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Israel?

      Israel ist ein schwammiger Begriff. Heutzutage meint man damit meistens den Staat, den es seit 1948 gibt. Israel ist aber auch ein Volk, eines der ältesten der Welt. Dieses Volk lebte bereits in einem eigenen Königreich auf dem Gebiet des heutigen Staates Israel. Wichtige Kapitel der Geschichte Israels und seines Landes sind in der Bibel verewigt, aber seine früheste schriftliche Erwähnung finden wir in einer außerbiblischen Quelle. Ein gewisser Pharao Merenptah präsentierte seinen Sieg über Israel im 13. Jh. v. Chr. Er war so stolz auf Israels Vernichtung, dass er sie auf einer Granittafel festhalten ließ.

      Die heutige Fläche des Staates Israel ist so groß wie die Hälfte der Schweiz, das deutsche Bundesland Hessen oder Niederösterreich. Judäa, Samarien und die Golanhöhen sind in dieser Rechnung nicht enthalten und machen zusammen noch einmal 30 Prozent der Gesamtfläche aus. Im Laufe der Jahrtausende blieben die Landesgrenzen recht konstant. Im Westen war und ist das Mittelmeer. Im Norden erreichten sie meistens Galiläas höhere Lagen unweit der heutigen libanesischen Grenze. Im Osten war es eine Frage der Stärke. War Israel stark, kontrollierte es auch Gebiete östlich des Jordan. War es schwächer, bildete meistens der Jordan die Grenze. Die Geschichte der Südgrenze hat viel mit den klimatischen Bedingungen dort zu tun. Das Dreieck zwischen dem Mittel-, dem Toten und dem Roten Meer war immer eine fast menschenleere Wüste. Die Herrscher interessierten sich wenig für diese karge Landschaft. An der Südspitze dieser Wüste liegt das Rote Meer, das für Handelszwecke interessant sein kann. In Zeiten der Stärke unterhielt Jerusalem dort einen Hafen. Dafür musste es das gesamte Gebiet bis zum Roten Meer kontrollieren. So war es unter König Salomo und ist seit 1949 wieder der Fall.

      Die besondere Geschichte dieses kleinen Landes begann mit Abraham. Ausgerechnet an diesen Ort schickte ihn Gott. Abrahams Nachkommen sollten dieses Land bewohnen. Gott hatte mit ihnen zugunsten der gesamten Menschheit einiges vor. Er gab ihnen seinen Segen, seinen besonderen Schutz und zahlreiche Zeichen, aber auch Ge- und Verbote. Vor allem diese sorgten für die Andersartigkeit Israels im Vergleich zu vielen anderen Völkern der Antike. In dieser Kultur entwickelte sich eine eigenartige Denkweise, eine eigene geistliche Welt – die Welt, in der auch Jesus wirkte. Israel ist ein Land, ein Volk und ein Geist. Ein Geflecht. Manchmal ist unklar, wo die Grenzen zwischen Land, Volk und Geist verlaufen. Oft sind sie in ihrer Wechselbeziehung untrennbar.

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      Durchgangsland

      Der Mönch Bargil Pixner lebte 33 Jahre in Israel und schrieb in seinem Buch: »Fünf Evangelien schildern das Leben Jesu; vier findest du in Büchern – eines in der Landschaft. Liest du dieses fünfte, eröffnet sich dir die Welt der vier.« 1 Das gilt für die gesamte Bibel. Die Landschaften der Bibel sind ein Teil von ihr. Wenn du sie verstehst, erklären sie dir vieles aus der biblischen Erzählung.

      Ein Geheimnis des Landes verraten die Zugvögel. Wer in Westeuropa lebt, denkt intuitiv, die Zugvogelroute nach Afrika führe über Italien oder Gibraltar, aber die große Zugvogelmasse lebt viel weiter östlich, von Skandinavien bis Sibirien. Auf dem Weg nach Afrika umfliegen sie das Mittelmeer, aber auch die großen Wüsten in Asien. Trichterförmig treffen sich ihre Routen über Israel. Das kleine Land ist ein Flaschenhals zwischen Wüste und Meer. Weil weiter südlich das Rote Meer liegt, ist Israel auch die einzige Landbrücke zwischen den drei Kontinenten. Deshalb verläuft die weltweit dichteste Zugvogelstraße über Israel, mit 500 Millionen Zugvögeln zweimal im Jahr.

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      Bis zur Erfindung des Flugzeugs war diese Landbrücke für Menschen genauso relevant. Nehmen wir gleich ein Beispiel aus der Bibel: Abraham. Abraham stammt aus Ur in Chaldäa im heutigen Irak, 250 km vom Euphrat-Delta entfernt. Von dort geht er ins heutige Israel, damals Kanaan. Genau wie die Zugvögel macht auch Abraham einen Umweg von 1 000 km um die Wüste herum.

      Weshalb wird Abraham ausgerechnet in das kleine Land Kanaan geschickt? Als Randgebiet zwischen den Hochzivilisationen im Zweistromland und am Nil war Kanaan nicht wirklich bedeutend. Und gerade dort soll ein Neuanfang gestartet und der Glaube an den einen Gott verkündet werden? Eine wichtige Botschaft an die gesamte Menschheit würden wir heute im Internet verbreiten, damit sie selbst die Menschen in den modernen Metropolen New York oder London erreicht. Das New York von damals lag am Nil, das damalige London am Euphrat. Kanaan war nur ein Gebiet dazwischen, das man durchqueren musste. Ach ja, da gab es noch ein Problem: Es zogen nicht nur Privatpersonen durch Kanaan, sondern auch Armeen. Warst du ein sumerischer König und wolltest Ägypten erobern, musstest du durch Kanaan. Warst du ein Pharao und wolltest Griechenland mit mehr als nur Kriegsschiffen angreifen, musstest du durch Kanaan. Warst du ein Römer und wolltest Nordafrika einnehmen, musstest du zwangsläufig erst Kanaan einnehmen. Wer in Kanaan saß, konnte Europa von Asien und Afrika abtrennen. Es war die A1 der antiken Welt, ohne Umleitungsalternativen. Dieses Fleckchen Er-de hat seine Besitzer so häufig gewechselt wie kaum ein anderes der Welt.

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      Aber genau da liegt die Erklärung für Abrahams Aussendung: Kanaan war das Durchgangsland schlechthin. Auch in friedlichen Zeiten verlor es nicht an Bedeutung, weil die interkontinentale Straße gut besucht blieb. Du kannst dir vorstellen, wie wichtig dieser Fernweg in einer Welt ohne Telekommunikation war! Und wie entscheidend für die Verbreitung von Nachrichten in einer Welt ohne Internet, Fernsehen, Radio oder Zeitungen. Was hier passierte, wurde schnell in alle Welt getragen.

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      Zuletzt: Am Nil und im Zweistromland ging es den Menschen im Großen und Ganzen gut. Sie hatten weniger das Bedürfnis nach einem Neuanfang. Ganz anders ging es den Nomaden und Halbnomaden am Rande der Zivilisation, deren einziger Besitz ihre Zelte und Herden waren. Diese Menschen waren offen für Gottes Handeln. Genau dort siedelt Gott Abraham an. Ein präziser Startschuss.

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      Natur und Mensch im Überblick

      Jede Kultur ist von der Landschaft geprägt, in der sie sich entwickelt. Daher ist es wichtig, dass wir uns einen Überblick über die Geografie des Landes verschaffen.

      Israels heutiges Staatsgebiet (einschließlich der palästinensischen Autonomiegebiete) ist 400 km lang und rund 70 km breit. Dieses Gebiet ist in vier Streifen unterteilt.

      DIE KÜSTENEBENE AM MITTELMEER

      Ist dir schon aufgefallen, dass die israelische Küste auf Landkarten fast schnurgerade aussieht? Sie ist auch in Wirklichkeit so gerade, und zwar weil sie aus Sand besteht. Den Sand bringt der Nil aus Afrika. Im Mittelmeer angekommen, schwimmt der Sand in der Meeresströmung gegen den Uhrzeigersinn, bis ihn das ins Meer ragende Karmelgebirge stoppt. Dort beginnt die für Südeuropa typische Felsenküste. Zum Baden ist der Sandstrand traumhaft, für die Seefahrt ein Problem. Er bietet keine natürlichen Häfen.

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      So gab es im Land zwar immer Seefahrt, aber ein richtiges Seefahrervolk entwickelte sich hier nie.

      Entlang der Küste erstreckt sich eine 20-30 km breite Ebene. Bis zu ihrer Trockenlegung in den 1920er-Jahren gab es hier mehrere Sümpfe. Dass sich zuvor keine dichte Besiedlung an der Küstenebene entwickelte, ist kein Zufall: Hier gab es Malariaplagegebiete. Doch nach der Trockenlegung entwickelte sich hier rasch der Ballungsraum Tel Aviv. Wenn man heute von Israels »Zentrum« spricht, meint man die Küstenebene, aber zur biblischen Zeit war sie eigentlich ein Randgebiet. Damals war die Bevölkerung der Küstenebene meistens

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