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Ich bin es! Ich bin da!«

      Sie trat ein. Da endlich richtete er sich auf, aber langsam und zögernd, als ob er sich im Traume befinde.

      »Wer kommt? Wer?« fragte er in rauhem Tone und indem seine Augen sich gläsern auf sie richteten.

      »Ich! Kennst Du mich nicht?«

      Ihr wurde es bei diesem Benehmen ganz angst und bange. Sie trat vorsichtig wieder bis an die Thür zurück.

      »Dich kennen?« fragte er. »Dich – Dich – – Dich? Ah, ich sehe Dich von Weitem! Ich höre Deine Stimme aus der Ferne, aber ich denke doch, daß Du es bist, mein Weib, meine Frau!«

      Er starrte ihr mit weit offenen Augen entgegen. Das Gift, welches er von seinem Bruder erhalten hatte, war bereits in Wirkung getreten. Er sah und hörte Alles nur wie aus der Ferne und wie durch einen Nebel.

      Jetzt erst, als er hoch erhoben dastand, erkannte der Knabe seinen Vater. Er streckte ihm die Ärmchen entgegen und rief:

      »Papa! Papa!«

      Da war es, als ob der Gefangene electrisirt worden sei. Er that einen Satz in die Luft und schrie:

      »Der Junge! Donnerwetter! Ist der Junge da?«

      »Papa! Papa!«

      Noch einmal lauschte er wie ein wildes Thier, welches sein Junges schreien hört, dann sprang er nach der Ecke, in welcher der gefüllte Wasserkrug stand, und goß sich den ganzen Inhalt desselben über den Kopf.

      »Ach, endlich! Endlich kann ich sehen!« sagte er dann. »Weib, Du hier! Und der Junge mit! Das vergelte Euch Gott!«

      Er schlang beide Arme um Weib und Kind und drückte sie an sich. Die Frau weinte laut vor Freude und Jammer.

      »Wilhelm,« sagte sie, »bist Du krank?«

      »Krank? Ja, ja! Hölle und Teufel, mit mir wird es wohl nun aus sein!«

      »Warum? Warum? Was fehlt Dir denn?«

      »Mein Bruder war da, in der Nacht, draußen auf der Leiter, mit dem Hauptmanne. Er gab mir Schnaps zu trinken. Seit diesem Augenblicke habe ich ein Feuer in mir. Die Augen vergehen mir, und das Gehör wird schwach. Hat man mir Gift gegeben?«

      Sie erschrak.

      »Das wird doch Dein Bruder nicht thun,« sagte sie.

      »Ich denke auch nicht.«

      »Oder der Hauptmann?«

      »Auch nicht. Er hat mich ja retten wollen. Er braucht mich. Aber woher dieses Feuer in mir, welches mir den Verstand nehmen will?«

      »Nur von dem Branntwein vielleicht.«

      »Möglich! Bei dieser Gefängnißkost wird man so kraftlos, daß man keinen Tropfen Spiritus mehr vertragen kann. Aber, warum bist Du nicht eher einmal gekommen?«

      »Ich durfte nicht. Untersuchungsgefangene dürfen mit ihren Angehörigen nicht sprechen.«

      »Aber warum darfst Du heute?«

      »Das habe ich dem gütigen Fräulein von Hellenbach zu danken.«

      »Von Hel – Hel – – wie war der Name?« fragte er.

      »Hellenbach.«

      »Meinst Du die Tochter des Obersten?«

      »Ja.«

      »Bei der ich eingebrochen bin?«

      »Ja.«

      »Bist Du verrückt! Diese soll Dir die Erlaubniß ausgewirkt haben?«

      »Ja, diese und keine Andere.«

      Er griff sich an den Kopf, als ob er den Gedanken nicht zu fassen vermöge.

      »Was hat sie für einen Zweck dabei?« fragte er.

      »Keinen. Sie that es aus Mitleid.«

      »Aus Mitleid? O, das glaube ich nicht! Traue diesem reichen, vornehmen Volke nicht! Du bist dumm! Sie wollen Dich fangen oder vielmehr mich durch Dich!«

      »Nein, nein! Sie hat es ehrlich gemeint!«

      »Das zu glauben, wäre Wahnsinn! Paß' auf! Da hinter der Thüre steht man, um zu hören, was wir sprechen.«

      »Nein. Kein Mensch ist da.«

      »Keiner! Das wäre ein Wunder!«

      Er trat hinaus, um sich zu überzeugen. Er kannte die Hausordnung und die Gebräuche der Untersuchung. Er war ganz erstaunt, als er bemerkte, daß sie die Wahrheit gesagt habe.

      »Daraus werde ich nicht klug,« meinte er. »Oder sollte es eine Falle sein? Die Hellenbach! Weib, solltest Du Dich hergegeben haben, mich zu betrügen?«

      Er trat zurück und ballte drohend die Fäuste.

      »Was denkst Du von mir? Ich habe mein Wort geben müssen, nichts Verbotenes mit Dir zu besprechen. Dieses Wort werde ich halten, und so hat man mich zu Dir gelassen.«

      »Das ist Dein Glück! Ich hätte Dich mit dieser meiner Faust niedergeschlagen, wenn ich bemerkt hätte, daß Du an mir zur Verrätherin werden wolltest!«

      »Was könnte ich den verrathen? Ich weiß ja nichts!«

      »Das ist wahr. Also, setze Dich zu mir her auf die Pritsche und gieb mir den Jungen. Unterdessen kannst Du mir sagen, was Du mir mitzutheilen hast.«

      Er nahm den Knaben aus ihren Armen, und sie setzten sich neben einander. Sie wußte, daß er Thränen nicht leiden könne, darum beherrschte sie sich, obgleich ihre Lage eine wirklich traurige war. So besprachen sie Alles, was in Beziehung auf Familie und Wirthschaft zu besprechen war. Sie bemerkte dabei, daß er sich Mühe geben mußte, ihr mit seinen Gedanken zu folgen.

      »Welche Strafe denkst Du wohl, daß ich bekommen werde?« fragte er später.

      »Mein Gott! Es ist schrecklich! Man spricht von über zwanzig Jahren Zuchthaus. Wie oft habe ich Dich –«

      »Still! Ruhig!« unterbrach er sie. »Kein Jammern! Es ist so, und es kann durch Wehklagen nicht anders werden! Was wirst Du während dieser langen Zeit thun?«

      »Was soll ich thun? Arbeiten!«

      »Arbeiten? Pah! Heirathen wirst Du! Einen Anderen nehmen!«

      »Das kommt mir nicht in den Sinn!«

      »O, Euch Weiber kennt man nur zu gut! Oder weißt Du etwa nicht, daß eine solche Zuchthausstrafe Scheidegrund ist?«

      »Ich weiß das allerdings.«

      »Nun also! Du wirst Dich scheiden lassen. Und mein Junge da, mein Herzensjunge, der –«

      Er hielt inne. Seine Augen funkelten wie diejenigen einer Tigerin, der man ihr Junges nehmen will. Seine Frau reichte ihm die Hand entgegen und sagte:

      »Wilhelm, Du hast großes Herzeleid über mich gebracht; aber ich bin Deine Frau und die Mutter Deines Kindes; ich habe Dich trotz alledem noch lieb, und ich werde auf Dich warten.«

      Er sah sie ungläubig an.

      »Warten willst Du?« fragte er. »Eine so lange, lange Zeit?«

      »Gott wird mich stärken! Hier meine Hand! Ich schwöre Dir, daß ich Dir treu bleiben werde! Dein Kind soll keinen anderen Vater haben. Darauf kannst Du Dich verlassen!«

      Es war, als ob man ihm etwas ganz Unglaubliches und Wunderbares gesagt habe. Aber er kannte sie; er hörte den Ton ihrer Stimme, und es war ihm unmöglich, zu zweifeln.

      »Weib! Auguste! Gustel!« rief er, indem er den Arm um sie schlang und sie an sich zog. »Ist das wahr? Ist das wirklich wahr?«

      »Ja, ich schwöre es Dir!«

      »Das bin ich nicht werth! Weiß Gott, das bin ich nicht werth! Gustel, so eine Frau habe ich nicht verdient! Aber um des Jungen willen, laß Dich nicht von mir

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