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Sie spielte, ohne sich dessen bewußt zu sein, alle anderen an die Wand, neben ihr kam niemand sonst zur Geltung. Dabei war sie gar keine wirkliche Schönheit. Mit ihrem schimmernden Haar, mit den hellen Augen und dem sensiblen Mund war sie hübsch, nichts weiter; ihr Zauber hatte nichts mit ihrer äußeren Erscheinung zu tun, er kam ganz von innen her. Ja, jetzt wußte ich, wie sie wirkte – wie eines jener Räucherlämpchen, durch deren hauchdünne Wände man das leuchtende Flämmchen zittern sehen kann. Jetzt wußte ich auch, warum mich ihre Gegenwart irritierte – ich kam mir neben Cleo grob, primitiv und unbehauen vor.

      Nur keine Minderwertigkeitskomplexe, Monte, sagte ich mir, dem Himmel sei Dank, du bist ja keine Schauspielerin, und Cleo ist auch nicht deine Rivalin.

      Nein, wir waren keine Rivalinnen. Wenn ich auch im ersten Augenblick angenommen hatte, daß es eine Frau war, die Florian heute abend hierher gelockt hatte, so mußte ich doch bald einsehen, daß dies nicht zutraf. Er beschäftigte sich mit keiner der anwesenden Weiblichkeiten; er, den ich schon eine ganze Gesellschaft hatte verzaubern sehen, war aufallend still, ja nervös. Er sah großartig aus in seinem schwarzen Steireranzug, dem weißen Hemd und dem kleinen Mascherl, aber er schein sich sehr unbehaglich zu fühlen.

      Auch Ftatateta war ständig unterwegs, wenn auch aus einer anderen Ursache. Sie bot Berliner Pfannkuchen und Neujährchen rund, füllte die Gläser immer wieder mit heißem Punsch, sah darauf, daß jeder zu rauchen hatte. Sie machte das so geräuschlos, so unauffällig und gewandt, daß ich wohl die einzige war, die ihre Geschäftigkeit bewußt bemerkte. Wenn Robby sie eine Eskimöse genannt hatte, so erinnerte sie mich eher an eine Indianerin. In ihren Slippers bewegte sie sich, schmalhüftig und breitschultrig, so leise und sicher wie in Mokassins, in ihrem pechschwarzen Haar fehlte nur noch die bunte Feder, um den Eindruck vollkommen zu machen.

      Helm Ritter, herb, männlich und verschlossen, rauchte eine Zigarette nach der anderen und beteiligte sich nur mit einem hin und wieder dazwischengeworfenen Wort an der Unterhaltung.

      Ich sah zu Lisa und Jan Guntram hinüber. Er tätschelte gerade ihren Kopf mit derselben herablassenden Freundlichkeit, mit der man einen kleinen Hund streichelt. Dann stand er auf, die Hände in den Taschen, die Pfeife im Mund, und schlenderte aus dem Zimmer.

      Wie ein Schatten tauchte Robby hinter Lisa auf und beugte sich zu ihr nieder. Ich schaute in eine andere Richtung, aber ich spitzte die Ohren, um das Gespräch der beiden mitzubekommen.

      »Haben Sie sich die Sache nun überlegt, Lisa?« fragte Robby leise.

      »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!« verwahrte sich Lisa.

      »Von meinem Angebot!«

      »Dieses Thema ist doch wohl langsam totgeritten!«

      »Haben Sie es sich überlegt?«

      »Es … es ist bestimmt sehr freundlich von Ihnen, Robby … sehr ehrenvoll und das alles … aber …«

      »Aber?«

      »Robby! Ich habe es Ihnen schon hundertmal erklärt!«

      »Sie könnten Jan Guntram damit schützen!«

      »Ich glaube nicht, daß er einen Schutz braucht!«

      »Vielleicht doch!« beharrte Robby.

      Lisa lächelte freundlich zu ihm auf. »Was kümmert es den Mond, wenn ihn der Hund anbellt!« Sie sprang gewandt mit gekreuzten Beinen hoch und ließ sich dann auf der anderen Seite des Feuers zu Füßen von Helm Ritter nieder.

      Ich hatte natürlich keine Ahnung, von was zwischen den beiden die Rede gewesen war, aber ich hatte begriffen, daß Robby wieder eine Abfuhr erlebt hatte, die zweite an diesem Abend.

      »Robby, Brüderlein … Willst du nicht mit mir tanzen?« rief Marjorie ihm zu.

      Robby gab keine Antwort, sondern zündete sich eine Zigarette an.

      »Wenn Sie mit mir fürlieb nehmen wollen, Marjorie!« Dr. Sintesius verbeugte sich vor ihr.

      »Wie lieb von Ihnen«, dankte sie vergnügt, »das hätte ich nicht zu hoffen gewagt!«

      Jan Guntram war wieder ins Zimmer gekommen und ließ sich auf seinem alten Platz am Kamin nieder. Robby sah zu Florian hinüber und verließ das Zimmer. Zu meiner Überraschung folgte Florian ihm wenige Augenblicke später.

      Niemand schien es aufgefallen zu sein, daß die beiden so kurz nacheinander verschwunden waren, aber das konnte doch kein Zufall sein. Ich grübelte und zerbrach mir den Kopf, was zwischen Robby und Florian vor sich gehen mochte.

      Jan Guntram versuchte eine Unterhaltung über das künstlerische, beziehungsweise unkünstlerische Niveau des deutschen Films mit mir anzufangen, aber soviel mir zu jeder anderen Zeit an einem Gespräch mit ihm gelegen gewesen wäre, so konnte ich mich doch jetzt nicht darauf konzentrieren.

      Marjorie und Dr. Sintesius tanzten immer noch miteinander, und ich konstatierte gedankenlos, daß Marjories Beine recht krumm waren. Dann bemerkte ich, daß Helm Ritter auf einmal sehr gesprächig geworden war; er unterhielt sich angeregt mit Lisa, die vor ihm am Boden hockte. Sieh an, Lisa, dachte ich, diese kleine graue Maus!

      Aber ich nahm all das sozusagen nur mit halbem Auge und halbem Ohr wahr; meine ganze innere Aufmerksamkeit galt den beiden Männern, die den Raum verlassen hatten.

      »Die beiden draußen haben sich ganz schön in der Wolle«, sagte Ftatateta plötzlich; sie hatte sich, ohne daß ich es gemerkt hatte, neben mir niedergelassen.

      »Um was geht es …?« fragte ich.

      Sie zuckte die Schulter. »Keine Ahnung.«

      »Haben Sie nichts verstehen können?«

      »Nur Gebrüll.«

      Ich stand auf und ging in den Flur hinaus. Aus dem Badezimmer klang wirklich ein mörderisches Gebrüll.

      »An Lump san S’ …,an ganz g’scherter!« schrie Florian.

      Robby entgegnete etwas, das ich nicht verstehen konnte.

      »Wann S’an Mann waren …«, tobte Florian.

      Die Badezimmertür wurde aufgerissen, und Florian stürzte heraus. Er, der immer konziliante und sonnige, war zum Erschrecken verändert. Ich habe selten einen Menschen gesehen, dem die Wut so auf dem Gesicht geschrieben stand.

      Robby, ein zynisches Lächeln um den Mund, verschwand im Wohnzimmer.

      »Florian«, rief ich, »Florian! Was war denn?«

      »Nichts, Muckerl, gar nichts«, wich er mir aus, fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn und versuchte zu lächeln. Dann faßte er mich unter den Arm und führte mich ins Wohnzimmer zurück.

      »Gut, daß ihr kommt!« rief Cleo uns entgegen. »Wir wollen jetzt Blei gießen!«

      4

      Das Bleigießen verlief harmlos und heiter und ohne jeden Zwischenfall. Florian hatte sich wieder gefaßt, er bedachte jeden bei jeder Gelegenheit mit einem seiner charmanten Komplimente, und doch erschien mir seine gute Laune ein wenig unnatürlich, ja krampfhaft. Je übermütiger Florian wurde, desto mehr zog Robby sich in sich selbst zurück und wurde einsilbig.

      Nach dem Bleigießen hatten sich Szene und Stimmung im Raum völlig verändert. Der starke Punsch hatte in jeder Beziehung anregend gewirkt, man lief hinaus und wieder herein. Dr. Sintesius und Marjorie verschwanden für kurze Zeit gemeinsam, niemand blieb mehr ruhig sitzen. Es wurde getanzt, jeder tanzte mit jedem, aber ich tanzte meistens mit Florian. Robby war der einzige, der sich abseits von der allgemeinen Fröhlichkeit hielt, aber niemand achtete auf ihn.

      Als er plötzlich zu jammern und laut und wehleidig über Herzschmerzen und Atemnot zu klagen anfing, war wahrscheinlich nicht nur ich der Meinung, daß es sich dabei um einen Versuch handelte, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken.

      »Helm …«, stöhnte er, »Helm, bitte, bring mich nach Hause! Ich kann nicht mehr!«

      Helm

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