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Provisionen für Konzerte vermitteln.

      Ob man bei mir Konzertkarten kaufen könne? – Nein, ich habe mit der Veranstaltung vor Ort nichts zu tun.

      Ob ich mit meinen Künstlern zu ihren Konzerten mit herumreise? – Nein, ich fahre zu manchen ihrer Konzerte hin, um die Künstler zu hören und zu treffen, aber mitreisen tue ich nicht.

      Ob ich die Konzertkleidung aussuche und mit dem Künstler einkaufen gehe? – Auf gar keinen Fall!

      Bestimmt habe ich einen tiefen Einblick in das Privatleben meiner Künstler; ob ich denn mit ihnen auch befreundet bin? – Nein. Ich halte mich prinzipiell vom Privatleben der Künstler so fern wie nur möglich. Aber es spielt bei der Planung und den Logistikfragen natürlich eine Rolle, und ich kann aus den Nichtigkeiten des Alltagsbetriebs vieles erspüren. Zweifel, Sorgen und Verzweiflung, Müdigkeit, Überdrüssigkeit, Zerbrechlichkeit und Unsicherheit vermitteln sich durch ganz banale Fragen des Alltags. Worum es sich dabei genau handelt, wenn es im privaten Bereich liegt, erfahre ich – wenn es sich nicht unmittelbar auf ein Konzert auswirkt – womöglich nie.

      Und nein, ich bin mit meinen Künstlern nicht per se befreundet. Ein freundschaftlicher Umgang miteinander ist natürlich wünschenswert, ein grundsätzliches Vertrauen, Respekt und vor allem das Miteinander-Reden- und möglichst auch -Lachen-Können. Manche Beziehungen sind etwas stürmischer, keine ist neutral, aber Freundschaft ist nicht die Basis eines professionellen Verhältnisses zwischen Agenten und Künstler. Freundschaften (gar sehr schöne!) können allerdings über die Jahrzehnte daraus erwachsen!

      Ob ich etwa selbst Musikerin sei und mich in die künstlerischen Belange einmischen würde?? – Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich bin keine Musikerin, ich habe aber nach so vielen Jahren einer unmittelbaren »Erziehung« ein geschärftes musikalisches Ohr. Es geht in meiner Rolle auch nicht primär darum, zu beurteilen, ob eine Interpretation den Notentext ganz getreu wiedergibt; sondern vielmehr darum, ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob ein Künstler oder eine Künstlergruppe – insbesondere natürlich ein Streichquartett – etwas ausstrahlt, was über die Bühne hinausreichen kann, oder ob ein Künstler sich womöglich selbst bremst, weil er einem fremden Ideal hinterherhechelt. Ich kann und sollte zu Zeiten manches hinterfragen und im Idealfall versuchen, den Musiker zur Reflexion zu animieren und dadurch einen Prozess in Gang zu setzen. Wie viel davon in der Beziehung Agent-Künstler wirklich möglich ist und stattfindet, bleibt sehr individuell. Es sollte mit sehr leichter Hand geschehen und besser nur auf Initiative des Künstlers – ansonsten droht die Gefahr, als ungebetener Überbringer schlechter Nachrichten angesehen und nach dem Motto: »Schlagt den Boten« bestraft zu werden.

      Tatsächlich ist der Platz des Agenten ein faszinierender, kaum verortbarer, voller Widersprüche: Er ist dem Künstler an seiner empfindlichsten Eigenschaft ganz nahe, arbeitet unmittelbar an oder mit seiner Auseinandersetzung mit seiner Kunst, mit seinem Tragen seines Talents. Gerade deswegen ist es besonders wichtig, eine warme aber doch entschiedene Distanz zu bewahren und ihm zu ermöglichen, einen jederzeit zum Fremden zu machen, weil man vielleicht zu viel weiß.

       EINE EINGESCHWORENE GEMEINDE

      Für den, der ein Instrument spielen lernt, ohne den Ehrgeiz, daraus seinen Beruf zu machen, kann das Streichquartettspielen das höchste Ziel werden. Wer das Instrument so gut beherrscht, dass er sich an die Partituren der großen Meisterwerke der Kammermusik und insbesondere der Streichquartettliteratur wagen kann, dem steht eine wunderbare Zukunft als Amateurmusiker bevor. Ein großer Schatz, der ihn gegen die Frustrationen und Rückschläge des Alltags Trost finden lässt, durch den er auch mit anderen etwas wird teilen können, das kein Gespräch ersetzen kann.

      Streichquartettspielen ist a priori kein Beruf, es gibt das Wort Streichquartettist nicht! Es beschreibt lediglich eine bestimmte Form des gemeinsamen Musizierens und ein Repertoire, dem sich im Prinzip jeder, der eine Affinität zu dieser Musik hat, widmen kann. Das Streichquartett besteht aus zwei Geigen, einer Bratsche und einem Cello. Der Inbegriff von Hausmusik sind die vielen Streichquartette, die sich regelmäßig im privaten Raum treffen, um zu musizieren. Sie tragen keinen Namen, sie treten nicht öffentlich auf und bestehen in unveränderter Formation manchmal über Jahrzehnte.

      Diese Amateure sind aber nicht nur eifrige Instrumentalisten, sondern bilden auch den Kern des Kammermusikpublikums. Es ist ein kundiges Publikum, das den musikalischen Text kennt, gnadenlos präzise und fundiert kritisiert, gleichwohl zu großer Begeisterung fähig ist, weil es weiß und einschätzen kann, was zu dieser gemeinsamen Aufführung und Aussage, deren Zeuge man gerade ist, gehört. Immer wieder zückt jemand diskret (oder weniger diskret) eine Taschenpartitur samt spitzem Bleistift, um sich während des Konzertes eifrig Notizen zu machen. Das ist dann aber meist kein Kritiker, der anhand der Partitur pedantisch seine Rezension skizziert, vielmehr wird es sich um einen regen Amateurmusiker handeln, der sich für seine nächste Probe mit Argumenten wappnet. Es kommt vor, dass nach dem Konzert ein Zuhörer mit der Partitur zu den Künstlern geht und die eine oder andere ihm »fremd klingende« Interpretation besprechen, gar diskutieren will. Er wird nicht immer freudig empfangen!

      Verglichen mit dem Publikum bei Orchesterkonzerten, großen Solo-Recitals oder gar Opern, die alle mehr oder weniger Events ähneln (oder sind), wirkt das Streichquartettpublikum wie eine kleine eingeschworene Gemeinde von Musikliebhabern, die ins Konzert gehen wie Literaturliebhaber zu einer Lesung oder zu einem philosophischen Abend.

      Andächtige Gemeinde! Wenn bei einem Streichquartettkonzert ein Veranstalter auf die Bühne tritt, um eine Programm- oder Terminänderung anzusagen, habe ich immer die Phantasie, dass er gleich eine Predigt halten wird.

      Streichquartettmusik ist offenbar nichts für junge Leute. Das ist der Eindruck, den bekommt, wer das Durchschnittsalter des Quartettpublikums zu errechnen versucht. Kommt man auf einen Durchschnitt von ungefähr fünfzig Jahren, hat man ein Konzert erwischt, das von einem erstaunlich jungen Publikum besucht wurde. Besonders bei Konzerten junger Streichquartette fällt die Altersdiskrepanz zwischen Künstlern und Publikum auf. Vielleicht ist der Umstand, dass da so wenige junge Leute anzutreffen sind, darauf zurückzuführen, dass ein Streichquartettkonzert ernst, still und lang wirkt – was nicht heißt, dass es leise ist. Über zwei Stunden dieselben vier Leute auf der Bühne, ohne Umbau, ohne nennenswerte Bewegung, ohne großartige Eindrücke wie den ohrenbetäubenden Lärm eines Riesenorchesters oder die Faszination eines kleinen Menschen (stehend) vor einem Meer von Musikern (sitzend), dessen Stimme sich über das Ganze erhebt. Nein, vier Menschen sitzen mehr oder weniger im Kreis, miteinander »redend«.

      Weniger die vermeintliche leise Form schreckt die jungen Leute ab als der Ruf, der das Streichquartett umgibt. Das Streichquartett galt und gilt noch immer als hochintellektuell, eben nicht populär, sondern elitär, weshalb der Hörer, der von Musik nicht viel Ahnung hat, fürchtet, es würde schwer zugänglich und verständlich sein. So ist vielleicht zu erklären, dass die meisten Kammermusikkonzerte von privaten Vereinen – im modernen Sprachgebrauch würde man sie »Selbsthilfegruppen« nennen – veranstaltet werden, zu denen sich Liebhaber dieser Musik zusammengeschlossen haben, um diese überhaupt im Konzert hören zu können.

      Aus der Internet-Präsentation der Gesellschaft der Musik- und Kunstfreunde Heidelberg e. V. (2004):

      »Die in Heidelberg als MuKuH bekannte Gesellschaft wurde im November 1945 kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet. Der Hunger nach guter Musik und Kunst, insbesondere solcher, die in der Nazi-Zeit verboten war, ließ engagierte Bürger zur Selbsthilfe greifen: Die Gesellschaft veranstaltete ihre ersten Konzerte und Kunstreisen nach dem Krieg unter schwierigsten Bedingungen (z. B. wurde, wie aus alten Chroniken hervorgeht, darum gebeten, für Konzerte Holz und Kohle mitzubringen, damit der Konzertsaal ein wenig geheizt werden könne). Vorstands- und Beiratsmitglieder besorgen ehrenamtlich in ihrer Freizeit sowohl die Vorbereitung der Konzerte als auch deren Durchführung, von der Kontrolle der Eintrittskarten über den Verkauf der Abendprogramme bis zur Betreuung der Künstler.«

      Also ein Publikum, das zum großen Teil sich selbst der Sache verschrieben hat, vor dem der Nichtkenner Scheu hat, weil er sich in der Pause nicht wie die anderen über das richtige Tempo oder die ausgelassene

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