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seltsam klingenden Instruments – Behutsam schlich er weiter vor und bemerkte bald einen blendenden Strahl, der durch das Schlüsselloch der Türe ihm gegenüber in den Korridor fiel. Jetzt unterschied er auch, daß das, was er für den Ton eines unbekannten Instruments gehalten, die Stimme eines redenden Mannes war, die freilich gar verwunderlich klang, da es bald war, als würde eine Zimbel angeschlagen, bald als würde eine tiefe dumpfe Pfeife geblasen. Sowie Giglio sich an der Türe befand, öffnete sie sich leise – leise von selbst. Giglio trat hinein und blieb festgewurzelt stehen, im tiefsten Erstaunen –

      Giglio befand sich in einem mächtigen Saal, dessen Wände mit purpurgesprenkeltem Marmor bekleidet waren und aus dessen hoher Kuppel sich eine Ampel hinabsenkte, deren strahlendes Feuer alles mit glühendem Gold übergoß. Im Hintergrunde bildete eine reiche Draperie von Goldstoff einen Thronhimmel, unter dem auf einer Erhöhung von fünf Stufen ein vergoldeter Armsessel mit bunten Teppichen stand. Auf demselben saß jener kleine alte Mann mit langem weißen Bart, in einen Talar von Silberstoff gekleidet, der bei dem Einzuge der Prinzessin Brambilla in der goldgleißenden Tulpe den Wissenschaften oblag. So wie damals, trug er einen silbernen Trichter auf dem ehrwürdigen Haupte; so wie damals, saß eine ungeheure Brille auf seiner Nase; so wie damals, las er, wiewohl jetzt mit lauter Stimme, die eben diejenige war, welche Giglio aus der Ferne vernommen, in einem großen Buche, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Rücken eines knieenden Mohren lag. An beiden Seiten standen die Strauße wie mächtige Trabanten und schlugen, einer um den andern, dem Alten, wenn er die Seite vollendet, mit den Schnäbeln das Blatt um.

      Ringsumher im geschlossenen Halbkreis saßen wohl an hundert Damen so wunderbar schön, wie Feen und ebenso reich und herrlich gekleidet, wie diese bekanntlich einhergehen. Alle machten sehr emsig Filet. In der Mitte des Halbkreises, vor dem Alten, standen auf einem kleinen Altar von Porphyr, in der Stellung in tiefen Schlaf Versunkener, zwei kleine seltsame Püppchen mit Königskronen auf dem Haupte.

      Als Giglio sich einigermaßen von seinem Erstaunen erholt, wollte er seine Gegenwart kundtun. Kaum hatte er aber auch nur den Gedanken gefaßt zu sprechen, als er einen derben Faustschlag auf den Rücken erhielt. Zu seinem nicht geringem Schrecken wurde er jetzt erst die Reihe mit langen Spießen und kurzen Säbeln bewaffneter Mohren gewahr, in deren Mitte er stand und die ihn mit funkelnden Augen anblitzten, mit elfenbeinernen Zähnen anfletschten. Giglio sah ein, daß Geduld üben hier das beste sei. –

      Das was der Alte den Filet machenden Damen vorlas, lautete aber ungefähr, wie folgt:

      „Das feurige Zeichen des Wassermanns steht über uns, der Delphin schwimmt auf brausenden Wellen gen Osten und spritzt aus seinen Nüstern das reine Kristall in die dunstige Flut! – Es ist an der Zeit, daß ich zu euch rede von den großen Geheimnissen, die sich begaben, von dem wunderbaren Rätsel, dessen Auflösung euch rettet von unseligem Verderben. – Auf der Zinne des Turms stand der Magus Hermod und beobachtete den Lauf der Gestirne. Da schritten vier alte Männer in Talare gehüllt, deren Farbe gefallnem Laube glich, durch den Wald auf den Turm los und erhoben, als sie an den Fuß des Turms gelangt, ein gewaltiges Wehklagen. ‚Höre uns! – Höre uns, großer Hermod! – Sei nicht taub für unser Flehen, erwache aus deinem tiefen Schlaf! – Hätten wir nur die Kraft, König Ophiochs Bogen zu spannen, so schössen wir dir einen Pfeil durch das Herz, wie er es getan und du müßtest herabkommen und dürftest da oben nicht im Sturmwinde stehen, wie ein unempfindlicher Klotz! – Aber würdigster Greis! wenn du nicht aufwachen willst, so halten wir einiges Wurfgeschütz in Bereitschaft und wollen an deine Brust anpochen mit einigen mäßigen Steinen, damit sich das menschliche Gefühl rege, das darin verschlossen! – Erwache, herrlicher Greis!‘ –

      Der Magus Hermod schaute herab, lehnte sich übers Geländer und sprach mit einer Stimme, die dem dumpfen Tosen des Meeres, dem Heulen des nahenden Orkans glich: ‚Ihr Leute da unten, seid keine Esel! Ich schlafe nicht und darf nicht geweckt werden durch Pfeile und Felsenstücke. Beinahe weiß ich schon, was ihr wollt, ihr lieben Menschen! Wartet ein wenig, ich komme gleich herab. – Ihr könnt euch indessen einige Erdbeeren pflücken, oder Haschemann spielen auf dem grasichten Gestein – ich komme gleich.‘ –

      Als Hermod herabgekommen und Platz genommen auf einem großen Stein, den der weiche bunte Teppich des schönsten Mooses überzog, begann der von den Männern, der der älteste schien, da sein weißer Bart ihm bis an den Gürtel herabreichte, also: ‚Großer Hermod, du weißt gewiß alles, was ich dir sagen will, schon im voraus besser, als ich selbst; aber eben damit du erfahren mögest, daß ich es auch weiß, muß ich es dir sagen.‘ ‚Rede!‘ erwiderte Hermod, ‚rede, o Jüngling! Gern will ich dich anhören; denn das, was du eben sagtest, verrät, daß dir durchdringender Verstand beiwohnt, wo nicht tiefe Weisheit, unerachtet du kaum die Kinderschuhe vertreten.‘ ‚Ihr wißt‘, fuhr der Sprecher fort, ‚Ihr wißt es, großer Magus, daß König Ophioch eines Tages im Rat, als eben die Rede davon war, daß jeder Vasall gehalten sein solle, jährlich eine bestimmte Quantität Witz zum Hauptmagazin alles Spaßes im Königreich beizusteuern, woraus bei eintretender Hungers-oder Durstnot die Armen verpflegt werden, plötzlich sprach: ›Der Moment, in dem der Mensch umfällt, ist der erste, in dem sein wahrhaftes Ich sich aufrichtet.‹ Ihr wißt es, daß König Ophioch, kaum hatte er diese Worte gesprochen, wirklich umfiel und nicht mehr aufstand, weil er gestorben war. Traf es sich nun, daß Königin Liris auch in demselben Augenblick die Augen geschlossen, um sie nie wieder zu öffnen, so geriet der Staatsrat, da es dem königlichen Paar an einiger Deszendenz gänzlich fehlte, wegen der Thronfolge in nicht geringe Verlegenheit. Der Hofastronom, ein sinnreicher Mann, fiel endlich auf ein Mittel, die weise Regierung des Königs Ophioch dem Lande noch auf lange Jahre zu erhalten. Er schlug nämlich vor, ebenso zu verfahren, wie es mit einem bekannten Geisterfürsten (König Salomo) geschah, dem, als er schon längst gestorben, die Geister noch lange gehorchten. Der Hoftischlermeister wurde, diesem Vorschlag gemäß, in den Staatsrat gezogen; der verfertigte ein zierliches Gestell von Buchsbaum, das wurde dem König Ophioch, nachdem sein Körper gehörige Speisung der trefflichsten Spezereien erhalten, unter den Steiß geschoben, so daß er ganz staatlich dasaß; vermöge eines geheimen Zuges, dessen Ende wie eine Glockenschnur im Konferenzzimmer des großen Rats herabhing, wurde aber sein Arm regiert, so daß er das Szepter hin und her schwenkte. Niemand zweifelte, daß König Ophioch lebe und regiere. Wunderbares trug sich aber nun mit der Urdarquelle zu. Das Wasser des Sees, den sie gebildet, blieb hell und klar; doch statt daß sonst alle diejenigen, die hineinschauten, eine besondere Lust empfanden, gab es jetzt viele, welche, indem sie die ganze Natur und sich selbst darin erblickten, darüber in Unmut und Zorn gerieten, weil es aller Würde, ja allem Menschenverstande, aller mühsam erworbenen Weisheit entgegen sei, die Dinge und vorzüglich das eigne Ich verkehrt zu schauen. Und immer mehrere und mehrere wurden derer, die zuletzt behaupteten, daß die Dünste des hellen Sees den Sinn betörten und den schicklichen Ernst umwandelten in Narrheit. Im Ärger warfen sie nun allerlei garstiges Zeug in den See, so daß er seine Spiegelhelle verlor und immer trüber und trüber wurde, bis er zuletzt einem garstigen Sumpfe glich. Dies, o weiser Magus, hat viel Unheil über das Land gebracht; denn die vornehmsten Leute schlagen sich jetzt ins Gesicht und meinen denn, das sei die wahre Ironie der Weisen. Das größte Unheil ist aber gestern geschehen, da es dem guten König Ophioch ebenso ergangen, wie jenem Geisterfürsten. Der böse Holzwurm hatte unbemerkt das Gestell zernagt und plötzlich stürzte die Majestät im besten Regieren um, vor den Augen vieles Volks, das sich in den Thronsaal gedrängt, so daß nun sein Hinscheiden nicht länger zu verbergen. Ich selbst, großer Magus, zog gerade die Szepterschnure, welche, als die Majestät umstülpte, mir im Zerreißen dermaßen ins Gesicht schnellte, daß ich dergleichen Schnurziehen auf zeitlebens satt bekommen. – Du hast, o weiser Hermod! dich immer des Landes Urdargarten getreulich angenommen; sage, was fangen wir an, daß ein würdiger Thronfolger die Regierung übernehme und der Urdarsee wieder hell und klar werde?‘ – Der Magus Hermod versank in tiefes Nachdenken, dann aber sprach er: ‚Harret neunmal neun Nächte, dann entblüht aus dem Urdarsee die Königin des Landes! Unterdessen regiert aber das Land, so gut ihr es vermöget!‘ Und es geschah, daß feurige Strahlen aufgingen über dem Sumpf, der sonst die Urdarquelle gewesen. Das waren aber die Feuergeister, die mit glühenden Augen hineinblickten und aus der Tiefe wühlten sich die Erdgeister herauf. Aus dem trocken gewordenen Boden blühte aber eine schöne Lotusblume empor, in deren Kelch ein holdes schlummerndes Kind lag. Das war die Prinzessin

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