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und zog ihn mit sich ins Freie.

      „Ach, tut das gut!“ Sie atmete tief durch. „Nach all dem Lärm und dem Qualm da drinnen! Ich bin nur froh, daß ich morgen nicht saubermachen und aufräumen muß!“

      Er legte den Arm um ihre Taille. „Nein, mein Sonntagskind, du brauchst morgen nicht zu putzen, sondern nur zu heiraten!“

      Sie drängte ihn zur Brüstung. „Ist es nicht herrlich hier oben? Im Sommer werden wir hier sitzen . . . ganz allein . . . und Bowle trinken . . . zu den Sternen schauen und zum Mond . . .“

      „Und zu den Lichtern der Klinik da drüben!“ Jenseits des Parks lag die Frauenklinik, ein weitläufiges weißes Gebäude, aus dessen Fensterläden jetzt die mildblaue Nachtbeleuchtung schimmerte.

      Sie schmiegte sich enger an ihn. „Weißt du, Klaus, es ist natürlich fabelhaft, daß du in Vaters Klinik arbeitest und jeden Mittag nach Hause kommen kannst, und daß ich tagsüber mal ein Schwätzchen mit Mutti halten kann, wenn mir danach zumute ist . . .“

      „Aber?“ fragte er.

      „Ich freue mich doch riesig, wenn ich das alles mal eine Weile nicht sehen muß . . . die Klinik, die Krankenwagen, die Patienten!“ Sie schauderte.

      „Frierst du?“ fragte er besorgt.

      „Halt mich nur ganz fest, dann wird mir gleich wieder warm! Oh, Klaus, am allermeisten freue ich mich, daß wir beide schon übermorgen weit fort von hier sein werden . . . ganz allein, nur wir beide, vor uns das Meer, Palmen und blühende Kakteen, über uns die strahlend helle Sonne und der blaue Himmel . . . Teneriffa und du! Es wird wunderbar werden!“

      „Du und ich!“ Er beugte sich über sie.

      Sie schlang ihre schlanken bräunlichen Arme um seinen Hals, ihre Lippen fanden sich zu einem Kuß voll leidenschaftlicher Zärtlichkeit.

      Erst als die Balkontür aufgestoßen wurde, fuhren sie auseinander.

      Eine von Veras Freundinnen steckte den Kopf heraus. „Anruf aus der Klinik, Herr Oberarzt!“ rief sie unbekümmert.

      „Entschuldige mich, bitte, Vera“, entgegnete Klaus Berg sofort.

      Sie klammerte sich an ihn. „Nicht, Klaus, bitte, bleib! Die anderen können doch . . .“

      Er zog sie noch einmal in die Arme, flüsterte dicht an ihrem Ohr: „Ich mach’s ganz kurz, Liebste, ich bin gleich wieder da!“

      Die Freundin trat auf den Balkon, gab dann Dr. Berg die Tür frei. Halb mitleidig, halb schadenfroh betrachtete sie Vera, die ihm mit zusammengepreßten Lippen nachstarrte.

      „Pech, was?“ sagte die Freundin. „Na, an so etwas wirst du dich als Arztfrau gewöhnen müssen!“

      Die Atmosphäre hatte sich geändert, es war sehr still geworden, selbst der Plattenspieler war verstummt. Mit geröteten Gesichtern, leicht glasigen Augen starrten die Ärzte auf Professor Hartwig, der den Telefonhörer am Ohr hielt und lauschte.

      Der Chefarzt ließ den Hörer sinken, blickte seinem zukünftigen Schwiegersohn entgegen. „Schwester Marie von der Operativen“, sagte er. „Sie berichtet, daß eine Patientin von der Allgemeinstation stark blutet . . . hör du dir das mal an, du wirst den Fall kennen . . .“

      Dr. Berg nahm ihm den Hörer aus der Hand, meldete sich. „Ja, Schwester Marie, um wen handelt es sich? Um Frau Rainer? Ja, seit wann denn? So . . . ganz recht. Bitte, verständigen Sie die OP-Schwestern, lassen Sie die Patientin in den OP fahren und den Anästhesisten rufen . . . natürlich, sofort!“ Er legte auf.

      „Die Operation ist unumgänglich?“ fragte der Professor. Er bemühte sich, kurz und präzise zu sprechen, aber seine Stimme klang leicht unsicher. Es war deutlich, daß er — obwohl sein Verstand klar arbeitete — unter Wirkung des genossenen Alkohols stand.

      „Ja, Chef“, erklärte Dr. Berg gefaßt. „Es handelt sich um einen Uterus myomatosus, den wir . . . ich glaube, schon vor fünf Tagen stationär aufgenommen haben. Ich habe dir damals von dem Fall berichtet. Die dreiundvierzigjährige Patientin, Frau Rainer, kam in stark ausgeblutetem Zustand zu uns. Wir haben abradiert, worauf die Blutung stand.“

      Professor Hartwig zog die Augenbrauen zusammen, bemühte sich mit äußerster Willenskraft um Konzentration. „Sie war nicht operationsfähig?“

      „Nein. Wir haben ihr täglich Blut gegeben. Ich hoffte, sie Anfang nächster Woche so weit zu haben. Laut Schwester Marie blutet die Frau aber jetzt plötzlich wieder so stark, daß nur die sofortige Amputation des Uterus übrigbleibt.“

      „Ach so, ja, ich verstehe . . .“ Der Chefarzt strich sich über die Stirn. „Wie hoch ist denn jetzt das Hämoglobin?“

      Noch ehe Dr. Berg antworten konnte, schaltete sich Dr. Günther Gorski, der Stationsarzt, ein. „Sie wurde mit sechsundzwanzig Prozent Hb eingeliefert, Onkel Konrad, der heutige Hb-Wert war achtundfünfzig!“

      Professor Dr. Hartwig sah den jungen Arzt mit deutlichem Mißfallen an. Es war absolut unüblich, dem Oberarzt, der ja ebenfalls informiert sein mußte, ins Wort zu fallen. — Verdammter Ehrgeizling! dachte der Chefarzt. Er war nahe daran, eine Rüge auszusprechen, unterließ es dann aber doch. „Keine ideale Ausgangsposition für einen Eingriff“, sagte er nur, „sind wenigstens Blutkonserven ausgetestet?“

      „Selbstverständlich“, erklärte Dr. Gorski, „ich habe das veranlaßt, obwohl die Patientin am Nachmittag noch gar nicht blutete!“ Das Lob, auf das er gewartet hatte, blieb aus.

      Der Chefarzt seufzte. „Ja, dann kann man nichts machen, meine Herren!“ Er sah sich im Kreis seiner Assistenten um. „Verdammte Schweinerei! Aber unser Beruf nimmt eben auf das Privatleben keine Rücksicht. Wer käme denn als Operateur in Frage?“

      „Ich würde das gern übernehmen“, erklärte Dr. Gorski prompt.

      Professor Hartwig musterte ihn mit gerunzelter Stirn. „Du? Nein, lieber nicht! Glaube nicht, daß ich an deinen Fähigkeiten zweifle, mein Junge, aber . . .“ Er zog die Luft durch die Zähne.

      Die anderen Ärzte wichen seinem Blick aus. Die meisten von ihnen waren es gewohnt, selbständig zu operieren und wären — unter normalen Umständen — durchaus in der Lage gewesen, diesen Eingriff durchzuführen. Aber jetzt, leicht betrunken, jäh aus festlicher Fröhlichkeit herausgerissen, fühlte sich keiner in der Lage, das unvermeidliche Risiko zu übernehmen.

      Professor Hartwig sah seinen Oberarzt nicht an, aber Dr. Berg begriff, was von ihm erwartet wurde. „Ich bin bereit!“ sagte er.

      Der Professor protestierte schwach. „Na hör mal, ausgerechnet heute, an deinem Polterabend . . . also, das möchte ich dir denn doch nicht zumuten!“

      Klaus Berg lächelte. „Ich mach’s schon, Papa . . . ab morgen müßt ihr dann ja sowieso für ein paar Wochen sehen, wie ihr ohne mich fertig werdet! Solltest du auf die Idee kommen, mir ein Telegramm nach Teneriffa zu schicken, dann wird es . . . das sage ich dir allerdings gleich . . . ungelesen in den Papierkorb wandern!“

      Dankbares Gelächter belohnte ihn für diesen Scherz. Die Stimmung begann sich wieder aufzulockern.

      „Jetzt brauche ich zwei Assistenten“, sagte Dr. Berg, „du kommst natürlich mit, Günther, und dann . . . Sie, Hartenstein! Stellen Sie das Glas rasch wieder aus der Hand! Ich hoffe, daß Schwester Marie uns einen starken Kaffee gemacht hat, der wird uns allen wieder auf die Beine helfen!“

      Die Patientin Brigitte Rainer lag schon im Vorzimmer des Operationssaales, als die Ärzte eintrafen. Sie war vom Lande eingeliefert worden, Mutter von vier Kindern, eine Frau, die ihr ganzes Leben hart gearbeitet und längst aufgehört hatte, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen.

      Dr. Berg lächelte ihr zu. „Wir werden Sie nun doch gleich operieren, Frau Rainer . . . Sie müssen nicht ängstlich sein, es geht sicher gut. Einmal hätten wir es ja doch machen müssen, so haben Sie es rasch überstanden. Sie sind doch mit der Operation einverstanden?“

      Brigitte

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