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nach einer kleinen Weile, meldete sich wahrhaftig Robby.

      »Robby …!« freute ich mich. »Fein, daß ich dich aufgegabelt habe!«

      »Wo brennt’s denn, Mädchen?« fragte er, leichten Spott in seiner hellen Stimme.

      »Nirgends! Das ist es ja eben! Es ist nur … Man hat mich versetzt heute abend!«

      »Welcher Jammer!«

      »Und ich dachte«, fuhr ich fort, »ich wollte dich bitten, ob du nicht heute abend …«

      »Geht nicht, Mädchen. Tut mir wirklich leid.«

      »Ach …«

      »Ich bin eingeladen … bei Cleo Sintesius.«

      »Schade«, meinte ich, »da kann man natürlich nichts machen.«

      »Tut mir leid«, wiederholte er.

      »Dann entschuldige bitte, Robby. Viel Spaß für heute abend!«

      »Halt!« rief er. »Nicht einhängen, hörst du? Ich habe eine Idee … Komm doch einfach mit!«

      »Zu Cleo Sintesius …«

      »Warum denn nicht?«

      »Ich kenne sie doch kaum.«

      »Macht fast gar nichts. Paß auf, ich hole dich ab … So um neun herum.«

      2

      Robby kam früher, als ich ihn erwartet hatte, schon kurz nach acht Uhr, und ich war noch nicht ganz mit meiner Toilette fertig.

      »Bitte komm doch einen Augenblick herein«, bat ich, als ich ihm die Tür öffnete.

      Er gab mir seine schmale Hand, deren zartes Gelenk, das aus dem Ärmel seines schweren braunen Ledermantels hervorlugte, unwahrscheinlich zerbrechlich und rührend wirkte.

      »Es ist wirklich nett von dir, Robby«, erklärte ich, während ich neben ihm her ins Wohnzimmer ging, »daß du dich um mich armes Mauerblümchen kümmerst!«

      Er grinste. »Ein Mauerblümchen habe ich mir eigentlich anders vorgestellt.«

      »Wie denn?«

      »Nicht so rothaarig.«

      »Das ist nur äußerlich«, behauptete ich.

      Er setzte sich auf einen meiner wackeligen Stühle und zündete sich eine Zigarette an, indes ich mir vor dem Kleiderschrankspiegel das Haar bürstete.

      »Wer kommt denn alles heute abend?« erkundigte ich mich.

      »Na, die üblichen Figuren.«

      »Leider habe ich keine Ahnung, wer bei Cleo Sintesius die üblichen Figuren sind.«

      »Na, Helm.«

      »Ja.«

      »Ftatateta natürlich.«

      «Tatateta?«

      »F-tatateta!«

      »Wer ist denn das?«

      »Was, du kennst Ftatateta nicht?«

      »Warte mal«, überlegte ich, »Augenblick! Natürlich! Ist das nicht die Amme der Cleopatra bei Bernard Shaw?«

      »Sehr gut, Mädchen«, lobte er, »es geht doch nichts über eine fundierte Halbbildung!«

      »Aber wer ist das wirklich?« wollte ich wissen und beschäftigte mich mit meinen Wimpern.

      »Cleos häßliche Freundin.«

      »Wie das klingt!«

      »Na, es gibt bei Freundinnen eben immer eine hübsche und eine häßliche.«

      »Ich weiß schon. Um die die Herren dann losen!«

      »So ähnlich«, stimmte er zu.

      »Aber was macht sie sonst? Es ist doch kein Beruf, Cleos häßliche Freundin zu sein.«

      »Sie macht Gedichte, ziemlich lausige Gedichte … Und ansonsten ist sie Lehrerin, Studienassessorin oder wie sich das nennt!«

      »Aha! Also eine ganz vernünftige Person!«

      »Wie man’s nimmt! Jedenfalls ist der Spitzname Ftatateta ganz passend für sie.«

      »Und weiter?« forschte ich. »Wer ist sonst noch dort?«

      »Jan Guntram mit seiner Lisa. Wenn er ihr dabeizusein erlaubt, heißt das.«

      »Versteh’ ich nicht«, erklärte ich und puderte mir die Nase.

      »Na, er tyrannisiert sie doch nach Strich und Faden – das weiß schließlich jedes Kind.«

      »Ich nicht«, erklärte ich. »Aber weiter – Lisa und Jan Guntram kenne ich.«

      »Cleos Bruder, Dr. Sintesius.«

      »Arzt …?«

      »Zahnarzt.«

      »Fein!« Ich zog mir die Lippen nach. »Dann sind ja heute abend mindestens zwei vernünftige Leute dabei. Leute mit vernünftigen Berufen, meine ich … Das findet man selten.«

      »Na, wenn du einen Fettwanst und eine Eskimöse als vernünftige Leute bezeichnen willst …«

      Ich warf einen Blick in den Spiegel und war mit dem Ergebnis meiner Bemühungen zufrieden. Ich trat zu Robby an den Tisch. Er bot mir eine Zigarette an.

      »Danke.« Ich ließ mir von ihm Feuer geben. »Weißt du, Robby, du hast eine reizende Art, die Menschen zu klassifizieren.«

      »Findest du?«

      »Ja«, sagte ich und ließ mich auf dem Sofa nieder. »Sind das alle? Ich meine, kommt sonst noch jemand heute abend?«

      »Ja, mein süßes Schwesterchen Marjorie wird wahrscheinlich auch erscheinen!«

      »Du hast eine Schwester? Robby, das habe ich ja gar nicht gewußt!«

      »Ich versuche es auch möglichst zu vertuschen!«

      »Wieso? Führt sie einen ausschweifenden Lebenswandel?«

      »Nein, sie macht Übersetzungen, ziemlich schlechte Übersetzungen … Englisch und Chinesisch!«

      »Chinesisch? Donnerwetter, woher kann sie denn Chinesisch?!«

      »Du weißt doch, wir sind in China aufgewachsen. Mein Vater war damals als Diplomat, als Vertreter der Vereinigten Staaten, in Hongkong!«

      »Sei mir nicht böse, Robby, es fällt mir immer wieder schwer, mir vorzustellen, daß du wahr und wahrhaftig Amerikaner bist!«

      »Ich entstamme einer der ältesten amerikanischen Familien«, erklärte er stolz, »meine Vorfahren sind mit der ›Mayflower‹ in die Staaten gekommen!«

      »Toll!« bewunderte ich ihn. »Und deine Mutter?«

      »War Deutsche – ostpreußischer Adel.«

      »Oh, Robby, welch edles Blut rollt in deinen Adern!« rief ich. »Ich bin tief beeindruckt!«

      »Das will ich hoffen.«

      »Ich glaube, nun bin ich bestens informiert«, meinte ich, »sei bedankt, Robby!«

      »Also dann!« Er öffnete die Tür zum Flur. »Hinein ins Vergnügen!«

      3

      »Hoffentlich findest du deine Kiste nachher wieder«, sagte ich, als Robby zu mir an die Haustür trat und den Schnee von seinem Mantel schüttelte. – Wenn ich geahnt hätte, wie dieser Abend enden sollte!

      »Keine Bange, Mädchen«, beruhigte er mich und drückte auf die Klingel.

      Kurz darauf wurde die Haustür aufgedrückt, und wir stiegen die Treppe hinauf.

      Ein Mädchen in einem

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