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und alle Dorfbewohner folgten ihm.

      Der Müller schüttelte betrübt den Kopf. Nun, nachdem sich die Menschen verlaufen hatten, fand auch Fritz endlich Gelegenheit, seinen Bruder zu begrüßen. Er wurde sehr von oben herab abgefertigt.

      „Komm, mein Junge,“ sagte die Müllerin, „die beste Stube haben wir für dich eingeräumt.“

      Peter machte eine abwehrende Bewegung. „Ich muß euch gleich wieder verlassen, damit mir niemand an König Gundermanns Hof zuvorkommt. Aber ihr versteht, bei Hofe muß ich standesgemäß auftreten, das kostet viel Geld, viel Geld!“

      Der Müller kratzte sich hinter den Ohren. Er beteuerte, daß er kein Geld mehr habe, ja, sogar die Mühle verkaufen mußte und jetzt nur noch Pächter sei.

      „Nun,“ antwortete Peter, „so muß ich mich mit der im Hause befindlichen Pachtsumme begnügen.“

      Davon wollte der Müller nichts wissen, und auch Fritz bestand darauf, daß der Schulze zu seinem Recht kommen müsse. Peter wußte aber seine Eltern zu überreden, indem er ihnen vorhielt, sie würden den Betrag in Kürze zurückerhalten und dürften ihm doch solcher Kleinigkeit halber seine glänzende Zukunft nicht verderben. Kaum hatte er jedoch den gefüllten Beutel in der Hand, so sagte er hastig Lebewohl und machte sich eilends aus dem Staube.

      Es währte nicht lange, und der Schulze trat ins Zimmer. Als er erfuhr, daß Peter mit der Pacht auf und davongegangen sei, ward er fuchsteufelswild und rief: „Bis der Peter den Betrag zurückzahlt, würde ich warten können, bis Ostern und Pfingsten auf einen Tag fallen! Darauf lasse ich mich nicht ein. Oft genug hat’s mich geärgert, wie ihr eurem Ältesten immer mit vollen Händen gegeben habt und für euren Jüngsten nichts übrig hattet.“

      Da zeigte Fritz auf seine Fiedel, beruhigte den Schulzen und erzählte, wie der Lindenbauer ihm gesagt habe, einem Spielmann stehe die ganze Welt offen. Er wolle jetzt hinausziehen. In Jahresfrist käme er wieder, bis dahin möge sich der Schulze noch gedulden. Nach einigem Zögern war der mit dem Vorschlag einverstanden, und am anderen Morgen, bei Sonnenaufgang, trat Fiedelfritz frohen Herzens seine Wanderschaft an.

      Kehren wir zu Peter zurück. Er marschierte hocherhobenen Hauptes, ohne auch nur einen der Dorfbewohner anzusehen oder zu grüßen, durch seinen Heimatort. Als er einige Stunden rüstig ausgeschritten hatte, kam der große, weite Wald in Sicht. Gern würde er einen anderen Weg gewählt haben, denn er wußte, daß es dort nicht recht geheuer war, und allerlei spukhafte Geister ihr Wesen treiben sollten. Ihm blieb jedoch keine Wahl, wenn er zu König Gundermanns Hof wollte, so mußte er durch diesen tiefen Forst.

      Um sich Mut einzuflößen, stimmte er wüste Lieder an, und da er vierzehn Jahre studiert hatte, war er darin besser bewandert als in der medizinischen Wissenschaft. Zum Takt schwang er seinen dicken Knotenstock und schlug bei der Gelegenheit Zweige von den Bäumen und den am Saumpfad wachsenden Blümchen die Köpfe ab.

      Die Vöglein flatterten erschreckt in die Gipfel der Buchen und Tannen, und das Wild flüchtete entsetzt in das dichteste Unterholz.

      Der wüste Gesang drang bis zu des Pilzkönigs und Mucki-Puckis Ohren. „Wer stört denn in so frevelhafter Weise die heilige Stille des Waldes?“ fragte er entrüstet.

      „Das muß ein schlimmer Bursche sein!“ antwortete das Männlein mit dem Krönchen.

      „Na warte, dem werde ich heimleuchten!“ sagte der Waldgeist und stellte sich hinter einen dicken Stamm.

      Die kleinen Pilze, die eben noch einen lustigen Reigen aufgeführt hatten, blieben vor Schreck wie gebannt stehen.

      Auch Peter stockte plötzlich mitten im Lauf. Er hielt die Hand vor Augen und sprach:

      „Da mein ich doch eben ganz deutlich gesehen zu haben, wie lauter kleine Pilzmännlein auf einem Bein tanzten, und wie ich gerade richtig zugucken will, ist alles vorbei. Das ist doch zu dumm!“

      Mucki-Pucki rief aus seinem Versteck: „Du dumm!“

      Peter sah sich erstaunt im Kreise um, da er aber niemand entdecken konnte, fragte er: „Wie war das? Ich dumm? Ist hier jemand, der mich narrt?“

      „Na wart!“ tönte es zurück.

      „Bleib er mir gewogen!“ schrie Peter voller Zorn.

      „Gelogen!“ gab Mucki-Pucki prompt Bescheid.

      „Meint er mich?“

      „Ja, dich!“

      Ganz entsetzt entfuhr es Peter: „Wie, er weiß, daß ich gelogen?“

      „Und betrogen!“ ward ihm zur Antwort.

      Peter wurde die Sache unheimlich. Er fragte voller Furcht: „Das weiß er auch?“

      „Das auch!“ rief Mucki-Pucki, der seinen Spaß daran hatte, dem üblen Burschen einen kräftigen Denkzettel zu geben. Dem schlotterten bei seinem schlechten Gewissen vor Angst die Knie, und gar kläglich kamen ihm die Worte über die Lippen: „Aber das weiß doch keiner!“

      Der lustige Waldgeist erwiderte übermütig:

      „Doch einer!“

      Nun packte den Wichtigtuer die Wut „Ah, jetzt habe ich die Richtung der Stimme heraus!“ schrie Peter.

      Vor dem Pilzkönig blieb er stehen, hob drohend seinen dicken Knotenstock und schimpfte: „Da hab ich also den Frechdachs! Warte, mein Junge, das soll dir schlecht bekommen!“ und ehe das Pilzlein sich dessen versah, schlug er ihm das Krönlein vom Kopf.

      „Halt ein! Halt ein! Schlag mich nicht! Wenn du mich ferner schlägst, verscherzt du dein Glück, ich bin nämlich der Glückspilz!“

      Peter lachte höhnisch auf: „Ein Hanswurst bist du!“ Schwuppdiwupp, da lag das arme Pilzlein hilflos am Boden und rief: „Nun hast du dein Glück verscherzt!“

      Der Grobian lachte den Ärmsten noch aus und verspottete ihn, hatte aber nicht bemerkt, daß sich Mucki-Pucki auf den Boden geworfen hatte, und stolperte nun über den Grünen. Der hielt den der Länge lang Hingefallenen am Hosenboden fest und zog ihm den Beutel mit Geld aus der Tasche, den er ins Gras warf. Ehe Peter recht wußte, was geschehen war, hatte sich Mucki-Pucki aus dem Staube gemacht.

      Mühsam erhob sich Peter. Sein Knie schmerzte. Er humpelte. „Ich bin in einen Zauberwald geraten und wurde verhext,“ schrie er kläglich, „ach, wär ich erst mit heiler Haut hier heraus!“

      „Raus! Raus! Raus!“ tönte es ihm von allen Seiten entgegen. Er lief so schnell er es nur vermochte. Der Wind fuhr durch die Bäume und pfiff ihm ein lustiges Lied, und alle Zweige schlugen auf Peters Rücken den Takt dazu. Als er endlich das Ende des Forstes erreicht hatte, war er grün und blau geprügelt und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten.

      Am anderen Tag hallte eine helle, fröhliche Stimme durch Busch und Laub, und die Klänge einer Fiedel begleiteten sie. Lauter liebe alte Volkslieder erklangen.

      Alle Vöglein und alles vierbeinige Getier wurden angelockt und begleiteten den Wanderer, und die Pilzlein hüpften im Kreise herum, daß es eine helle Freude war, ihrem Reigen zuzuschauen. Als der Fiedelfritz — denn wer sollte es sonst wohl sein? — das sah, setzte er den Bogen an und spielte: „Ein Männlein steht im Walde“, und da tanzten die kleinen Rotkäppleinträger noch einmal so munter darauf los.

      Mitten im Spiel stockte Fritz. Er sah den hilflos am Boden liegenden Pilzkönig, richtete ihn sorgsam auf, holte auch das Krönlein herbei und setzte es ihm aufs Haupt.

      „Bist du ein hübsches Kerlchen,“ sagte er, „schaust wie ein König aus!“

      „Ich bin doch auch der König aller Pilze, und da du mir, einem Glückspilz, geholfen hast, wirst du selber künftig vom Glück begleitet sein!“

      Kaum waren die Worte gesprochen, da stieß Fritzens Fuß gegen etwas Hartes, und wie er es aufhob, hatte er den Beutel mit der Mühlpacht in Händen. Aber statt sich zu freuen, machte er ein betrübtes Gesicht und sagte: „O, ich Unglücksrabe, kaum habe ich meine Wanderung

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