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verbissen: Naht des Bauchfells, Naht des Muskels, Naht des Unterhautgewebes, schließlich der Haut.

      Bei den letzten Hautnähten ließ der Anästhesist die Patientin bereits aufwachen — ihr Leib zuckte.

      „Kreislauf bessert sich“, meldete er.

      Es war geschafft.

      Die Operateure rauchten im Waschraum ihre erste Zigarette. Klaus Berg fühlte sich gleichzeitig erschöpft und unendlich befriedigt. Seine grauen Augen strahlten.

      Bei Dr. Hartenstein machte sich die Erleichterung in einem Redeschwall Luft. Er wiederholte die aufregenden Momente der Operation wie ein Junge, der einen interessanten Film erzählt, lachte, gestikulierte. Dr. Gorskis Augen waren verhangen. Er sah die Kollegen nicht an, es war, als wenn er sich nicht so schnell entspannen könnte, sein Mund war leicht verzerrt.

      Dr. Berg legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du bist mir doch nicht etwa böse, Gorski, weil ich recht behalten habe?“

      „Ach wo“, erwiderte der andere, ohne ihn anzusehen, „du hast eben die größere Erfahrung!“

      In diesem Augenblick stürzte die OP-Schwester in den Waschraum. Ihr sonst so rosiges Gesicht war schreckensbleich. „Herr Doktor“, stieß sie atemlos hervor, „ein Tuch fehlt!“

      Dr. Berg zuckte zusammen, als wenn man ihn geschlagen hätte. „Nein“, sagte er, „nein! Das kann doch nicht sein!“

      „Doch, wir haben alles durchsucht! — Eines der Tücher fehlt!“

      Die Kollegen wagten es nicht, Dr. Berg anzusehen. Alle wußten, was diese Feststellung bedeutete. Die Tücher, die zum Abstopfen des Bauchraums benutzt werden, sind numeriert. Wenn eins fehlte — wirklich fehlte —, konnte es nur im Leib der Patientin vergessen worden sein.

      Wenn das so war, bedeutete es fast mit Sicherheit den Tod der Patientin, an ein Aufmachen oder Nachsehen war bei dem Zustand Brigitte Rainers nicht zu denken.

      Dr. Berg kämpfte verzweifelt gegen diese furchtbare Erkenntnis. „Es kann nicht sein“, sagte er, „es ist unmöglich! Ich weiß genau, daß ich alle Tücher entfernt habe!“

      Dr. Gorski stieß den Rauch seiner Zigarette durch die Nase. „Fragt sich dann nur, wo das verlorene Tuch geblieben ist!“

      Dr. Berg überhörte die Bemerkung. „Warum haben Sie die Tücher nicht rechtzeitig gezählt, Schwester?“ fragte er. „Noch bevor ich vernäht hatte?“

      Die Schwester geriet ins Stottern. „Ja, ich weiß, das hätten wir tun sollen, aber . . . es ging alles so schnell, und wir haben einfach nicht daran gedacht!“

      „Aber ich habe Sie doch daran erinnert! Ich habe laut und deutlich befohlen: Zählen!“

      „Nein“, sagte die Schwester, „wirklich nicht, ich meine . . . dann müßte ich es einfach überhört haben!“

      Dr. Berg wandte sich an seine Assistenten: „Aber du, Gorski, du mußt dich doch noch daran erinnern!“

      Günther Gorski hob die Schultern. „Ich habe nicht darauf geachtet, ich hatte anderes zu tun.“

      „Dr. Hartenstein, Sie werden doch wissen . . .“

      „Leider nein“, behauptete auch der zweite Assistent, „aber ich finde, auch wenn Sie es nicht ausdrücklich gesagt hätten, Herr Oberarzt, hätten es doch die Schwestern wissen müssen.“

      „Danke“, unterbrach ihn Dr. Berg, „es nützt jetzt nichts mehr, wenn wir versuchen, die Schuld abzuschieben!“

      „Wir? Was heißt denn . . . wir?“ protestierte Dr. Gorski. „Du warst der Operateur . . . du allein bist verantwortlich!“

      Eine Sekunde lang sahen sich die beiden Männer in die Augen, eine Sekunde, die genügte, um Klaus Berg erkennen zu lassen, daß Günther Gorski sein Feind war.

      „Stimmt“, sagte er dann beherrscht, „deshalb werde ich heute nacht bei der Patientin bleiben. Du, Gorski, wirst das Vergnügen haben, Professor Hartwig von dem Zwischenfall zu unterrichten.“

      „Danke“, sagte Hartenstein, „in dessen Haut möchte ich nicht stekken!“

      „Ich“, sagte Dr. Gorski, „bedauere nur die Patientin, die er auf dem Gewissen hat!“

      Die Operationsschwester rang nervös die Hände. „Eine Mutter von vier Kindern! Ja, es stimmt, der Herr Oberarzt trägt die Verantwortung . . . aber ich werde mir das nie verzeihen, nie, solange ich lebe!“

      „Darf ich eintreten?“ fragte Dr. Gorski förmlich.

      „Ja, natürlich, aber sei leise.“ Professor Hartwig schloß die Haustür hinter dem späten Gast, schritt auf Zehenspitzen voraus in sein Arbeitszimmer, einen ausgesprochen luxuriös und repräsentativ eingerichteten Raum, in dem es kostbare Perserteppiche, wunderbare alte Gemälde und sehr schöne bequeme Möbel gab.

      „Setz dich“, sagte er, „ich nehme an, du trinkst noch ein Glas mit mir!“ Er zog den gläsernen Stöpsel aus einer Karaffe mit goldenem alten Kognak, schenkte ein. „Kommt mein verehrter Schwiegersohn noch? Oder hat er es vorgezogen, sich schon langzulegen?“

      „Nein“, sagte Günther Gorski.

      „Nein? Was soll denn das nun wieder heißen . . . ist das etwa eine Antwort?“

      Dr. Gorski zündete sich umständlich eine Zigarette an. „Ich bedaure es sehr, lieber Onkel, dir eine unangenehme Nachricht überbringen zu müssen.“

      Professor Hartwig ließ das Glas wieder sinken. „Ist Klaus etwas zugestoßen?“ fragte er.

      „Nicht ihm“, entgegnete Dr. Gorski gefaßt, „aber der Patientin.“

      Professor Hartwig hob sein Glas, nahm einen kräftigen Schluck.

      „Ah, ich verstehe . . . Operation gelungen, Patientin tot. Tut mir leid, verdammt noch mal, aber damit war ja zu rechnen. Riskanter Eingriff ohnehin — überaus geschwächte Frau! Hat es Berg sehr mitgenommen?“

      „Du mißverstehst die Situation, Onkel Konrad . . .“

      „Tue ich das? Na, ich hoffe, dann wirst du so gut sein und Licht in die Angelegenheit bringen!“ Professor Hartwig ließ sich schwer in einen der Sessel fallen.

      Günther Gorski gab einen sehr genauen Bericht der Vorgänge im OP, die mit der tödlichen Gefährdung der Patientin ihren Höhepunkt erreichten.

      „Du mußt das verstehen, Onkel Konrad“, sagte er abschließend, „unsere Nerven waren aufs äußerste gespannt, wir mußten befürchten, daß das Leben der Patientin unter unseren Händen erlosch, deshalb ist es immerhin verständlich, wenn Berg . . .“

      Professor Hartwig brachte ihn mit einem scharfen Blick zum Verstummen. „Wer gibt dir das Recht, deinen Oberarzt zu verteidigen?“

      „Entschuldige“, sagte Dr. Gorski sofort, „ich wollte nur . . .“

      „Mir ist völlig klar, was du wolltest . . . völlig klar auch, daß du diese Situation genießt!“

      „Also . . . da tust du mir aber wirklich unrecht, Onkel Konrad!“ verteidigte sich Dr. Gorski, aber in seiner Stimme war nicht eine Spur von Erregung.

      Professor Hartwig starrte vor sich auf die mattpolierte Tischplatte. „Ich kann nicht glauben, daß Berg so etwas passiert ist, es wäre unvorstellbar! Einem so erfahrenen und zuverlässigen Operateur . . . nein, nein!“

      Der Professor schwieg lange, und Dr. Gorski wagte nicht, ihn zu stören.

      Endlich hielt der junge Mann es nicht länger aus, fragte: „Und was wirst du nun tun?“

      Hartwig hob den Kopf, sah ihn an. „Was kann ich tun? Was bleibt uns übrig? Wir können jetzt nur noch hoffen, daß sich das verschwundene Tuch doch noch findet . . .“

      „Die Schwestern haben alles durchsucht, es besteht

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