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der Fürst stehen, gab den Arm des Mädchens frei, zog höflich grüßend den Hut und sagte:

      »Entschuldigung, mein Fräulein! Ich bemächtigte mich Ihrer Person, weil ich Veranlassung zu haben glaube, dieselbe für eine für uns sehr wichtige zu halten. Sie kennen den Gefangenen, welchen wir soeben sahen?«

      Sie zögerte mit der Antwort. Sie wußte nicht, was besser sei, dieselbe zu bejahen oder zu verneinen. Der Fürst dachte sich einen anderen Grund ihres Schweigens und sagte:

      »Ich bin der Fürst von Befour. Darf ich vielleicht auch um Ihren Namen bitten?«

      »Ich heiße Judith Levi,« antwortete sie jetzt.

      »Ah! Wo wohnen Sie?«

      »In der Wasserstraße.«

      Da nahmen seine Züge einen weniger höflichen Ausdruck an. Sie war also die Tochter des Althändlers, bei welchem er gestern Abend gewesen war, um sich nach den gestohlenen Diamanten zu erkundigen.

      »Also, Sie kennen den Gefangenen?« fragte er.

      Sie hatte die Veränderung bemerkt, welche mit seinen Zügen vorgegangen war. Sie war ein stolzes Mädchen, sie wollte eine Million erben; sie brauchte sich eine so sichtliche Abnahme der Höflichkeit nicht gefallen zu lassen, selbst von einem Fürsten nicht.

      »Nein,« antwortete sie.

      »Und dennoch möchte ich behaupten, daß er Ihnen nicht unbekannt ist, oder daß wenigstens er Sie kennt. Seien Sie aufrichtig! Diese Dame ist die Baronesse Fräulein von Hellenbach.«

      Da zogen sich Judith's Brauen zusammen, und aus ihren Augen schoß ein Blick glühenden Hasses auf die Baronesse.

      »Von Hellenbach?« fragte sie. »Die ihn angezeigt hat?«

      »Nein, nicht angezeigt. Das gnädige Fräulein ist nicht schuld, daß er in eine so unwürdige Lage gekommen ist.«

      »Wer denn? Er war der größte Dichter, geehrt und gefeiert von Tausenden. Jetzt ist er gefangen, entehrt, krank und wahnsinnig! Und wer ist schuld, als Diese hier!«

      Sie wendete sich ab, um fortzugehen; da aber wurde sie von Fanny am Arme fest gehalten.

      »Sie irren sich, Fräulein Levi!« betheuerte die Tochter des Obersten. »Ich bin nur hier, um ihn zu retten!«

      Judith drehte sich langsam um, blickte der Sprecherin ungläubig in das Gesicht und fragte:

      »Ihn retten? Der wegen Ihnen so elend wurde? Ich hasse Sie!«

      »Gut, hassen Sie mich!« sagte Fanny. »Aber ich will seine Unschuld beweisen; er soll frei werden. Sie kennen ihn; es ist Ihnen vielleicht möglich, zu diesem Beweise beizutragen!«

      »Er ist unschuldig; ich weiß es!« sagte Judith stolz.

      »So ersuche ich Sie, mir beizustehen! Wir werden Ihnen dankbar sein, Fräulein Levi!«

      Da ließ Judith ein verächtliches Lächeln sehen und antwortete:

      »Dankbar? Ich verzichte auf Ihren Dank! Ich bin selbst reich genug. Ich brauche Sie nicht. Ich allein bin genug, ihn frei zu machen!«

      Damit wendete sie sich ab und eilte davon. Fanny wollte ihr rasch nach; aber der Fürst hielt sie zurück.

      »Lassen Sie diese Jüdin!« sagte er. »Nun ich sie kenne, ist sie uns sicher genug. Verweigert sie uns die erbetene Auskunft, so wird man sie vor Gericht zur Antwort zu zwingen wissen. Haben Sie gesehen, daß bei ihrem Anblick sein Geist zu sich kam, daß er sie erkannte?«

      »Ja, ganz deutlich.«

      »Und haben Sie sich die Worte gemerkt, welche er zu ihr sagte?«

      »Geld! Geld! Das viele Geld!«

      »Ja, so war es. Gewiß hat er das Geld, welches er unrechtmäßiger Weise besitzen soll, von ihrem Vater erhalten.«

      »Welch ein Blick! Welch ein Haß! Ich glaube, sie – – sie liebt ihn!« flüsterte Fanny leise vor sich hin, fast unwillkürlich.

      Der Fürst hatte diese Worte wohl verstanden. Sie frappirten ihn.

      »Meinen Sie?« fragte er. »Möglich! Sie sagte, daß er ein großer Dichter sei; sie sprach von ihrem Hasse! Hm! Sie wird ein Werkzeug zu seiner Befreiung sein. Ich werde sogleich den Untersuchungsrichter benachrichtigen.«

      »O, Durchlaucht, darf ich mit?« bat das schöne Mädchen.

      »Gewiß!« antwortete er. »Kommen Sie! Steigen wir ein!«

      Sie erreichten die Equipage und schlugen die Richtung nach dem Gerichtsgebäude ein. Unterwegs kam dem Fürsten ein Gedanke.

      »Wollen wir uns vorher überzeugen, ob er wirklich der Dichter der Heimat-, Tropen- und Wüstenbilder ist?« fragte er.

      »In welcher Weise?«

      »Indem wir bei dem Buchhändler Zimmermann nachfragen, bei dem wir ja vorüberkommen.«

      »Ist er nicht verreist, wie gestern der Assessor sagte?«

      »Das Personal wird uns ebenso gut Auskunft ertheilen können.«

      »So steigen wir aus.«

      Es war über Fanny eine Art männlicher Entschlossenheit gekommen. Sie hatte den Dichter verehrt und für ihn geschwärmt, ohne ihn zu kennen. Jetzt sollte sie denselben in einem Jüngling erkennen, welcher in Gefangenschaft und Wahnsinn gefallen war, weil er sie hatte retten wollen. Es war ihre heilige Pflicht, Alles zu seiner Befreiung zu thun, und sie folgte dieser Pflicht mit einer Begeisterung, welche hundertfach größere Schwierigkeiten überwunden hätte, als den einfachen Besuch eines Buchhändlerladens.

      Als sie dort eintraten, war der Chef anwesend. Er war also von seiner Reise zurückgekehrt. Er kannte Fanny und seit Kurzem auch den Fürsten; er verneigte sich auf das Ehrerbietigste vor ihnen.

      Fanny griff das Roß sofort beim Zügel an. Gerade ihr zur Hand lag ein Band der Gedichte von Hadschi Omanah. Sie nahm das Buch und fragte:

      »Wie theuer, Herr Zimmermann?«

      »Fünf Gulden, gnädiges Fräulein. Es ist die fünfte Auflage, die allerneuste.«

      »Wieviel Honorar hat der Verfasser wohl bezogen?«

      »Das ist mir nicht sofort gegenwärtig. Einen Hadschi Omanah bezahlt man nicht nur gut, sondern sogar glänzend.«

      »Es ist natürlich pseudonym?«

      »Allerdings.«

      »Und wer verbirgt sich unter diesem orientalischen Namen?«

      »Leider bin ich nicht befugt, den Schleier zu heben.«

      Jetzt sah Fanny sich am Ende ihres Könnens. Sie blickte den Fürsten bittend an, und dieser nahm ihre Erkundigung auf, indem er weiter fragte:

      »Hat der Verfasser selbst diese Discretion von Ihnen gefordert?«

      Jetzt wurde der Buchhändler verlegen. Er hätte gern die Wahrheit verschwiegen. Der gefeierte Hadschi Omanah ein Schneiderssohn! Aber er getraute es sich doch nicht, den Fürsten zu belügen. Doch antwortete er ausweichend.

      »Es ist nicht Usus, ein Pseudonym ohne ausdrückliche Genehmigung zu indiscretioniren.«

      Jetzt begann der Fürst, sich wirklich zu ärgern, darum sagte er in einem keineswegs höflichen, sondern sogar strengen Tone.

      »Mein Herr, Sie dürfen annehmen, daß wir unsere Zeit nicht versäumen, um unnütze Fragen auszusprechen. Verweigern Sie uns eine freiwillige Auskunft, so werde ich eine directe Erkundigung aussprechen: Heißt der Verfasser vielleicht Robert Bertram?«

      Jetzt konnte der Buchhändler nicht mehr ausweichen.

      »Das ist allerdings sein Name,« antwortete er.

      »Er ist von hier? Wasserstraße?«

      »Ja.«

      Der Fürst

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