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immer noch mittendrin oder haben es hinter uns gelassen. Dieses Buch ist kein spezielles Corona-Buch – wie sollte es auch: Es wurde ja davor geschrieben. Aber das, was Gott schon vor über zwei Jahren an Themen in mir vorbereitet hat, das passt in unser Während-oder-Nach-Corona-Leben so unerwartet gut, dass ich nur staunen kann. Wundere dich also nicht, wenn sich dieses Buch um die Kämpfe unseres Lebens dreht und dennoch an keiner Stelle explizit auf Corona eingeht.

      Gott ist derselbe – gestern, heute und morgen. Und er hält immer weites Land für uns bereit, ganz unabhängig von den Umständen.

      Elena Schule,

      im November 2020

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      PROLOG

      Ich habe das große Privileg, auf dem Land zu wohnen. Zugegeben – wenn man die neuesten Trends shoppen möchte, muss man das online machen, und auch angesagte Locations sind eher spärlich gesät. Aber wenn es zum Beispiel um unvergleichliche und atemberaubende Sonnenaufgänge geht, möchte ich meinen Wohnort gegen kein noch so hippes Großstadtapartment eintauschen. Unser Wohnzimmer hat eine große Fensterfront, die gen Südosten ausgerichtet ist, und gleich hinter unserem Haus beginnt nahezu unberührte Natur!

      Wenn am frühen Morgen die Sonne aufgeht, bietet sich uns bei klarem Himmel fast immer ein wunderschönes Bild: Der Horizont leuchtet in einer sich ständig wandelnden Mischung aus Feuerrot und Orange über Violett bis hin zu Zartrosé – Farben, die nur die Natur selbst zu malen vermag. Die Felder, die sich hinter unserem Haus erstrecken, sind noch vom Tau der Nacht bedeckt und das angrenzende Tal sieht aus, als hätte jemand eine riesengroße Kanne schneeweißen Nebels darin entleert. Auch wenn das jetzt wie die Szene eines zu kitschigen Heimatfilmes klingt, so ist es doch nicht selten, dass ein Hase durch dieses Bild unberührter Schönheit hoppelt oder ein Reh mit seinen Kitzen kurz zum Äsen anhält. (Okay, die Rehe haben auch schon einen Abstecher in unseren Garten gemacht und die frischen Rosenknospen abgefressen – aber das tut an dieser Stelle eigentlich nichts zur Sache.)

      Da ich ein Morgenmensch bin, stehe ich gerne früh auf, setze mich in unser noch dunkles Wohnzimmer, beobachte dieses Naturschauspiel und genieße den Frieden und die Reinheit des neuen Tages. Und nahezu jedes Mal wünsche ich mir, dass ich solche Momente konservieren könnte, um sie bei Bedarf mitten im lauten, vollen und herausfordernden Alltag einfach hervorzuholen und mich in sie hineinzuflüchten. Mehr noch: Ich wünsche mir, dass ich meinen lauten, vollen und herausfordernden Alltag eintauschen könnte gegen diese Stille, diese Schönheit und diese einladende Weite. Da wäre Raum zum Gestalten, Raum für weise Gedanken, Raum für tiefe Begegnungen, Raum für bedeutungsvolles Nichtstun, Raum für zielgerichtetes Handeln, Raum für Fröhlichkeit, Leichtigkeit, Glück und Wesentliches.

      Ein Lebensland, das vor Möglichkeiten nur so strotzt.

      Aber machen wir uns nichts vor: Das wahre Leben hat meist wenig zu tun mit Unberührtheit, Idylle und sonnendurchflutetem Frieden. Diese Erkenntnis holt mich immer spätestens dann wieder ein, wenn nur wenige Sekunden später entweder ein forderndes »Maaaaaaama, ich bin waaaaaaaach« von unserer Jüngsten kratzig durch das Babyfon schallt oder in der oberen Etage eine Tür knallt, weil sich mein Sohn und meine Tochter – noch sehr unfertig für den Tag – im Bad begegnet sind und sich erst mal ordentlich angeblafft haben. Die meisten Tage unseres Lebens gleichen eher einer Krisengebietsreportage als einem Heimatfilm.

      Und noch während ich diese Worte schreibe, ahne ich bereits, dass vermutlich noch so mancher Kampf vor mir liegen wird, bis ich den letzten Buchstaben dieses Buches getippt haben werde. Alleine in den letzten fünf Minuten habe ich mehr Zeilen wieder gelöscht als hinzugefügt, weil sich meine Gedanken heute nur schwer sortieren lassen und ich auch schon wieder mindestens vier Mal unterbrochen wurde. Dabei freue ich mich so auf jeden Gedanken, den ich hier festhalten werde, auf die Reise, die sich beim Schreiben von Zeit zu Zeit wie von selbst entwickeln wird, und auf das fertige Buch, das am Ende hoffentlich vielen Leserinnen und Lesern ein segensreicher Wegbegleiter auf einem Abschnitt ihres Lebens werden wird. Ich freue mich, es kribbelt in meinen Fingern, das Gestalten und Erschaffen lockt mich – und doch weiß ich jetzt schon, dass es nicht immer leicht sein wird und ich bestimmt zwischendurch sogar das ganze Projekt abbrechen möchte – wieder dicht gefolgt von neuem Mut und neuer Vorfreude auf das, weswegen ich einmal angefangen habe.

      Hand aufs Herz: Lässt sich darin nicht ein grundsätzliches Muster für unser Leben erkennen? Etwas liegt vor uns wie ein Stück friedliches, unberührtes und einladendes Land. Dieses »Etwas« lässt sich ganz unterschiedlich füllen: eher klein mit »ein neuer Tag« oder »ein neues Projekt« oder weitaus größer mit »ein Umzug«, »ein neuer Lebensabschnitt« oder »ein großes Wagnis«. Wir sind hoch motiviert, unser vor uns liegendes Lebensland zu genießen, zu erkunden, es einzunehmen und all seine Winkel zu entdecken. Schon Hermann Hesse schrieb in seinem Gedicht »Stufen« sehr passend: »Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne!«1

      Aber dann geschieht irgendetwas. Es scheint, als würde sich etwas zusammenbrauen. Manchmal sind es nur ein paar einzelne Störenfriede – kleinere Unterbrechungen –, manchmal scheint es aber auch eine ganze Armee zu sein, die in unser Land einfällt und in verschiedenen Gebieten und Landstrichen fast unaufhaltsam Kriege und Schlachten anzettelt.

      • Wir erleben Streit in einer sonst so harmonischen Beziehung.

      • Alte Muster unserer Vergangenheit lähmen immer wieder unser Verhalten in der Gegenwart.

      • Unser Kind hat plötzlich massive Schulprobleme.

      • Auf der Arbeit entpuppt sich ein Kollege als zunehmend schwierig.

      • Wir empfinden unsere eigene Schaffenskraft als minderwertig und unbrauchbar.

      • Die persönlichen Finanzen schwinden durch unvorhersehbare Geschehnisse dahin.

      • Eine Krankheit überfällt uns oder einen uns lieben Menschen.

      • Unser Terminkalender führt ein Eigenleben und frisst uns auf.

      • Sorgfältig geplante Veränderungen für die Zukunft werden durch unsere Inkonsequenz dahingerafft.

      • Der Glaube an Gott wird zunehmend einengend, anstatt uns auf weiten Raum zu stellen.

      Die Kampfplätze sind vielfältig, so wie es auch unser Leben selbst ist. Doch die Konsequenzen sind immer dieselben: Leichtigkeit wird schwer. Motivation wird gebremst. Weite wird eng. Mut wird eingeschüchtert.

      Mit anderen Worten könnte man auch sagen: Das Leben passiert. Über uns und der ursprünglichen Harmonie unseres Lebenslandes prangen plötzlich die wenig verheißungsvollen Worte »gestört«, »irritiert« und »durcheinandergebracht«: irritierte Identität, gestörte Beziehungen, durcheinandergebrachte Pläne und Gaben.

      Doch was passiert da eigentlich genau? Wer sind diese feindseligen Störer? Wieso haben sie überhaupt Zutritt zu meinem Lebensland? Werde ich sie je wieder los, und wenn ja, wie? Und ist es möglich, sich in seinem Lebensland zufrieden und erfüllt zu entfalten, auch wenn noch nicht jeder Kampf beigelegt wurde?

      Ich möchte dich auf den folgenden Seiten einladen, mich durch verschiedene Länder zu begleiten. Das heißt, eigentlich ist es ein und dasselbe Land, wir wollen es lediglich aus verschiedenen Perspektiven beobachten.

      Zunächst liegt das Sehnsuchtsland vor uns. Stell dir vor, du sitzt wie ich frühmorgens am Fenster und schaust hinaus aufs Leben. Es bietet weiten Raum, der dich aufatmen lässt, Freiheit, die dir im Herz und in den Fingern kribbelt, und Platz zum Gestalten, der dich einlädt und täglich neu deine Abenteuerlust weckt. Und ganz viele »Landabschnitte« deines Lebens erfüllen tatsächlich diese Weite-Attribute: deine Ehe, deine Familie, dein Job, deine Berufung, deine Träume, deine Freundschaften, dein Glaube – zumindest in ihrer ursprünglichen Version. Doch plötzlich werden der Friede und die Freiheit in diesem Sehnsuchtsland bedroht und eine andere Realität zieht auf.

      Wir wechseln

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