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Morgen, Herr Neuhausen!« echote Frau Heinzelmann beflissen.

      »Ich sehe, ihr seid fleißig«, stellte er in einem Ton fest, als ob es ihn wundere, in seinem Betrieb mal einen anderen Zustand als Müßiggang und Faulenzerei zu erleben.

      Die beiden sahen ihn schweigend an, zur Verteidigung bereit; denn irgendein Angriff würde jetzt kommen, das war sicher.

      Neuhausen trat ins Zimmer, er war noch im Mantel, der vor Nässe glänzte. »Ich muß mit Ihnen sprechen, Frau van den Berg … Nein, bleiben Sie ruhig, Heinzelmännchen, ich werd’s kurz machen.«

      Er ging im Zimmer auf und ab und rieb sich die Hände, die in hellen Schweinslederhandschuhen steckten.

      Verena sah in an.

      »Sie haben mir da gestern ein Manuskript hereinreichen lassen … bitte, unterbrechen Sie mich, wenn ich mich irre … aber ich hatte nach dem beiliegenden Gutachten den Eindruck, daß Sie dieses Manuskript für druckreif halten …« Er machte eine Pause.

      »Ich halte alle Manuskripte für druckreif, die ich Ihnen vorlege«, sagte Verena und war froh, daß ihre Stimme klar und fest klang.

      Er blieb stehen. »Ist das Ihr Ernst?«

      Sie sagte nichts und sah ihre Hände an. Ihre langen Nägel waren mattrot lackiert. Eine hübsche Farbe, dachte sie, entschlossen, sich nicht reizen zu lassen.

      »Nun, ich dachte, Sie hätten einen Witz mit mir machen wollen«, fuhr Neuhausen fort, »es wäre zwar ein schlechter Witz gewesen, aber immerhin …«

      Er machte wieder eine Pause, aber Verena schwieg beharrlich weiter.

      »Sie wagen es, mir ein Manuskript unter die Nase zu legen, das in der Zeit vor der Währungsreform spielt?« brüllte er plötzlich los.

      Verena sah nicht hoch. Sie wußte, daß sein kahler Schädel jetzt rot anlief.

      »Nach all den Jahren, in denen ich mir Mühe gegeben habe, Sie hier einzuarbeiten! Es ist doch wahrhaftig zum …« Er schlug sich klatschend vor die Stirn und rannte im Zimmer auf und ab.

      Dann blieb er unvermittelt stehen und sagte mit mühsam beherrschter Stimme: »Bitte, vielleicht sind Sie so gut mir zu erklären, was Sie sich dabei gedacht haben. Frau van den Berg, bitte, erklären Sie es mir, ich bin ein alter Mann, es ist ja gut möglich, daß ich nichts mehr von meinem Beruf verstehe …« Seine Stimme erstarb.

      »Ich habe in meinem Gutachten ausdrücklich betont, daß es wahrscheinlich eine gewisse Schwierigkeit beim Verkauf geben wird, weil …«

      »Eine gewisse Schwierigkeit!« Er lachte hysterisch auf. »Eine gewisse Schwierigkeit! Frau van den Berg, bitte, seien Sie doch so gut und teilen Sie mir mit, wem ich einen solchen Roman verkaufen soll! Sie wissen es, nicht wahr, ich bin sicher, daß Sie es wissen! Also, sagen Sie es mir!«

      Verena schwieg.

      »Nun, Sie schweigen – auch eine Antwort! Dann will ich es Ihnen sagen. Ein Roman, der in der Zeit vor der Währungsreform spielt, läßt sich überhaupt nicht verkaufen! Hören Sie gut zu, Frau van den Berg … läßt – sich – überhaupt – nicht – verkaufen! Nirgendwo! An niemanden! Kein Verleger auf der ganzen Welt wird einen solchen Roman drukken, verstanden?«

      Verena blickte auf. Neuhausen war stehengeblieben, rang nach Luft und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

      »Die Story ist gut, Chef, und der Roman ist wirklich glänzend geschrieben, das werden Sie doch auch festgestellt haben!« sagte sie.

      Ihre Stimme klang ruhig, aber Zorn brannte in ihrem Inneren. Verdammt will ich sein, dachte sie wütend, wenn du auch nur einen Blick in das Manuskript getan hast, du ekelhafter alter Idiot! Sie senkte rasch die Augen, aus Angst, er vermöchte ihre Gedanken zu lesen.

      »Meinen Sie, daß sich die Story auch in eine andere Zeit transponieren ließe?«

      »Sicher«, sagte Verena, »obwohl …«

      »Danke! Dann schreiben Sie das dem Autor gefälligst! Schreiben Sie ihm, er soll’s transponieren. Oder er soll seinen Roman die nächsten zehn Jahre in der Schublade liegen lassen, aber in der hintersten! Vielleicht nimmt ihn später mal jemand ab. Jetzt nicht … jetzt kriegt er ihn nirgends unter, auf keinen Fall!«

      »Jawohl, Chef!«

      »Schreiben Sie ihm am besten, er soll das ganze in … na, sagen wir mal, ins Elisabethanische England transponieren. Oder auch nach Frankreich in die Zeit der Französischen Revolution. Historische Schinken ziehen immer! Sagen Sie mal, was schauen Sie mich denn so an, Frau Heinzelmann?«

      »Ich … nicht daß ich wüßte …« Frau Heinzelmann senkte erschrocken den Blick.

      »Los! Sie haben mich angesehen, als ob Sie was sagen wollten!«

      »Nein, wirklich nicht.«

      »Raus mit der Sprache!« brüllte er.

      »Ich … ich wollte nur sagen. Ich dachte nur … zwischen der Zeit vor der Währungsreform bei uns und dem Elisabethanischen England … da gibt es doch gar keine Ähnlichkeit!«

      »So? Sie wissen also genau, wie es im Elisabethanischen England zugegangen ist? Interessant, sehr interessant! Dann erzählen Sie mir doch, bitte, was darüber. Seien Sie so gut!«

      »Nein, ich – ich weiß natürlich nicht …«

      »Und wer, glauben Sie, weiß es?«

      Frau Heinzeimann schwieg und wagte nicht aufzusehen.

      »Niemand, sage ich Ihnen! Man braucht den Leuten nur zu erzählen, im Himmel ist Jahrmarkt, und sie glauben es, da können Sie sicher sein. Und warum auch nicht? Ich frage Sie!«

      Frau Heinzelmann wußte nichts zu antworten.

      »Also, Verena, Sie wissen, was Sie dem Autor zu schreiben haben! Er soll die Sache ins Elisabethanische England transponieren, seien Sie so gut, ja?«

      »Ja, Chef!«

      Einen Augenblick noch blieb er mitten im Raum stehen und starrte die beiden Frauen durch seine dunklen Brillengläser an, dann ging er zur Tür. »Ich werde Ihnen das Manuskript gleich rüberschicken«, meinte er noch; dann war er gegangen.

      »Na, ich hoffe nur, jetzt ist ihm wohler«, sagte Verena nach einem kurzen Schweigen.

      »Ich sag’s ja immer«, murmelte Frau Heinzelmann.

      Wo sind wir stehengeblieben?«

      »Es tut mir so leid, Frau van den Berg.«

      »Was denn?« fragte Verena leicht gereizt.

      »Daß ich das gesagt habe! Jetzt hat er sich nur noch mehr in sein Elisabethanisches England verbissen.«

      »Unsinn! Bis der Autor das Manuskript überarbeitet hat – falls er sich überhaupt darauf einläßt – hat Neuhausen das längst vergessen, das sollten Sie doch wissen.«

      »Manchmal wundere ich mich wirklich …«, sagte Frau Heinzelmann, stockte mitten im Satz und fügte hinzu: »Aber so was soll man wohl besser gar nicht aussprechen!«

      Verena spielte mit ihrem Bleistift; sie hatte gute Lust, ihn in der Mitte durchzubrechen.

      »Daß ein Mann wie Neuhausen sich überhaupt halten kann«, platzte Frau Heinzelmann heraus. »Lesen tut er nie etwas, das weiß doch jeder hier, und …«

      »Dafür hat er ja uns!«

      »Das sag ich ja.«

      »Frau Heinzelmann, Sie sehen das falsch!« Verena versuchte Neuhausen mehr noch vor sich selbst als vor ihrer Sekretärin zu verteidigen. »Neuhausen ist Geschäftsmann, ein tüchtiger Geschäftsmann. Er versteht es, mit den Autoren Verträge zu machen, bei denen er so viel wie möglich für die Agentur rausholt – und sie lassen sich das gefallen, weil er in seinen Verträgen mit den Verlagen so viel wie möglich für die Autoren rausholt. Machen Sie ihm das mal nach, wenn Sie können! Ich

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