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vernichtendes Brennen, sondern ein reinigendes und offenbarendes (vgl. 2Mo 3,2; Joel 3,3). Gott zog des Nachts in der Feuersäule vor dem Volk Israel her (4Mo 9,15). Gottes Wesen ist gleichsam wie ein brennendes Feuer, denn er ist ein Gott voller Leidenschaft (5Mo 4,24; Ps 18,9; 79,5; Zef 1,18). Wird das Feuer als ein „verzehrendes Feuer“ bezeichnet, so kennzeichnet es zum einen seinen Zorn, seine zurückgestoßene Liebe,65 und zum anderen auch seine reinigende Heiligkeit. Dieses reinigende und gleichsam umschmelzende Feuer wird individuell, persönlich erfahren; der Geist „setzt sich auf einen jeden von ihnen“ (Apg 2,3; LU). Es durchbricht die Barrieren und führt in die Gemeinschaft mit Gott und untereinander.

      Darauf weist auch das Verständigungswunder hin. Die bei dem Pfingstereignis anwesenden Sprachgruppen repräsentieren exemplarisch alle Völker.66 Zum einen wird es als Sprachwunder erfahren, denn die Anwesenden reden in Sprachen, die sie offenbar nicht gelernt hatten (Apg 2,4); zum anderen wird es als Hörwunder wahrgenommen, denn die Anwesenden „hören sie … von den großen Taten Gottes reden“ (Apg 2,11). Es handelt sich bei dieser Form der Glossolalie (= Sprachenrede) offenbar um lebende Sprachen der damaligen Zeit. Dieses Sprachgeschehen führt zum Erstaunen und Entsetzen, aber es bringt zugleich eine neue universale Verständigung hervor. Dabei werden die eigenen Prägungen, Sprachen und Identitäten nicht aufgehoben, aber in eine neue differenzierte Einheit geführt.

      Die anwesenden repräsentativen Volksgruppen, Juden und Heiden, Frauen und Männer, Junge und Alte, Mägde und Knechte, sollen gemeinsam als Empfänger des Geistes und Zeugen Gottes verstanden werden. Das Sprachwunder in der Erfahrung der Glossolalie eröffnet eine neue Kommunikation mit Gott und auch eine neue Kommunikation unter den Menschen. Die Sprachbarriere (1Mo 11) wird überwunden; eine neue Gemeinschaft wird möglich, in der die Identität des Einzelnen nicht aufgehoben wird, aber in eine neue Identität der Kinder Gottes eingeführt wird.

      In der Apostelgeschichte wird gerade dieser Akzent deutlich herausgestellt (vgl. Apg 10,46; 19,6). Das Sprachenreden, welches Paulus in 1Kor 12–14 erläutert, kennt nicht nur diesen zeichenhaften, verkündigenden Charakter der Glossolalie (1Kor14, 21f), sondern auch das Moment der Anbetung und Weissagung (Apg 19,6). „Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen“ (1Kor 14,2; LU). Es handelt sich offenbar um unterschiedliche Ausprägungen der Glossolalie; sie kann allgemein verständlich sein, aber sie kann auch eine für Menschen nicht erkenntliche Rede sein, die der Auslegung und Deutung bedarf (1Kor 14,9).

      Die neue Kommunikation zu Gott und unter Menschen markiert das neue Zeitalter einer geistgewirkten Sprache nach der Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten. Es ist eine Kommunikation, die nicht durch den Verstand kontrolliert ist (1Kor 14,14), sondern die durch den Geist Gottes inspiriert wird. Anders verhält es sich mit der Weissagung. Sie geschieht in verständlicher Form, wenngleich der Offenbarungsempfang durch Visionen oder Träume geschehen kann. Darauf weist der Apostel durch das Joel-Zitat hin.

      Das eigentliche Wunder des Pfingstereignisses wird hierdurch nicht durch den Hinweis auf das Schwer- oder Unverständliche gedeutet, sondern in einer vom Geist Gottes kraftvoll gewirkten neuen Verständlichkeit. „Durch die Ausgießung des Geistes wirkt Gott das weltumspannende vielsprachige, polyindividuelle Zeugnis von sich, bezeugt sich Gott selbst in einem die Menschen – auf sie verwundernde und erschreckende Weise – vereinigenden Geschehen.“67 Der Hinweis auf die Joelverheißung (Joel 3,1–5) zeigt jedoch auf, dass dieses Pfingstgeschehen nicht nur die Menschen betrifft, sondern kosmische Auswirkungen hat. Sonne und Mond sind einbezogen und werden den Fortgang des neu angebrochenen Zeitalters der Gottesherrschaft durch die Veränderung anzeigen. Zudem wird darin die Universalität des Heilswirkens Gottes bezeugt, denn „wer, den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden“ (Joel 3,5; Apg 2,11; LU). Das Heil ist nicht nur auf einzelne Personen und auch nicht nur auf das Volk der Juden beschränkt, sondern darf von jedem erfahren werden, der den Namen des Herrn anruft. Die Ausgießung des Geistes Gottes ist nicht mehr an bestimmte religiöse Systeme, nicht mehr an Rituale gebunden, sondern ist für den einzelnen Beter zugänglich.

      Das Kernereignis von Pfingsten, der Empfang der Gabe des Geistes, muss jedoch nicht auf diesen einen Tag beschränkt bleiben. Die Gabe des Geistes ist für jeden bußfertigen und glaubenden Menschen gegeben. Die Botschaft der Predigt des Apostels Petrus bewegte die große Gemeinschaft, die bei dem ersten Pfingstfest zugegen war. Sie fragten den Apostel, was denn zu tun sei. „Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird“ (Apg 2,38–39). Daraufhin lassen sich etwa 3000 Menschen taufen.

      Die erste neutestamentliche Gemeinde war entstanden und die Mission des Geistes setzte sich weiter fort. Das Pfingstwunder kann man nicht wiederholen, aber die Gabe des Geistes kann jeder empfangen, der sein Vertrauen auf Jesus Christus setzt.

       e.Der Geist in der Mission und in der Gemeinde

      Vor allem die Apostelgeschichte des Lukas berichtet von dem Leben der ersten christlichen Gemeinden und der Mission in der Kraft des Heiligen Geistes. Die vom Geist Gottes neu geschaffene Gemeinschaft der Gläubigen verstand sich als „ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,4; LU). Diese Gemeinschaft sammelte sich auf der Grundlage der Lehre der Apostel und Propheten (Apg 2,42; 13,1; Eph 2,20). Sie traf sich in Einmütigkeit zur gemeinsamen Anbetung und zum Gebet (Apg 2,42; 3,1). Auch gemeinsame Mahlzeiten und die Feier des Abendmahls gehörten zu ihren regelmäßigen Gewohnheiten. Die Grundlage der Einheit konstituierte sich in der gemeinsamen Geisterfahrung, der gemeinsamen Lehre, dem gemeinsamen Gebet und dem Brotbrechen. Die erste Gemeinschaft der Gläubigen war auch geprägt durch ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft und Liebe. Das frühgemeindliche Leben wirkte einladend und hatte einen ganzheitlichmissionalen Charakter (Apg 2,47). Immer wieder berichtet Lukas, wie man sich im Frühchristentum der Hilfsbedürftigen und Armen annahm. Bei der Lösung auftretender Fragestellungen wurde nach Menschen gesucht, die mit dem Heiligen Geist erfüllt waren (Apg 6,1ff). Heuchelei wurde in der Kraft des Geistes und durch göttliche Offenbarung aufgedeckt (Apg 5,9). Schwerwiegende Lehrfragen wurden in Offenheit und mit aller Schärfe ausgetragen, aber die Entscheidungen in der Einheit des Heiligen Geistes weitergegeben (Apg 11,1–18; 15,1–28). Auch wenn die Ausbreitung des Evangeliums auf oppositionelle Kräfte traf, erwies sich in den ersten Christen die Kraft des Heiligen Geistes zum Zeugnis (Apg 4,13; 6,10; 13,4–12).

      Die Apostel achteten darauf, dass Menschen, die sich für das Evangelium öffneten, die Gabe des Heiligen Geistes empfingen. Die für die Christwerdung grundlegenden Elemente Buße, Glaube, Taufe und Geistempfang traten nicht immer in der gleichen Reihenfolge auf, aber es wurde darauf geachtet, dass alle Elemente möglichst zeitnah zusammenkamen. In der Apostelgeschichte wird nirgends davon berichtet, dass Menschen getauft wurden, die ohne bewusste Buße und Glauben waren. Wir finden jedoch zwei Berichte, dass Personengruppen an Jesus gläubig wurden, ohne bewusst die Gabe des Heiligen Geistes empfangen zu haben. In Samaria kamen Menschen durch die Missionstätigkeit von Philippus zum lebendigen Glauben an Jesus und sie wurden auf den Namen Jesus getauft. Als die Apostel aus Jerusalem davon hörten, sandten sie Petrus und Johannes aus, um dieses Geschehen in Samaria zu besehen. Lukas berichtet:

      „Als aber die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, sandten sie zu ihnen Petrus und Johannes. Die kamen hinab und beteten für sie, dass sie den Heiligen Geist empfingen. Denn er war noch auf keinen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein getauft auf den Namen des Herrn Jesus. Da legten sie die Hände auf sie und sie empfingen den Heiligen Geist“ (Apg 8,14–17; LU).

      Ein ähnlicher Vorgang wird von den Johannesjüngern in Ephesus berichtet. Hier handelt es sich um Menschen, die als „Jünger“ und als „gläubig“ bezeichnet werden, die jedoch noch nicht die Taufe auf den Namen Jesus und die Gabe des Heiligen Geistes empfangen hatten. Sie hatten noch nicht einmal vom Heiligen Geist gehört (Apg 19,2). Die einzigen Elemente christlicher Grunderfahrung, die sie kannten, waren Buße und Glaube; die Taufe und der Empfang des Geistes geschahen erst auf Nachfrage des

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