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Arbeit nicht vorbeigehen zu können. Diese Erkenntnisse aufzunehmen ist ein Stück Inkulturation heute.

      Trinitätslehre: eine Inkulturation in griechisches Denken Als der christliche Glaube die Welt der griechischen Religionen und Philosophien erreichte, mussten die Christen ihren Glauben gegenüber kritischen, neugierigen und spöttischen Fragen rechtfertigen. »Was, ihr habt drei Götter, Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist? Wer sind diese drei? Was haben sie miteinander zu tun? Sind sie etwa drei Götter? Oder wer von ihnen ist der Gott?«

      Da gerieten die Christen in Erklärungsnot. Bei ihnen selbst waren ja auch schon solche Fragen laut geworden. Sie nahmen die gedankliche Herausforderung an und versuchten zu klären, was zu klären war. Dazu mussten sie sich der Sprache und der Begriffe der griechischen Philosophie bedienen. In den ersten Jahrhunderten der Kirche hat man darüber lebhaft und leidenschaftlich diskutiert, zum Teil auf höchstem Niveau. Konzilien wurden einberufen. Dabei ging es allerdings nicht immer ordentlich zu. Vor allem der Kaiser spielte seine Macht aus. Unter solchen nicht immer idealen Umständen entwickelten sie die altkirchliche Trinitätslehre, eine großartige Leistung der Inkulturation in das griechische Denken.

      Aber nur kurze Zeit und für wenige in den Gemeinden war das Ergebnis das, was es sein wollte: wirklich verständlich. Für die Christen im lateinischen Sprachraum, also im Westen des Mittelmeerraums, war das von Anfang an schwierig zu verstehen. Denn auf dem Konzil zu Nicäa im Jahr 325, zu dem der Kaiser Konstantin eingeladen hatte, um die Fragen der Trinität zu klären, waren unter den 250 Bischöfen nur 5 Bischöfe aus dem Westen, dem lateinischen Sprachraum. Die Trinitätslehre ist eben eine Inkulturation in das griechische Denken. Schon das römische Denken hatte seine besondere Mühe bei der Übertragung.

      Immer schwerer hatten es die Menschen, den tiefen Gedanken zu folgen. Heute muss man schon hochgescheiter AltHistoriker oder Kirchengeschichtler sein, um dieses Dogma und seine theologischen Feinheiten zu verstehen.

      Ich vermute, dass wegen dieser Verstehensschwierigkeiten die Trinitätslehre zunehmend als »geoffenbartes Mysterium« verkauft wurde, das man nicht verstehen kann, sondern letztlich glauben und anbeten muss. Leider, denn vermutlich hat die Ehrfurcht vor dieser alten Lehre verhindert, die Trinitätslehre zu aktualisieren. Das aber wäre dringend nötig, weil heute ganz neue Fragen gestellt werden und eine neue Inkulturation nötig wäre.

      Die »Regensburger Rede« von Papst Benedikt XVI. Doch das Bemühen um solche Inkulturation in unser gegenwärtiges Denken prallt auf viel Widerstand, so auch bei Papst Benedikt XVI. Mit seiner berühmten Regensburger Rede, die er am 12. September 2006 in der Aula Magna der Universität Regensburg gehalten hat, machte er zwar vor allem wegen seiner Äußerungen zum Islam Furore. Aber nachdem der Rauch dieses Feuers verweht ist, lohnt es sich, den Blick auf den eigentlichen Inhalt dieser Rede zu werfen.

      Benedikt preist zunächst die Inkulturation in der frühen Christenheit, die er als ein wunderbares Zusammenkommen von hebräischaramäischem Denken und griechischer Philosophie der Vernunft zu einer harmonischen Synthese ansieht. Der biblische Glaube sei dem Besten des griechischen Denkens von innen her entgegengegangen. Dieses innere AufeinanderZugehen von biblischem Glauben und griechischem philosophischem Denken ist für Benedikt XVI. nicht nur religionsgeschichtlich, sondern weltgeschichtlich ein entscheidender Vorgang, der uns auch heute in die Pflicht nehme. Die Ergebnisse haben so geradezu Offenbarungscharakter.

      Danach, so beklagt er, seien immer wieder Versuche gestartet worden, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und das Christentum von den griechischen Elementen zu reinigen. Man wolle sich dabei das Recht nehmen, hinter die Inkulturation in das Griechische zurückzugehen und auf die einfache Botschaft des Neuen Testaments zurückzugreifen, um diese Botschaft dann in ihre gegenwärtigen Zusammenhänge jeweils neu zu inkulturieren. Angesichts der Begegnung mit der Vielheit der Kulturen sage man heute gern, die Synthese mit dem Griechentum, die sich in der alten Kirche vollzogen habe, sei nur eine erste Inkulturation des Christlichen gewesen, die Inkulturation in andere Kulturen müsse folgen. Dies aber lehnt Benedikt strikt ab.

      Kein Wunder, dass Benedikt zur Inkulturation des Evangeliums in der Gestalt der Befreiungstheologie Südamerikas oder zur feministischen Theologie keinen Zugang hat. Aber es ist eine Selbsttäuschung, ohne Inkulturation auskommen zu können. Wer heute nur dasselbe sagt, was man früher gesagt hat, sagt heute etwas anderes, als früher gesagt wurde – weil es heute anders verstanden wird als früher. Darum bedarf es der Inkulturation als einer Übersetzung und Übertragung aus früher Zeit in die Gegenwart.

      Wenn wir uns mit der Frage des Sühnopferdenkens heute beschäftigen, werden wir uns – ob wir ihr zustimmen oder sie ablehnen – in einem Prozess der Inkulturation befinden, weil wir sie notgedrungen nicht so hören wie die Menschen damals im Mittelalter, für die Anselm von Canterbury seine Theologie formuliert hat.

      Inkulturation bei den Germanen Die germanischen Volksgruppen, die sich im Zuge der Völkerwanderung nördlich der Alpen niedergelassen hatten, dachten anders über Gott und die Welt als die Griechen und Römer. Beim Überschreiten der Alpen kam das Evangelium aus der griechischen und lateinischen Welt in den germanischen Raum und musste neu inkulturiert werden.

      Germanisches Denken blieb viele Jahrhunderte lebendig. Die profilierteste Fassung der Sühnopfertheologie, nämlich die des Anselm von Canterbury, ist nicht ohne das germanische Denken zu verstehen. Sie ist eine Inkulturationsleistung hervorragender Art. Sie ist aber nicht der erste und einzige Versuch, das Evangelium in die germanische Welt zu inkulturieren.

      Der »Heliand« Die Sachsen waren durch Karl den Großen christianisiert, zwangschristianisiert worden. Die Herzen der Sachsen blieben dem Christentum fern. Der christliche Glaube war aufgepresst, nicht inkulturiert. Heimlich erzählte man sich die alten germanischen Heldensagen und praktizierte vorchristliche Bräuche.

      Man weiß nicht, wer dann den interessanten Auftrag gab, hier eine Wende herbeizuführen. War es der König, waren es Bischöfe? Man weiß auch nicht, wer diesen Auftrag bekam und ausführte. Spuren weisen auf das Kloster in Fulda hin. Gegen 830 n. Chr. machte sich dort ein Unbekannter, wohl ein hochgebildeter Mönch, ans Werk, ein christliches Heldenepos zu verfassen, das neben den germanischen Heldensagen bestehen könnte. Dieses »Heliand« genannte Epos schrieb er in germanischem Stabreim. Das Evangelium wurde nacherzählt, aber ganz typisch verändert und für germanische Ohren passend gemacht. Christus war ein Volkskönig, ein Heerführer und erhabener Fürst. Die Jünger waren die Gefolgsleute, die mit ihm eine Genossenschaft bildeten und ihm durch germanisches Treueund Schwurverhältnis verbunden waren. Sie waren tapfere Kämpfer von edler Abstammung, nicht wie in der Bibel Menschen aus den unteren Volksschichten.

      Feindesliebe? Dieses Gebot Jesu wird im »Heliand« unterschlagen. Germanen hätten das nicht verstanden. Es fehlt auch die Szene, in der Christus dazu auffordert, bei einem Schlag auf die rechte Wange auch die linke darzubieten. Das war nichts für heldensüchtige kampfbereite Germanen. Den Eselsritt des Königs Jesus nach Jerusalem musste man streichen: Ein König reitet doch nicht auf einem Esel!

      Die Hirten auf dem Felde waren keine Schafshüter, sondern bewachten Pferde. Biblische Städte wurden zu Burgen gemacht und die Wüste Juda zum deutschen Urwald. Die Bergpredigt war ein Thing des Volkskönigs, die Hochzeit zu Kana ein germanisches Metgelage.

      Ein spannender Kampf musste her, ein Zweikampf. So wird der Kampf des Petrus mit Malchus, dem Knecht, ausführlich und spannend mit 15 Langversen erzählt. Die Bibel kommt mit einem Vers aus.

      Dass Petrus die Treue zu Jesus bricht, ist für germanisches Gefolgschaftsdenken das schlimmste Vergehen, die übelste Kränkung des Heerführers und Vasallenherrn Jesus. Der »Heliand« nimmt darauf Rücksicht und entschuldigt den Treuebruch und macht ihn so klein wie möglich.

      Grundzüge dieses germanischen Denkens blieben Jahrhunderte hindurch lebendig: Gott erwartet Vasallentreue. Wird seine Ehre verletzt, kann Gott nicht mild und barmherzig sein, sondern muss Gerechtigkeit walten lassen. Nur durch Buße und Sühne (ein Wort, das in dieser Zeit entsteht!) kann die Vasallenordnung wieder hergestellt werden. Dieses germanische Rechtsempfinden saß tief in den Menschen der folgenden Jahrhunderte. Jeder Versuch der Inkulturation musste diesem germanischen Grundgefühl gerecht werden.

      Die

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