils im Diesseits durch den politischen Kampf. Die Missio Dei war auf Grund gelaufen.

      Es kommt nicht von ungefähr, dass der Begriff der Missio Dei als „Containerbegriff“ bezeichnet wird, in den jeder das hineinlesen kann, was er will. So erstaunt es nicht, dass sich in der ökumenischen Missionstheologie das Schlagwort Missio Dei zwischen Willingen und Bangkok von seiner ursprünglichen Bedeutung emanzipierte

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