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werden? Als Antwort auf diese Frage kristallisierten sich in Willingen drei unterschiedliche Missionsmodelle heraus:29

      Da war zunächst das heilsgeschichtliche Modell, das vor allem von der deutschen Delegation vertreten wurde. Die Mission steht nach diesem Modell ganz im Zeichen der Eschatologie. Mission kann nur im Blick auf das Ende richtig verstanden werden. Am Ende aber erscheint Gott in der Person seines Sohnes Jesus Christus als Richter, vor dem sich alle Menschen verantworten müssen. Die Mission ist der heilsgeschichtliche Sinn der Zwischenzeit zwischen der Himmelfahrt Christi und seiner Wiederkunft. Bevor sich diese ereignen kann, muss das Evangelium zur Rettung der Menschen verkündigt werden; dann wird das Ende kommen. In diesem Modell spielt die Kirche eine zentrale Rolle: „Die Kirche ist mit ihrer Mission das Werkzeug ihres Herrn bei der Durchführung seines Heilsplans.“ 30

      Dem heilsgeschichtlichen stand das verheissungsgeschichtliche Modell gegenüber, das hauptsächlich von den Holländern eingebracht wurde. Für sie war die gegenwärtige Zeit nicht bloß eine Zwischenzeit zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft. Vielmehr ist ihrer Auffassung nach zu betonen, dass mit dem Kommen Jesu das Reich Gottes angebrochen ist. Nicht das kommende Reich, sondern das gegenwärtige Reich steht im Zentrum der Überlegungen. Es geht in der Mission um die Gegenwart des Königreichs Gottes unter den Menschen und um die Anteilhabe der Kirche an diesem Werk. Die Kirche „geht als Werkzeug des Herrn mit den Aposteln hin, das Reich Gottes der Welt anzuzeigen und Zeichen des Schalom Gottes aufzurichten.“ 31 Die Kirche hat also nicht nur durch Verkündigung, sondern ebenso durch die christliche Tat Anteil am Wirken Gottes in der Welt.

      Ein trinitarisches Modell vertrat nicht zuletzt die gewichtige nordamerikanische Delegation. Nach diesem Modell ist Gott sowohl der Herr der Kirche als auch der Welt. Um Gottes Handeln in der Kirche und in der Welt zu begründen, wird auf die Trinitätslehre zurückgegriffen. Die missionarische Verpflichtung der Kirche ist in der aus sich herausgehenden Aktivität Gottes begründet, der alle Menschen in seine Gemeinschaft ruft. Die Betonung liegt auf dem Wirken Gottes in der Welt. Im Kommissionsbericht „Why Missions?“ heißt es: „He is not only the Head of the Church but ahead of both the Church and the world, ‚making all things new‘“.32 Die Kirche muss sich, um Anteil an Gottes Wirken zu haben, der Welt zuwenden. Ein Missionsverständnis, das sich mit der Rettung von Seelen begnügt, wird abgelehnt.33 Stattdessen geht es in der Mission, ähnlich wie im verheißungsgeschichtlichen Modell, um die Verwandlung der Welt: „Die Mission der Kirche ist nichts anderes als die dynamische und vollständige Antwort auf die dynamische Aktivität des dreieinigen Gottes im Evangelium und in der gegenwärtigen Situation und zielt auf die Transformation des individuellen wie kulturellen Lebens der Menschen.“ 34

       Heftiges Ringen

      Die unterschiedlichen Missionsmodelle zeigen, wie breit das missionstheologische Spektrum in Willingen war. Dass diese nicht auf einen einfachen Nenner zu bringen waren und dass damit Spannungen vorprogrammiert waren, liegt auf der Hand. Das von den Amerikanern vertretene Modell war äußerst optimistisch. Es war beeinflusst vom Social Gospel. Dieses ging von der Auffassung aus, dass sich das Heil in der Veränderung sozialer Strukturen zeigt und Demokratisierung und Fortschritt bewirkt.35 Ähnlich optimistisch war das Modell der Holländer. Es sah Gott dort am Werk, wo Fortschritt in der Weltgeschichte sichtbar wurde. Diesen Optimismus konnten die Deutschen nicht teilen. Sie hatten unter dem Nationalsozialismus Adolf Hitlers schmerzhaft erfahren, wie ein politischer Messianismus in die Katastrophe mündete.

      Wie sollte der eschatologisch ausgerichtete Ansatz der Deutschen mit den optimistischen Ansätzen der Holländer und der Amerikaner unter ein Dach gebracht werden? Folge dieser kaum überbrückbaren Ansätze war ein heftiges Ringen um die richtige Verhältnisbestimmung der Mission. Sautter beschreibt eindrücklich, wie vor allem um die Bedeutung der Heilsgeschichte in der Mission debattiert wurde.36 Es gelang zwar, wichtige Anliegen des heilsgeschichtlichen Ansatzes aufzunehmen, aber im Grunde genommen hatten der holländische und der amerikanische Ansatz ein Übergewicht geschaffen. Günther fasst das Ringen um eine gemeinsame Sicht so zusammen:

      Erst nach mehreren Anläufen gelingt es am Ende der Tagung, diese verschiedenen Begründungen der Mission in einer gemeinsamen Erklärung zusammenzufassen. Es ist ein Kompromiss, in dem diese Ansätze relativ unverbunden nebeneinander gestellt werden. Aber allen Erklärungsmustern ist ein wesentliches Element gemeinsam, nämlich dass die Mission letztlich in Gott selbst ihren Ursprung hat. Er selbst begründet die Mission. Sie ist letztlich Gottes Sache. Es ist sein Heilsplan, bei dem er die Mission der Kirche in der Zwischenzeit als sein Werkzeug benutzt. Es ist sein gegenwärtiges Reich, das die Kirche in ihrem Apostolat der Welt bezeugt. Es ist der dreieinige Gott selbst, der als Schöpfer, Sohn und Heiliger Geist missionarisch auf die Welt zugeht. Mit ihrer Mission reagiert die Kirche (nur) auf dieses Handeln Gottes. Nicht menschliches Wollen begründet also die Mission, nicht die Kirche ist der Träger der Mission, sondern sie geht von Gott selbst aus, die Kirche hat nur Anteil an dieser Mission, die immer Gottes Mission bleibt.37

      Entsprechend dieses Ringens um eine gemeinsame Position heißt es in der Abschlusserklärung der Konferenz relativ unkonkret:

      Die Missionsbewegung, von der wir Teil sind, hat ihren Ursprung in dem dreieinigen Gott. Aus den Tiefen seiner Liebe zu uns hat der Vater seinen eigenen Sohn gesandt, alle Dinge mit sich zu versöhnen (…) Als dieses Werk vollbracht (…) war, sandte Gott seinen Geist, den Geist Jesu (…) In Christus sind wir erwählt, mit Gott versöhnt durch ihn, zu Gliedern seines Leibes, Teilhabern seines Geistes und durch die Hoffnung auf sein Reich zu Erben gemacht, und durch eben diese Tatsachen sind wir zur vollen Teilnahme an seiner rettenden Sendung bestimmt. Man kann nicht an Christus teilhaben, ohne teilzuhaben an seiner Mission an die Welt. Die gleichen Taten Gottes, aus denen die Kirche ihre Existenz empfängt, sind es auch, die sie zu ihrer Weltmission verpflichten. ‚Wie mich der Vater gesandt hat, also sende ich euch.‘38

      In der Erklärung der erweiterten Versammlung des Internationalen Missionsrates vom 19. Juli 1952, der im Anschluss an die Konferenz tagte, heißt es, diesen Faden aufnehmend, prägnant:

      Die Berufung der Kirche zur Mission und zur Einheit entspringt aus Gottes eigenem Wesen, wie es uns entgegentritt in der gesamten biblischen Offenbarung über das Werk und den Plan Gottes in Christus.39

      Damit war die Mission in Gottes Wesen und mit dem Hinweis auf Joh 20,21 in der Sendung Jesu verankert. Diese doppelte Verankerung der Mission sollte eine beeindruckende Wirkungsgeschichte erfahren. Wesentlichstes Ergebnis von Willingen war die Erkenntnis, dass die Mission ihren Ursprung in Gott selbst hat. Diese Verankerung der Mission im Wesen Gottes hatte zunächst eine befreiende Wirkung. Neu wurde bewusst: Christliche Mission ist Gottes Mission! Gott selbst ist in der Mission am Werk! Das wirkte angesichts des schwindenden Einflusses des Westens und der kommunistischen Drohkulisse wie eine Erlösung.40 So befreiend diese Erkenntnis angesichts der Krise der Mission war – sie konnte nicht über grundsätzliche Differenzen hinwegtäuschen. Man fand nur zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung, weil die unterschiedlichen Sichtweisen nebeneinander gestellt wurden. So blieb das Wesen der Mission unscharf. Das sollte sich in den auf Willingen folgenden Jahren als verhängnisvoll erweisen.

       Hartenstein und die Missio Dei

      Das Konzept der Missio Dei geht, wie wir gesehen haben, auf Willingen zurück. Der Begriff kommt in den Dokumenten der Konferenz allerdings nicht vor und er wurde auch in den Diskussionen während der Konferenz nicht verwendet. Er wurde erst im Nachhinein von Karl Hartenstein, dem württembergischen Prälaten und ehemaligen Direktor der Basler Mission, kreiert, um die Stossrichtung des Missionsverständnisses von Willingen wiederzugeben.41 In den Worten von Hartenstein:

      Die Mission ist nicht nur die Bekehrung der Einzelnen, sie ist nicht nur Gehorsam gegen ein Wort des Herrn, sie ist nicht nur Verpflichtung zur Sammlung der Gemeinde, sie ist Anteilhabe an der Sendung des Sohnes, der Missio Dei, mit dem umfassenden Ziel

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