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über; unter schrägen Wänden, die meist getäfelt waren, standen bunt zugedeckte Betten, mal hier eines und eines dort, bäuerliche Kommoden dabei, drehbare Lampen, bei denen man, unterm Fenster sitzend, lesen konnte, die aber auch eine Eisenbahnanlage beleuchteten, die die Kinder durch alle Räume hindurch auf der Erde aufgebaut hatten. Man mußte vorsichtig darüber wegsteigen und sich auch immerzu wegen schräger Balken bücken, auf denen buntes Spielzeug stand, Schwedenpferdchen, weiß und blau und rot, oder an denen die Kinder bunte Wimpel und hübsche Pferdebilder angepinnt hatten. Petra war begeistert von der Eisenbahn.

      „Oh, mit der spielen wir auch!“ sagte sie sofort, „abends, wenn die Pferde und Hunde versorgt sind und –“

      „Ich denke, Eisenbahn spielen nur Jungen?“ fragte Mutter verwundert. Vater lachte.

      „Heutzutage, da Mädchen in Hosen herumlaufen und Jungen lange Locken tragen, gibt’s diese Unterschiede nicht mehr. Am liebsten würde ich selber mitspielen.“ Er kniete schon am Transformator und schaltete ihn ein. Ein rotes Licht flammte auf, und aus dem Nebenraum kam eine winzige Lok angeschnauft, die nur darauf gewartet zu haben schien, lostuckern zu dürfen. Und nun war Vater nicht mehr wegzukriegen; er mußte noch den anderen Zug laufen lassen ... Mutter stand ein bißchen wie auf Kohlen neben ihm, weil sie immer an ihre Jungen dachte. Frau Hartwig lachte und machte Petra ein Zeichen: Komm, wir lassen ihn spielen und gehen inzwischen zu den Pferden! Denn sie merkte natürlich, daß es die Mädchen dorthin zog.

      Dagmar verstand den Wink und ging voran, die Treppe hinunter, und dann kamen sie in einen Raum, der früher wohl die Milchkammer gewesen sein mußte. Von dort aus ging es in den Stall. Schon der vertraute Geruch hätte einen geleitet.

      Der Stall war groß und hell, enthielt Laufboxen, über deren Bretterwände die Köpfe der Pferde guckten. Sie reckten sich und bewegten die Lippen, weil sie hofften, etwas zugesteckt zu bekommen, und wieherten leise und vertraut. Man hörte das Wiehern kaum, denn es wurde übertönt von einem unausgesetzten Blaffen, einem „Wau – wau“ und „Weff-weff“, das einem in den Ohren gellte. Petra rannte dem Radau entgegen – da guckten über eine etwas niedrigere Bretterwand vier schwarze Köpfe mit schwarzen Nasen, blinkenden Augen, einer wie der andere, und rechts und links neben jedem Kopf sah man zwei dicke, dicke, merkwürdig unförmige Pfoten, schwarz mit weißen Tupfen. Wenn ein junger Hund große Pfoten hat, so kann man mit Sicherheit annehmen, daß er groß und wahrscheinlich auch dick werden wird. „Nach diesen Pfoten“, schrie Petra entzückt, als Dagmar ihr das erklärt hatte, „werden aus diesen vier Jungen elefantengroße Riesenhunde! So groß, daß man darauf reiten kann!“ Sie maß die vermutliche Höhe vom Boden her ab. „O Dagmar, wie schön! Dann haben wir sieben Hunde, einen schöner als den anderen.“ Sie hatte die Mutter der vier Sprößlinge entdeckt, die ruhig an der Schmalseite der Box lag und zu ihnen aufblickte. „Drei erwachsene und vier junge, wie wunderbar! Hat sie die vier auf einmal gekriegt?“

      Das war natürlich eine dumme Frage, aber Petra konnte in dem Tempo, in dem sie lebte, oft nicht überlegen. Dagmar lachte.

      „Vier? Sieben! Sieben waren es. Und so dumm ist es gar nicht gefragt, es ging gar nicht auf einmal, ich habe zwölf Stunden bei ihr gesessen. Die andern drei sind schon verkauft.“

      „Wie schade“, sagte Anja. „Aber das muß man wohl. Ich hab’ mal gehört, man darf einer Hundemutter nur sechs lassen. Wenn man ihr mehr läßt, werden sie alle miteinander mickrig. Die überzähligen muß man zu einer Amme bringen oder mit der Flasche aufziehen.“

      „Eigentlich ja“, gab Dagmar zu. „Aber wir haben ihr alle sieben gelassen, sie waren alle gleich schön und stark. Nun bekommen wir eben keine Papiere für sie. Aber so schöne Hunde kann man auch ohne Papiere verkaufen. Die Leute, die sie kaufen, dürfen nur nicht mit ihnen züchten.“

      Gerade kam Vater in den Stall.

      „Hier seid ihr“, wunderte er sich, „na ja, ich hätte es mir ja denken können. Auf einmal wart ihr weg und ich allein mit meiner Eisenbahn. Und dann fand ich mich oben gar nicht zurecht. Das ist ja das reinste Labyrinth, ich kam und kam nicht an die Treppe. Schließlich hab’ ich eine kleine Tür gefunden, und als ich die aufmachte, stand ich im Freien. Auf einem winzigen, ein wenig vorspringenden Dachsims. Ja, Anja, du kannst es glauben! Und weil dort eine kleine freundliche Leiter hinunterführte, kletterte ich also hinab und kam von außen an den Stall. Ihr Haus ist wirklich etwas Besonderes, Dagmar!“

      „Ach, Sie haben unsere Feuerleiter entdeckt“, sagte Dagmar und lachte. „Die haben wir gebaut, weil es da oben so verwinkelt ist. Cosy, unsere kleine Beinahe – Schwester, hatte die Idee. Sie meinte, wenn man innen nicht hinunterfindet, müßte man draußen etwas einrichten, um ausreißen zu können, wenn etwa einmal Feuer ausbräche. Unser Vater hörte sich das an und überlegte einen Vormittag lang, und dann ließ er die Luke und die Leiter bauen.“

      „Und wie man sieht: Ich fand die Treppe wirklich nicht, obwohl kein Feuer ausgebrochen war“, sagte Vater. „Es hat also sehr wohl seine Berechtigung, dies so einzurichten.“

      „Das müssen wir auch sehen! Da müssen wir auch runterklettern!“ rief Petra und zog Anja mit sich, aus dem Stall heraus und an die Längsseite des Hauses. Dort fanden sie wirklich das Leiterchen, und schon ging es in affenartiger Geschwindigkeit hinauf. Mutter, die etwas später kam, sah gerade noch Anjas Beine verschwinden.

      „Wenn sie aber nun –“

      „Du malst dir natürlich jetzt aus, daß sie nachts oder bei dickem Nebel zu der kleinen Tür herausfallen und sich Hals und Beine brechen“, sagte Vater belustigt und hakte Mutter unter, um sie ins Haus zu führen. „Denk doch ein einziges Mal daran, daß auch kleine Mädchen lieber mit ungebrochenen Beinen und Armen herumspringen und sich also schon ein bißchen in acht nehmen werden. Nicht wahr, Dagmar? Von Ihrer Leiter ist noch keiner gepurzelt?!“ Er zwinkerte Dagmar zu. Die lachte.

      „Nein, wahrhaftig. Und Anja und Petra sind ja schon groß. Als Hedi, meine richtige Schwester – sie ist vier Jahre jünger als ich – zehn war, also ungefähr so alt wie Anja, fuhr sie uns jeden Tag den Mist weg. Ganz selbständig. Wir packen den täglich anfallenden Mist auf einen Wagen, der am Stallausgang steht, und vor den spannte sie ganz allein unsere Lotte, fuhr den Mistwagen weg, lud ihn ab und brachte ihn leer zurück. Einmal ging ihr die Stute durch, es passierte Gottlob nichts, nur die eine Deichsel war verbogen, als Lotte endlich hielt und wir nachkommen konnten. Von da an aber sagte Vater, wir sollten jetzt den Mist gemeinsam wegfahren, es wäre doch sicherer. Ich meine also: Mit zehn Jahren ist man vernünftig genug, nicht nur selbständig arbeiten zu können, sondern sich auch in acht zu nehmen. Hedi war sehr geschickt abgesprungen, eben so, wie Vater uns das erklärt hatte. Da werden die beiden ja auch aufpassen, daß sie nicht von der Leiter fallen. Daß ich diesen blöden Knacks gekriegt habe“ – sie lachte und hob die verbundene Hand ein wenig an –, „das war einfach Pech. Ich bin in der Küche ausgerutscht und hab’ mich auf eine dumme Art abgestützt, als ich auf dem Hosenboden landete. So was kann jedem immer und überall passieren. Küchen sind in jeder Wohnung, dazu braucht man nicht aufs Dach zu klettern.“

      Das mußte Mutter zugeben.

      „Aber ihr klettert trotzdem nicht –“ setzte sie an, brach dann aber schnell wieder ab. Was nützte es, den Kindern Vorschriften zu machen, wenn man sie für viele Tage hier allein ließ. Mutter kam die eine Woche, die vorgesehen war, wie eine Ewigkeit vor. Anja war noch nie so lange von ihr fortgewesen.

      „Ich pass’ schon auf. Sie können unbesorgt sein“, tröstete Dagmar sie halblaut. „Ich bin es doch gewöhnt, auf Jüngere aufzupassen. Immer und bei jeder Gelegenheit heißt es: du als Älteste ... Das ist nun wieder der Tick meiner Eltern. Alles kommt immer auf mich.“

      „Wie man sieht, haben demnach alle Eltern einen Tick“, sagte Frau Hartwig vergnügt. „Auch solche, die ein derartig schönes Haus bauten. Ja, Dagmar, Ihr Zuhause ist wunderschön, und ich gönne es Petra, daß sie eine Woche hier wohnen darf. Nur lassen Sie sie nicht gar zu sehr verwildern, bitte! Einmal am Tag waschen ist vielleicht nicht übertrieben ...“

      „O nein. Und – sie sind ja zum Helfen gekommen“, sagte Dagmar ernsthaft. „Die vielen Tiere machen eine ganze Menge

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