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Der Glücksbecher von Willerstein. Anny von Panhuys
Читать онлайн.Название Der Glücksbecher von Willerstein
Год выпуска 0
isbn 9788711570203
Автор произведения Anny von Panhuys
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Arbeit, Arbeit war das starke Seil gewesen, an dem er hinaufgeklettert aus der Enge des Frankfurter Gäßchens. Arbeit, viel Arbeit. Aber Freude hatte sie ihm gegeben, die Arbeit, nie hatte er ihre Last gespürt, nie war sie ihm Feindin, immer nur Freundin gewesen.
Die junge Dame, die ihm zur Seite schritt, deutete wohl sein etwas langes Schweigen falsch.
„Verzeihen Sie, es war vielleicht unbescheiden, Sie so schlankweg als Fremdenführer in Anspruch zu nehmen, möglicherweise haben Sie Wichtigeres vor.“
Er widersprach lebhaft.
„Aber ich bitte Sie, mein Fräulein, dann hätte ich das unbedingt gesagt, nein, ich habe wirklich genügend Zeit, um Sie sogar kreuz und quer durch Frankfurt zu führen. — Doch dürfte Ihnen mein Wissen nur hier in dem alten Stadtteil von Nutzen sein, hier hat sich nicht allzuviel geändert, — aber sonst — —. Du lieber Himmel, wie hat sich die Mainstadt herausgemacht, seit ich sie vor zwanzig Jahren verließ.“
„Zwanzig Jahre“, wiederholte die junge Dame und zog die schmalen dunklen Augenbrauen hoch, so alt bin ich gerade vor einigen Wochen geworden.“
„Anne“, mahnte die Ältere.
„Ach, lassen Sie uns doch plaudern, Tante Brinken, komme sonst wenig genug dazu“, lachte der Jungmädchenmund.
Lorenz Hammerschlag freute sich des frischen Wesens der jungen, einfach aber vornehm gekleideten Fremden und unwillkürlich ging er auf den Ton ein.
„Vor vier Wochen jährte es sich zum zwanzigsten Male, seit ich, als armer Glücksritter aus Frankfurt auszog.“
„Vor vier Wochen jährte es sich zum zwanzigsten Male, seit ich, jedenfalls mit einem äußerst angenehmen Freudengeschrei, das Licht der Welt begrüßte.“
Sie lächelten sich beide, über die Entdeckung, die sie eben gemacht, an.
Die ältere Dame zog die Schultern wie fröstelnd zusammen. Was fiel nur der Anne ein, sich so zwanglos mit diesem Manne zu unterhalten, von dem man so gar nichts wußte, als daß er in einer engen Gasse Altfrankfurts geboren ward und vor langen Jahren seine Vaterstadt als „armer Glücksritter“ verließ. Er sielbst hatte sich dieses Ausdruckes bedient.
Graf Ferdinand Zettingen-Willerstein liebte dergleichen Bekanntschaften nicht, und wenn er davon erführe, würde es eine schöne Strafpredigt setzen.. Selbstverständlich trüge sie, Malvine von Brinken, die Schuld, daß so etwas überhaupt vorkam. Sie hörte bereits im Geiste die überlaute Stimme des Grafen, wie er sie abkanzelte: Meine liebste Brinken, Sie werden alt, man kann sich nicht auf Sie verlassen. Eine Komtesse Zettingen-Willerstein macht eben keine Straßenbekanntschaft, selbst wenn sie inkognito reist. Um solche Ausfälle Annes zu verhindern, sind Sie da, meine liebe Brinken, und ich bitte Sie, davon Notiz zu nehmen!
Malvine von Brinken schauerte bei der Ausmalung des Schrecknisses nochmals zusammen, und dann sagte sie, so fest es ihr der Jüngeren gegenüber möglich war:
„Anne, wir wollen uns eilen, weil wir uns noch umkleiden müssen, denn wir haben doch Plätze für die Oper genommen.“
„Aber Tante Brinken, eins nach dem anderen, jetzt muß erst Altfrankfurt erledigt werden“, lächelte die junge Dame, und ein kleiner spitzbübischer Blick suchte den Blick des Mannes. Ein Blick, der zu sagen schien: Ich habe gar keine Eile, erkläre und zeige mir nur in aller Ruhe, was es hier zu erklären und zu zeigen gibt.
Aber zugleich fühlte Lorenz Hammerschlag einen strengen Blick der alten Dame auf sich ruhen.
Ich habe mich noch nicht vorgestellt, zuckte es ihm durch den Kopf, vielleicht störte diese kleine Vergeßlichkeit die alte Dame. Nun, das konnte er nachholen. Er zog den Hut und nannte seinen Namen.
Name ist Schall und Rauch, dachte Malvine von Brinken ärgerlich. „Lorenz Hammerschlag“, das verriet gar nichts. Der Träger des Namens konnte ebensogut ein Hochstapler sein, wie der Inhaber eines Ladens oder ein Fabrikbesitzer. Und ihr war es, als habe sie den Namen schon öfters gehört — aber sie wußte ihn nirgends unterzubringen.
Sie zog ein sauersüßes Gesicht. Immerhin blieb es ihr nicht erspart, die Höflichkeit zu erwidern.
„Ich heiße Malvine Brinken, und dies ist meine Pflegetochter Anne Zettingen.“
„Frau oder Fräulen Brinken?“ fragte er höflich.
Die graugekleidete Dame zuckte zusammen, als wäre ihr ein körperlicher Schmerz zugefügt worden. Ein empörter Blick irrte wie anklagend zur blauen Himmelsdecke empor, aber die Lippen blieben fest geschlossen.
„Frau, bitte, Frau Brinken“, übernahm Anne statt ihrer Erwiderung, und es war dem Manne, als liefe ein bißchen Spott neben der Antwort her.
Aber schon in nächster Minute fand Lorenz Hammerschlag, daß er sich das wohl nur eingebildet habe, denn die junge Dame war mit vollster Aufmerksamkeit bei dem, was sie sah. Er kam gar nicht dazu, viel zu erklären, sie plauderte, was hier und dort in den alten Häuschen mit den vorstehenden oberen Stockwerken wohl alles geschehen sein könne. Sie las die Inschriften über den Haustüren und lächelte. Da war links der prächtige Bau „Zur goldenen Waage“, weit hielt ein Arm eine goldene Waage hinaus. Nicht weit davon die Häuschen „Zum kleinen Vogelsang“ und „Zum Weißfisch.“
Anne sprach die Hausnamen förmlich andächtig aus.
Sie gingen wieder bis zum Hühnermarkt zurück, und Anne bog in die Gasse „Hinter dem Lämmchen“ ein.
„Darin bin ich geboren“, Lorenz Hammerschlag zeigte auf das Haus „Zum alten Uhu“. Er sagte es ruhig und selbstverständlich.
„Ohhh —!“
Nur diesen langgezogenen Laut brachte die alte Dame hervor, aber er ersetzte ganze Bände.
„Das Haus sieht müde aus, — die anderen ringsum haben frohere Farben“, meinte Anne.
„Es ist in den letzten Jahren hier viel erneuert und ausgebessert worden, wie ich hörte“, gab er zurück und öffnete den breiten Torgang des Hauses gegenüber dem „Alten Uhu“.
Man trat ein.
„Wie wunderhübsch“, begeisterte sich Anne und stand mit einem leichten Staunen in den braunen Augen und ließ die Blicke umhergleiten.
„Ein wirkliches Stückchen Mittelalter.“
„Das ist der Hof zum ‚Lämmchen‘“, erklärte Lorenz Hammerschlag, „und wir haben ähnliche, aber für meinen Geschmack nicht ganz so schöne Bilder am Domplatz im ‚Hainer Hof‘ und ‚Köppler Höfchen‘.“
Er erzählte ein paar halb sagenhafte Geschichten, die sich hier zugetragen haben sollten, und freute sich der reizenden Zuhörerin, deren Züge einen verträumten Ausdruck trugen.
„Anne, wir dürfen nicht mehr länger säumen“, mahnte die alte Dame und schreckte die beiden auf, die sich ganz in die alten Zeiten versenkt hatten, die alte Zeit, deren Odem man hier noch so lebendig spürte, hier in dem Hof, um dessen kleine Häuser geschnitzte Holzgalerien führten.
„Verzeihung, Frau Brinken, ich verlor mich in Weitläufigeiten!“
Lorenz Hammerschlag trat beiseie, um die Damen durch den Torweg voranzulassen.
Malvine Brinken krauste die Stirn und ging neben den beiden her, als sei sie stumm.
Lorenz Hammerschlag machte noch auf das „Steinerne Haus“ aufmerksam, auf das Haus „Zu den drei Römern“ und „Zu den zwölf Himmelszeichen.“
Das Schaufenster eines Antiquars zog Annes Aufmerksamkeit