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irgendeinen Prinzen spielte und ihr Herz war mein! – Kann sie denn wohl mir nahen auf geradem Wege? Bedarf das holde Wesen nicht Mittelspersonen, Vertrauter, die den Faden anspinnen, der sich zuletzt verschlingt zum süßesten Bande? – Mag es sich nun begeben haben, wie es will, unbezweifelt ist Celionati derjenige, der mich der Prinzessin in die Arme führen soll – Aber statt fein ordentlich den geraden Weg zu gehen, stürzt er mich kopfüber in ein ganzes Meer von Tollheit und Fopperei, will mir einreden, in eine Fratze vermummt müsse ich die schönste der Prinzessinnen aufsuchen im Korso, erzählt mir von assyrischen Prinzen, von Zauberern – Fort – fort mit allem tollen Zeuge, fort mit dem wahnsinnigen Celionati! – Was hält mich denn ab, mich sauber anzuputzen, gerade hineinzutreten in den Palast Pistoja, mich der Durchlauchtigsten zu Füßen zu werfen? O Gott; warum tat ich das nicht schon gestern – vorgestern?“ –

      Es war dem Giglio unangenehm, daß, als er nun eiligst seine beste Garderobe musterte, er nicht umhinkonnte, selbst zu gestehen, daß das Federbarett auf ein Haar einem gerupften Haushahn glich, daß das dreimal gefärbte Wams in allen möglichen Regenbogenfarben schillerte, daß der Mantel die Kunst des Schneiders, der durch die kühnsten Nähte der fressenden Zeit getrotzt, zu sehr verriet, daß das wohlbekannte blauseidne Beinkleid, die Rosastrümpfe sich herbstlich entfärbt. Wehmütig griff er nach dem Beutel, den er beinahe geleert glaubte und – in schönster Fülle strotzend vorfand. – „Göttliche Brambilla“, rief er entzückt aus, „göttliche Brambilla, ja ich gedenke deiner, ich gedenke des holden Traumbildes!“

      Man kann sich vorstellen, daß Giglio, den angenehmen Beutel, der eine Art Fortunatussäckel schien, in der Tasche, sofort alle Läden der Trödler und Schneider durchrannte, um sich einen Anzug so schön, als ihn jemals ein Theaterprinz angelegt, zu verschaffen. Alles was man ihm zeigte, war ihm nicht reich, nicht prächtig genug. Endlich besann er sich, daß ihm wohl kein anderer Anzug genügen werde, als den Bescapis Meisterhand geschaffen, und begab sich sofort zu ihm hin. Als Meister Bescapi Giglios Anliegen vernommen, rief er ganz Sonne im Antlitz: „O mein bester Signor Giglio, damit kann ich aufwarten“, und führte den kauflustigen Kunden in ein anderes Kabinett. Giglio war aber nicht wenig verwundert, als er hier keine andern Anzüge fand, als die vollständige italienische Komödie und außerdem noch die tollsten fratzenhaftesten Masken. Er glaubte von Meister Bescapi mißverstanden zu sein und beschrieb ziemlich heftig die vornehme reiche Tracht, in die er sich zu putzen wünsche. „Ach Gott!“ rief Bescapi wehmütig, „ach Gott! was ist denn das wieder? Mein bester Signor, ich glaube doch nicht, daß wieder gewisse Anfälle –“ „Wollt“, unterbrach ihn Giglio ungeduldig, indem er den Beutel mit den Dukaten schüttelte, „wollt Ihr mir, Meister Schneider, einen Anzug verkaufen, wie ich ihn wünsche, so ist’s gut; wo nicht, so laßt es bleiben“ – „Nun, nun“, sprach Meister Bescapi kleinlaut, „werdet nur nicht böse, Signor Giglio! – Ach, Ihr wißt nicht, wie gut ich es mit Euch meine, ach hättet Ihr nur ein wenig, ein ganz wenig Verstand!“ – „Was untersteht Ihr Euch, Meister Schneider?“ rief Giglio zornig. „Ei“, fuhr Bescapi fort, „bin ich ein Meister Schneider, so wollt ich, ich könnte Euch das Kleid anmessen mit dem richtigen Maß, das Euch paßlich und dienlich. Ihr rennt in Euer Verderben, Signor Giglio, und mir tut es leid, daß ich Euch nicht alles wiedersagen kann, was der weise Celionati mir über Euch und Euer bevorstehendes Schicksal erzählt hat.“ „Hoho?“ sprach Giglio, „der weise Signor Celionati, der saubre Herr Marktschreier, der mich verfolgt auf alle mögliche Weise, der mich um mein schönstes Glück betrügen will, weil er mein Talent, mich selbst haßt, weil er sich auflehnt gegen den Ernst höherer Naturen, weil er alles in die alberne Mummerei des hirnlosen Spaßes hineinfoppen möchte! – O mein guter Meister Bescapi, ich weiß alles, der würdige Abbate Chiari hat mir alle Hinterlist entdeckt. Der Abbate ist der herrlichste Mensch, die poetischste Natur die man finden kann; denn für mich hat er den weißen Mohren geschaffen und niemand auf der ganzen weiten Erde, sag ich, kann den weißen Mohren spielen, als ich.“ „Was sagt Ihr?“ rief Meister Bescapi laut lachend, „hat der würdige Abbate, den der Himmel recht bald abrufen möge zur Versammlung höherer Naturen, hat er mit seinem Tränenwasser, das er so reichlich ausströmen läßt, einen Mohren weiß gewaschen?“ – „Ich frage“, sprach Giglio, mit Mühe seinen Zorn unterdrückend, „ich frage Euch noch einmal, Meister Bescapi, ob Ihr mir für meine vollwichtigen Dukaten einen Anzug, wie ich ihn wünsche, verkaufen wollt, oder nicht?“ „Mit Vergnügen“, erwiderte Bescapi ganz fröhlich, „mit Vergnügen, mein bester Signor Giglio!“

      Darauf öffnete der Meister ein Kabinett, in dem die reichsten herrlichsten Anzüge hingen. Dem Giglio fiel sogleich ein vollständiges Kleid ins Auge, das in der Tat sehr reich, wiewohl, der seltsamen Buntheit halber, etwas fantastisch ins Auge fiel. Meister Bescapi meinte, dieses Kleid käme hoch zu stehen und würde dem Giglio wohl zu teuer sein. Als aber Giglio darauf bestand, das Kleid zu kaufen, den Beutel hervorzog und den Meister aufforderte, den Preis zu setzen, wie er wolle, da erklärte Bescapi, daß er den Anzug durchaus nicht fortgeben könne, da derselbe schon für einen fremden Prinzen bestimmt und zwar für den Prinzen Cornelio Chiapperi. – „Wie“, rief Giglio, ganz Begeisterung, ganz Ekstase, „wie? – was sagt Ihr? -so ist das Kleid für mich gemacht und keinen andern. Glücklicher Bescapi! – Eben der Prinz Cornelio Chiapperi ist es, der vor Euch steht und bei Euch sein innerstes Wesen, sein Ich vorgefunden!“ –

      Sowie Giglio diese Worte sprach, riß Meister Bescapi den Anzug von der Wand, rief einen seiner Burschen herbei und befahl ihm, den Korb, in den er schnell alles eingepackt, dem durchlauchtigsten Prinzen nachzutragen.

      „Behaltet“, rief der Meister, als Giglio zahlen wollte, „behaltet Euer Geld, mein hochverehrtester Prinz! – Ihr werdet Eile haben. Euer untertänigster Diener wird schon zu seinen Gelde kommen; vielleicht berichtigt der weiße Mohr die kleine Auslage! – Gott beschütze Euch mein vortrefflicher Fürst!“ –

      Giglio warf dem Meister, der ein Mal übers andere in den zierlichsten Bücklingen niedertauchte, einen stolzen Blick zu, steckte das Fortunatussäckel ein und begab sich mit dem schönen Prinzenkleide von dannen.

      Der Anzug paßte so vortrefflich, daß Giglio in der ausgelassensten Freude dem Schneiderjungen, der ihn auskleiden geholfen, einen blanken Dukaten in die Hand drückte. Der Schneiderjunge bat, ihm statt dessen ein paar gute Paolis zu geben, da er gehört, daß das Gold der Theaterprinzen nichts tauge und daß ihre Dukaten nur Knöpfe, oder Rechenpfennige wären. Giglio warf den superklugen Jungen aber zur Türe hinaus.

      Nachdem Giglio genugsam die schönsten anmutigsten Gesten vor dem Spiegel probiert, nachdem er sich auf die fantastischen Redensarten liebekranker Helden besonnen und die volle Überzeugung gewonnen, daß er total unwiderstehlich sei, begab er sich, als schon die Abenddämmerung einzubrechen begann, getrost nach dem Palast Pistoja.

      Die unverschlossene Türe wich dem Druck seiner Hand und er gelangte in eine geräumige Säulenflur, in der die Stille des Grabes herrschte. Als er verwundert ringsumher schaute, gingen aus dem tiefsten Hintergrunde seines Innern dunkle Bilder der Vergangenheit auf. Es war ihm, als sei er schon einmal hier gewesen und, da doch in seiner Seele sich durchaus nichts deutlich gestalten wollte, da alles Mühen, jene Bilder ins Auge zu fassen, vergebens blieb, da überfiel ihn ein Bangen, eine Beklommenheit, die ihm allen Mut benahm, sein Abenteuer weiter zu verfolgen.

      Schon im Begriff, den Palast zu verlassen, wäre er vor Schreck beinahe zu Boden gesunken, als ihm plötzlich sein Ich, wie in Nebel gehüllt, entgegentrat. Bald gewahrte er indessen, daß das, was er für seinen Doppelgänger hielt, sein Bild war, das ihm ein dunkler Wandspiegel entgegenwarf. Doch in dem Augenblick war es ihm aber auch, als flüsterten hundert süße Stimmchen: „O Signor Giglio, wie seid Ihr doch so hübsch, so wunderschön!“ – Giglio warf sich vor dem Spiegel in die Brust, erhob das Haupt, stemmte den linken Arm in die Seite, und rief indem er die Rechte erhob, pathetisch: „Mut, Giglio, Mut! dein Glück ist dir gewiß, eile es zu erfassen!“ – Damit begann er auf und ab zu schreiten mit schärferen und schärferen Tritten, sich zu räuspern, zu husten, aber grabesstill blieb es, kein lebendiges Wesen ließ sich vernehmen. Da versuchte er diese und jene Türe, die in die Gemächer führen mußte, zu öffnen; alle waren fest verschlossen.

      Was blieb übrig, als die breite Marmortreppe zu ersteigen, die an beiden Seiten der Flur

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