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      Axel Rudolph

      Diamanten in Lüderitzbucht

      Kolonialroman

      Saga

      Diamanten in Lüderitzbucht

      © 1939 Axel Rudolph

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711445037

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Erstes Kapitel

      „Der Diamantberg,“ sagt Karl Staupe kurz, mit dem Kinn hinüberdeutend zu der gelben Kuppe, die sich über den Sandwellen und den armseligen, niedrigen Lagerschuppen und Häusern von Lüderitzbucht erhebt. Er sagt es ohne jede Beziehung auf die kostbaren Glitzersteine, und auch seine Begleiterin legt keinen Sinn in das Wort. Es ist nur ein Name. Der Berg heißt der „Diamantberg“, wie der Watzmann eben Watzmann heißt.

      Man schreibt das Jahr 1908, und die Siedlung hier an der afrikanischen Küste ist immer noch eine Sammlung primitiver Häuser, ein kleiner, bedeutungsloser Ladeplatz. Niemand verbindet mit dem Wort „Diamantberg“ einen tieferen Sinn.

      „Dazu hat man nun des Herrgotts märkische Sandstreubüchse verlassen, um hier unten Hunderte von Meilen in noch tieferem, unfruchtbarerem Sand herumzuwaten.“

      Karl Staupe zuckt die Achseln und wirft im Weiterreiten einen höhnischen Blick über die Schulter nach den von der Sonnenglut ausgetrockneten, öden Schuppen der „Stadt“. „Zum Glück ist die Bahn bald fertig, und ich kann wieder nach Windhuk abschwirren. Schätze, Sie werden auch nicht alt werden in diesem gottverlassenen Kral, Fräulein Zoe.“

      „Wer weiß, Herr Staupe?“ Zoe van Doemen läßt ihre Augen groß und ruhig über die gelben Hügelwellen gleiten. Ja, anders sieht es hier aus als drunten in Kimberley und Johannesburg, von Pretoria gar nicht zu reden. Aber gerade diese Einsamkeit, diese Ruhe einer Natur, deren Größe die paar winzigen Menschenameisen und ihre lächerlichen Werke hier aufsaugt, tut unendlich wohl nach dem Höllenfieber geldgieriger Massen, dem Strudel von Geschäften, überhastig emporschießender Städte da unten.

      Karl Staupe mustert von der Seite her die Gestalt seiner Gefährtin. Donnerwetter, ist das Mädel ebenmäßig gewachsen! Und wie rank sie im Sattel sitzt! Das unter dem breiten Tropenhut hervorquellende nußbraune Haar, das feine Profil ihres sonnverbrannten Gesichtes, die großen, sonderbar dunkelblauen Augen —.

      „Möchte wohl wissen, welcher Sklavenhändler Sie hierher in Gutzkes jämmerliche Begräbnis-Bar verschachert hat,“ sagt er aus seinen Betrachtungen heraus. „Wenn’s wenigstens noch Windhuk wäre!“

      „Ich bin freiwillig hergekommen, Herr Staupe, und fühle mich bei meinem Chef, Herrn Gutzke, ganz wohl.“

      „Freiwillig? Hm — na ja. Sklavenhändler ist der brave Gutzke aus Bütow im Pommerland allerdings nicht. Aber seine ‚Bar’ ist doch das jämmerlichste Hundeloch an der afrikanischen Küste. Was wollen Sie denn hier verdienen? Zahlen kann Ihnen Gutzke doch schwerlich viel!“

      „Er und seine Frau sind sehr nett zu mir, Herr Staupe. Ich bekomme Kost und Logis. Muß man denn immer ‚verdienen’?“

      Karl Staupe schweigt überrascht. Das ist ein ungewohnter Ton hier in Afrika. Selbstverständlich will man hier verdienen. Jeder, der hier ins Sonnenland gekommen ist, hat die stille Absicht, sich ein Vermögen zu schaffen. Karl Staupe schüttelt mißbilligend und verwundert den Kopf.

      „Sie sind also nicht enttäuscht von den Verhältnissen, die Sie hier gefunden haben?“

      „Nein. Es gefällt mir hier.“

      Die Antwort ist so kurz und abschließend, daß Karl Staupe das Thema fallen läßt und schweigt. Er denkt sich sein Teil. Diese ungewöhnlich schöne und junge Dame, diese Zoe van Doemen, die da plötzlich in Gutzkes sogenannter „Bar“ aufgetaucht ist, hat natürlich ihre Gründe, warum sie lieber in Lüderitzbucht leben will als in Kapstadt oder Johannesburg. Aber nach so etwas fragt man besser nicht. Hier in Afrika fragt man überhaupt wenig nach der Vergangenheit. Ob einer ein tüchtiger und anständiger Kerl ist, das zeigt sich bald genug, und — das genügt. Was einer früher gewesen, ist ja so gleichgültig! Hier gilt nur das Jetzt.

      Weiter geht der Ritt. Zoe van Doemens Körper strafft sich. Ihre Augen haben ein stilles Leuchten. Erinnerungsfetzen tauchen in ihr auf an die Kinderzeit, an Ritte mit dem Vater durch das Buschland am Vaal, an Koppjes und Farmen, Viehherden und knarrende Ochsentreks im Burenland. Freilich, etwas anders sieht die Gegend hier aus. So weit das Auge schaut, kein Baum, kein Busch, kein grünes Blatt! Nur Sand, heißer, gelber Wüstensand, bald endlose, glatte Flächen bildend, bald sich wölbend zu Dünenketten und Hügeln. Aber die große Einsamkeit ist dieselbe wie einst dort unten im Süden, der wolkenlose Himmel, die spitzen Sonnenpfeile und die ungeheure stille Weite der Natur, in der die kleinen Menschensorgen rettungslos versinken.

      Karl Staupe hat einen Bogen beschrieben und lenkt sein Pferd wieder der Bahnlinie zu, die sich wie ein unscheinbarer Strich durch die Namibwüste zieht. Ein halbes Dutzend schwarzer Ameisen kribbelt dort drüben im Sande herum, schwarze Bahnarbeiter, die hier an der Lenz-Bahn tätig sind. Und da ist auch ein Haus, eine ausgedörrte Bretterbude, die fast erdrückt wird von den gelben Sandhügeln, die sie auf drei Seiten umschließen.

      „Colmannskuppe nennt sich das hier,“ erläutert Karl Staupe und pariert seinen Gaul vor einem Streckenwärter, der beim Anblick der Reiter seine Arbeit eingestellt hat und grüßend durch den Sand heranwatet. „Tag, Mokat! Bauen Sie man Ihre Kulleraugen ab und machen Sie’n Windfang zu! Oder halten Sie uns für Wüstengespenster?“

      Der Streckenwärter Franz Mokat grinst verwirrt, aber er findet keine passende Entgegnung. Er steht da und starrt noch immer mit offenem Munde das Wunder an, das vor ihm auf dem Pferderücken sitzt. Ein Mädchen, eine Frau — so schön, wie Franz Mokat in seinem dürftigen Leben noch keine gesehen hat. Fräulein Hilde Stein, die Tochter des Prokuristen Stein von der Lüderitzbuchtgesellschaft, ist gewiß auch nicht häßlich, aber sie hat etwas Herbes, Hartes in ihrem Gesicht und ihrem ganzen Wesen, ein Pionierskind, das man ebensogut für einen Jungen halten könnte, wenn sie zu Pferde sitzt. Die da ist trotz ihres Reitanzuges eine Frau, eine schöne Frau!

      „Geistreich sehen Sie nicht aus, Mokat,“ spottet der Ingenieur Staupe. „Können Sie nicht wenigstens ihre Gedanken soweit sammeln, daß Sie uns einen Kaffee brühen?“

      „Bißchen doof, wie wir in der Mark sagen,“ fährt er, zu Zoe gewendet, fort, als Franz Mokat schweigend in seine Hütte schlürft und den Petroleumkocher in Gang bringt. „Sonst aber kolossal fleißiger Kerl. Der beste und zuverlässigste Arbeiter, den wir hier an der Bahn haben.“

      „Dann sollten Sie ihn nicht verspotten, Herr Staupe,“ sagte Zoe van Doemen ernst. „Er hat ein ehrliches, treuherziges Gesicht.“

      „Treu wie Jold,“ bestätigt Staupe lachend. „Aber deshalb braucht er doch nicht dreinzuschauen wie ein Mondkalb! Haben Sie gesehen, wie er uns eben anglotzte?“

      Ja, Zoe van Doemen hat es wohl gesehen. Franz Mokat hat nicht gelernt, sein Gesicht zu verschließen, und man kann wohl sagen, daß die Art, mit der er der fremden jungen Dame ins Gesicht starrte, wenig höflich war. Und dennoch hat Zoe van Doemen kein Gefühl aufdringlicher Belästigung dabei empfunden.

      Daß Männer sie anstarrten, ist sie längst gewohnt, sie hat gelernt, all diese zudringlichen Blicke mit einem halb verächtlichen, halb verständnisvollen Lächeln abzuwehren.

      Aber dieser schwerfällige Arbeitsmann hat sie vorhin ganz anders angeschaut. In seinen Augen war nichts von jener plumpen Schmeichelei, der zu

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