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auf.

      Dr. Berg beugte sich über sie. „Frau Rainer“, sagte er eindringlich, „wie fühlen Sie sich?“

      Die Patientin lächelte schwach.

      „Ganz gut“, sagte sie.

      Er blickte auf seine Armbanduhr, richtete sich auf. Es war halb zehn vorbei. Würde er es noch schaffen?

      Dr. Hartenstein, der während der ganzen Zeit im Zimmer geblieben war, erriet seine Gedanken. „Beeilen Sie sich, Herr Oberarzt“, sagte er, „ich bleibe hier und . . . alles Gute!“

      Die Schwester half Dr. Berg aus dem Kittel, reichte ihm die Smokingjacke.

      In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen. Professor Hartwig marschierte ins Zimmer. Mit einem Blick überschaute er die Szene.

      „Nicht mehr nötig, Herr Oberarzt“, sagte er, „die Hochzeit ist abgesagt!“

      Die Schwester ließ die Smokingjacke sinken, Dr. Hartenstein wußte vor Verlegenheit nicht, wohin er blicken sollte. Ohne ein Wort der Entgegnung schlüpfte Dr. Berg wieder in seinen Kittel. Kein Muskel zuckte in seinem übernächtigen, von Anstrengung gezeichneten Gesicht.

      Professor Hartwig ergriff die Hand der Patientin, fühlte den Puls, nahm das Stethoskop, horchte die Herztöne ab. „Na, ich sehe, Frau Rainer“, sagte er dann, „es geht Ihnen jetzt ganz gut.“

      Wieder bemühte sich die Frau um ein Lächeln. „Danke, ja, Herr Professor! Wenn mein Mann kommt . . .“

      „ . . . darf er Sie für fünf Minuten besuchen! Aber jetzt denken Sie nicht an Ihre Familie, versuchen Sie lieber sich zu entspannen. Sie wollen doch wieder ganz gesund werden, nicht wahr?“

      „Möglichst schnell nach Hause . . .“ sagte Brigitte Rainer schwach.

      „Aber ja. Wir werden sehen, was wir tun können. Doch jetzt wird geschlafen, verstanden! Und keine dummen Gedanken, wenn ich bitten darf!“

      Der Professor wandte sich zur Tür. „Komm mit, Klaus! Sie bleiben bei der Patientin, Dr. Hartenstein. Bis auf weiteres.“

      Professor Hartwig rauschte hinaus, Dr. Berg folgte ihm mit gesenktem Kopf.

      Der Professor sprach kein Wort, bevor sie sein Arbeitszimmer betreten hatten.

      Dann baute er sich vor Dr. Berg auf. „Also . . . was hast du mir zu sagen?“

      Klaus Berg sah ihm gerade in die Augen. „Ich verstehe, daß das alles furchtbar ist, besonders für Vera . . . aber ich konnte die Patientin nicht allein lassen! Ich konnte Vera nicht mein Jawort geben in der Vorstellung, daß gerade im gleichen Augenblick Frau Rainer vielleicht . . .“ Seine Stimme brach. „Und alles durch meine Schuld“, sagte er noch mühsam.

      Professor Hartwig zog die schlohweißen Augenbrauen zusammen. „Es stimmt also, was Gorski mir erzählt hat? Du hast ein Tuch im Leib der Patientin vergessen?“

      „Ich weiß es nicht“, sagte Dr. Berg gequält, „ich weiß es wirklich nicht. Die ganze Nacht habe ich darüber nachgegrübelt, aber . . .“ Er strich sich mit der Hand über die Stirn, „ . . . ich kann mich einfach nicht erinnern.“

      Professor Hartwig drehte sich brüsk um, wandte sich zum Fenster.

      „Ich sehe den offenen Leib noch vor mir, es war kein Tuch mehr drin, ich könnte es beschwören! Aber andererseits . . . ein Tuch ist verschwunden! Wo könnte es sein — außer im Leib der Patientin? Die Schwestern haben doch alles durchsucht. Es ist grauenhaft!“

      „Wenn du das Tuch wirklich vergessen hast“, sagte der Professor langsam, „weißt du, was das bedeutet?“

      „Ja, die Patientin ist unrettbar verloren. Es hat auch keinen Zweck, die Operation zu wiederholen, wenn Frau Rainer wieder einigermaßen bei Kräften ist . . .“

      „Stimmt. So ein Fremdgegenstand wandert. Wer weiß, wo er jetzt schon sitzt.“

      „Ich hätte die Operation nicht übernehmen dürfen“, sagte Dr. Berg, „damit fängt es an. Ich hielt mich gestern abend noch für einigermaßen nüchtern, aber . . . ich war es eben doch nicht. Anders ist alles, was geschehen ist, nicht zu erklären.“

      „Dann“, sagte Professor Hartwig und wandte sich um, „liegt genau so viel Schuld bei mir. Ich hätte dich nicht gehen lassen dürfen.“

      Dr. Berg schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er, „für das, was man tut oder versäumt, trägt man allein die Verantwortung.“ Die Hand, die er in die Hosentasche steckte, zuckte wieder zurück.

      „Steck dir nur eine an“, sagte Professor Hartwig, „mich stört es nicht.“

      „Danke.“ Klaus Berg zog sein Zigarettenpäckchen heraus, schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie an. „Wie hat . . . Vera es aufgenommen?“ fragte er stockend.

      „Sie war außer sich, verzweifelt, unglücklich, alles, was du willst. Kein Wunder, sie ist ja noch ein halbes Kind. Es hat einen Moment gegeben, da hätte ich dich am liebsten erschlagen.“

      „Es ist mir furchtbar“, sagte Dr. Berg.

      „Ich glaub’s dir sogar. Ich verstehe auch, warum du nicht anders handeln konntest. Ein Todesfall ist nicht gerade der richtige Auftakt für eine Hochzeit.“

      „Ein Mord.“

      Professor Hartwig legte seinem Oberarzt die Hand auf die Schulter. „Nicht übertreiben, mein Junge! Wenn du die Dinge so betrachtest, wären wir Ärzte alle Mörder. Jedem unterläuft mal eine falsche Diagnose, ein Kunstfehler . . . ich könnte dir aus dem Handgelenk drei Fälle aufzählen, bei denen ich Patienten auf dem Gewissen habe.“

      „Das ist für mich keine Entschuldigung.“

      „Sicher nicht. Ich will auch nicht behaupten, daß mir das, was passiert ist, gefällt. Aber so ein Malheur gehört zum Berufsrisiko. Man muß sehen, daß man damit fertig wird. Etwas anderes bleibt uns ja nicht übrig.“

      Dr. Berg hatte seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger genommen, tat einen tiefen Zug. „Ich bin total erledigt“, sagte er, „ich habe nicht die geringste Vorstellung, wie es jetzt weitergehen soll.“

      „Na, dann will ich es dir sagen . . .“ Professor Hartwig drehte einen Sessel herum, nahm Platz. „Komm, setzen wir uns. Du wirst dich erst mal richtig ausschlafen, dann sieht die Welt schon wieder anders aus. Die Hochzeit wird nachgeholt . . . morgen oder übermorgen. Dann fliegt ihr beide, wie geplant, nach Teneriffa. Aber unter den gegebenen Umständen halte ich es für richtig, wenn ihr eure Hochzeitsreise etwas ausdehnt, sagen wir drei Monate. Das wird ein kleines Trostpflaster für Vera sein, und außerdem . . . diese Zeitspanne sollte genügen, damit Gras über die Sache wächst. Einverstanden?“

      „Ich weiß nicht“, sagte Klaus zögernd.

      „Was weißt du nicht, mein Junge?“

      „Ob man so einfach nach einem solchen Fall wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Versuch doch, bitte, mich zu verstehen! Die ganze Sache hat mich furchtbar geschlaucht und . . .“

      Professor Hartwig hob die Hand. „Halt! Eine Zwischenfrage: Liebst du Vera?“

      „Ja.“

      „Na, dann gibt es doch überhaupt keinen Zweifel. Du bist ein Mann, du mußt lernen, deine Niederlagen zu verkraften wie deine Siege. Du kannst auf keinen Fall die Frau, die du liebst, unter deinem eigenen Versagen leiden lassen.“

      Es wurde an die Tür geklopft. „Herein!“ rief Hartwig unwillig.

      Schwester Klara, eine ältliche, sehr energische und tüchtige Person, stürzte herein. „Herr Professor“, rief sie atemlos, „Sie werden dringend im OP verlangt!“

      „Ich? Sind Sie des Teufels? Meine Klinik wimmelt von Ärzten und ausgerechnet ich . . .“

      Schwester Klara fiel ihm, ganz gegen die Gepflogenheiten des Hauses, ins Wort: „Es

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