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fragte sie. »Welche ihm geholfen haben, die Mordthaten auszuführen?«

      »Entweder dieses Eine –«

      »Oder? Was ist das Andere?«

      »Oder Mitschuldige, welche zufälliger Weise Zeugen des Mordes waren, sich aber durch irgendwelche Gründe bestimmen ließen, für Franz von Helfenstein und gegen Gustav zu zeugen.«

      »Gott! Daran habe ich noch nie gedacht!«

      »Und doch ist es sehr leicht, auf solche Gedanken zu kommen, wenn man die Verhältnisse betrachtet, welche sich seit jener Zeit ergeben und entwickelt haben.«

      »Welche Verhältnisse meinen Sie?«

      »Zum Beispiele die Verheiratung Ihres Cousins mit Ihrer früheren Zofe Ella.«

      »Diese Verbindung ist mir von jeher höchst merkwürdig gewesen. Ich habe sie mir allerdings zu erklären gesucht.«

      »Welche Erklärung fanden Sie.«

      »Ella war hübsch, raffinirt, schlau berechnend. Sie wollte hoch hinaus und hat den Cousin umgarnt.«

      »Ein schönes, raffinirtes, aber niedrig geborenes Mädchen vermag einen Edelmann nur dann zu umgarnen, wenn er eine grob sinnlich angelegte Natur ist. War Ihr Cousin eine solche?«

      »Ich möchte nicht Ja sagen. Er mag ein Roué gewesen sein, wie er es ja auch jetzt noch zu sein scheint, aber er war in eben dem Grade auch berechnend, habsüchtig, stolz und eingebildet.«

      »Ueberdies schien er Sie geliebt zu haben?«

      »Ich hatte die Ehre, ihn von seiner Liebe sprechen zu hören.«

      »Schön! Ella war unmöglich befähigt, Sie in seiner Liebe auszustechen. Es muß ein anderer, geheimerer Grund zur Verheirathung vorhanden gewesen sein.«

      »Vermögen Sie, ihn zu finden?«

      »Ich halte mich einstweilen an eine Hypothese.«

      »Bitte, darf ich sie erfahren?«

      »Sagen Sie erst, ob Sie sich entsinnen können, daß Ihr Cousin an jenem Tage, welcher den beiden Mordthaten voranging, einmal unter vier Augen mit Ihrem Vater gesprochen hat?«

      »Auch ich habe gerade daran öfters gedacht, und darum entsinne ich mich ganz genau, daß eine solche Unterredung stattgefunden hat.«

      »Ah, wann?«

      »Der Cousin hatte mich auf dem Tannenstein mit seiner Liebeserklärung belästigt, und Brandt war dazu gekommen. Kurz nach unserer Rückkehr von dort nach dem Schlosse ist der Cousin bei Papa gewesen, aber in sehr schlechter Laune von ihm zurückgekehrt.«

      »Das stimmt ganz prächtig zu meinem Gedankengange. Ihr Cousin war ein notorischer Spieler; er hatte viele Schulden. Nicht?«

      »Allerdings!«

      »Er schuldete auch Ihrem Vater. Er wollte weiter von ihm borgen und bekam nichts. Ihre Liebe konnte ihn retten. Er erhielt von Ihnen und dem Vater einen Korb. Nur der Tod des Vaters konnte ihn seinem Ziele näher bringen. Er hatte zwei Ziele. Erreichte er das Eine nicht, so erreichte er das Andere sicher!«

      »Zwei Ziele?«

      »Ja. Haben Sie über das zweite noch nicht nachgedacht?«

      »Nein. Ich habe keine Ahnung von demselben.«

      »Und er hat es doch erreicht!«

      »Ich verstehe Sie nicht!«

      »Nun, so muß ich deutlicher sein, auch auf die Gefahr hin, grausame Erinnerungen in Ihnen aufzufrischen.«

      »Thun Sie es! Thun Sie es immerhin! Wenn ich nur Licht erhalte.«

      »Das eine Ziel war die Verbindung mit Ihnen. Mit Ihnen hoffte er fertig zu werden; aber der Vater mußte sterben.«

      »Und das andere?«

      »Das andere war der Besitz der Herrschaft Helfenstein. Da waren aber Zwei im Wege, nämlich Ihr Vater und Ihr kleines Brüderchen, und Beide mußten sterben.«

      Alma starrte den Sprecher wie abwesend an.

      »Großer Gott!« rief sie. »Das könnte ja nur der Plan eines Teufels gewesen sein!«

      »Ja. Der Teufel aber hat gewollt, daß er gelinge.«

      »Haben Sie Gründe zu dieser Annahme?«

      »Ich sagte bereits, daß ich bis jetzt nur eine Hypothese aufbaue. Aber ich bin in Helfenstein gewesen; ich habe mich erkundigt; ich habe verglichen und berechnet. Ich habe gegraben wie der Bergmann, welcher weiß, daß er auf die Ader treffen muß, aber die Tiefe noch nicht kennt, in welcher sie liegt. Verschiedene Anzeichen lassen mich vermuthen, daß ich bald, sehr bald auf diese Ader stoßen werde. Dann sollen Sie die Erste sein, welche den Erfolg meiner Arbeit erfahren wird.«

      »So meinen Sie, daß jener Brand, bei welchem mein Brüderchen umkam, beabsichtigt war?«

      »Ich bin moralisch überzeugt davon. Ich möchte sogar behaupten, daß man Ihr Brüderchen getödtet und dann das Bett in Brand gesteckt hat, um den Mord zu vertuschen.«

      »Mein Gott, mein Gott, wie fürchterlich!«

      Sie saß da vor ihm, ein starres Bild des Entsetzens. Er aber ließ sich dadurch nicht beirren und fuhr fort:

      »Wir haben es also nur mit dem Plane zu thun, welcher gelungen ist – der zweite: Ihr Vater und Ihr Brüderchen mußten sterben. Zunächst der Vater. Die Gelegenheit war da – eine Jagd. Ein Dritter, auf den die Schuld geschoben werden konnte, auch, nämlich Brandt. Er hatte Ihren Cousin zur Rache gereizt, den Zorn Ihres Vaters herausgefordert und den Hauptmann von Hellenbach beleidigt. Hat Geld gefehlt, Baronesse?«

      »Es stellte sich erst später heraus, daß mehrere Tausend Thaler in Gold fehlten.«

      »Schön! Das paßt. Ihr Cousin war in Geldnoth. Er sieht Brandt, im Kampfe mit Blut befleckt, zu Ihrem Vater eilen, um ihn zu warnen. Er läßt Brandt fort und begiebt sich dann auch zu Ihrem Vater. Er schneidet ihm den Hals durch und steckt so viel Geld ein, als er gerade braucht. Das Messer, mit welchem der Mord vollbracht wurde, läßt er liegen, um den Verdacht auf Brandt zu lenken, dem er es am Nachmittage gestohlen hat, als er Sie mit ihm belauschte. Er geht, schließt die Thür zu und steckt den Schlüssel ein, begegnet aber unglücklicher Weise wem – –?«

      »Nun, wem?«

      »Ella, der Zofe!«

      »Ah, ich ahne!«

      »Nicht wahr? Sie hat gewußt, wer der Mörder war, und ihn gezwungen, sie zu heirathen. Ich habe erfahren, daß sie am Tage vor der Verhandlung ihn besucht hat. Sie sind noch an demselben Tage zum Pfarrer gegangen. Die Verlobung wurde unter diesem Datum eingetragen. Ich habe sie kürzlich gelesen.«

      Alma war ganz Ohr.

      »Jetzt wird es hell in mir, furchtbar hell!« sagte sie.

      »O, hören Sie nur weiter! Wer war es, wer Gustav Brandt aus dem Waggon befreite, als er nach dem Zuchthaus transportirt werden sollte?«

      »Der Schmied und sein Sohn.«

      »Schön! Welche Veranlassung hatten Beide zu dieser an und für sich höchst gefährlichen und von unserer Seite aus lobenswerthen That?«

      »Ich weiß keinen Grund. Vielleicht thaten sie es aus Freundschaft für Brandt und dessen Vater.«

      »War die Freundschaft zwischen dem Förster und dem Schmied so groß?«

      »Ich könnte es nicht behaupten.«

      »Oder zwischen den Söhnen dieser Beiden?«

      »Ebenso wenig.«

      »Nun, so kenne ich nur zwei Gründe, welche wir untersuchen wollen!«

      »Ich habe keine Ahnung von noch zwei Gründen. Ich erkenne heute sehr deutlich, daß der Mann im Beobachten und Calculiren weit über unserem Geschlechte

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