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jungen Deutschen, diesen Mr. Dirk sofort durchschaut, der vorhin hier stand.

      Lis van Dersen wirft den Kopf in den Nacken. Unerträglich ist das! Wie er nun wieder dort die steinerne Gartentreppe hinuntergeht! Ganz still und bescheiden hat er das Zimmer verlassen, um sie in ihren Gedanken, ihrem Schmerz über John Turner nicht zu stören. Immer taktvoll, immer vornehm denkend, und — immer im Recht! Nein! Er soll nicht immer recht haben, dieser kluge Japaner! Ist sein Gehirn denn alles? Ist ihr eigenes Gefühl für das Gute in der Welt wirklich nur ein lächerlicher Irrtum? Man kann sich irren, gewiss! In John Turner hat sich also ihr Gefühl verirrt. Aber muss es deshalb denn immer irren? Kann nicht auch der kühle Verstand Tsugenos einmal danebengreifen?

      Da ist nun dieser Mr. Dirk! Sein Gesicht sah so ehrlich, so vertrauenserweckend aus. Lis van Dersen hätte ihn glatt sich selbst und ihr ganzes Vermögen anvertraut. Und der soll nun auch ein Betrüger, ein Heuchler und Schwindler sein?

      Sie hat es deutlich an seinem Gesicht gesehen vorhin: Der junge Mann hatte ganz genau gefühlt, dass Mr. Tsugeno seinen Worten nicht glaubte. Ganz rot war er geworden vor Verlegenheit. Nun geht er vielleicht herum mit dem bitteren Gefühl, dass niemand ihm glaubt, wird unsicher, verbittert — wagt vielleicht überhaupt nicht mehr, zu jemand von seiner Insel, seinen Plänen zu sprechen. Tsugeno ist klug und verständig, — Lis aber fühlt in ihrem Innern eine Gewissheit: Dieser Mr. Dirk ist kein Geschäftemacher, der skrupellos zu einer Lüge greift, um seine Absichten durchzusetzen.

      Vielleicht ist er noch zu erreichen. Lis beschliesst impulsiv, einen raschen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Wenn sie dabei Mr. Dirk trifft, will sie ihm sagen . . . Ja, was sie ihm eigentlich sagen will, weiss sie selber nicht so recht. Aber er soll wissen, dass nicht alle ihn für einen Abenteurer und Betrüger halten.

      „Kommen Sie mit zu den Seerosen, Lis?“ klingt die ruhige Stimme Tsugenos vom Garten her. Er hat sich umgewendet und scheint zu warten.

      Lis van Dersen tritt auf die Veranda und winkt leicht mit der Hand. „Nachher, Mr. Tsugenos. Ich möchte jetzt ein wenig spazieren gehen, wenn Sie gestatten.“

      Bevor sie sich abwendet, sieht sie noch einen Augenblick Tsugenos freundlich und gütig lächelndes Gesicht. Aber als sie ihm den Rücken gedreht hat, geht eine jähe Verwandlung mit diesem Gesicht vor. Kitsao Tsugenos Augen brennen, während sie unverwandt der enteilenden schlanken Mädchengestalt nachschauen.

      Sie geht. Natürlich, sie will jetzt allein sein, um fertig zu werden mit der traurigen Nachricht von John Turners Tod. Mag sie das. Sie wird ruhiger werden und sich sagen, dass Kitsao Tsugenos wieder mal recht hat. Dass der junge Mensch, dem sie so auffallend viel Freundschaft bezeigt, im Grund nichts anderes war als — ein Lump.

      Kitsao Tsugeno wandelt langsam und würdevoll durch seinen Park, den Kopf gesenkt, als wolle er die Gedanken verbergen, die in seinem Gesicht stehen.

      Ein erwünschter Zufall, diese Verurteilung John Turners! Lis van Dersen wird dadurch wieder einmal bestärkt in ihrer Abneigung gegen die Engländer. Sie wird wieder ein Stückchen weiter hinübergleiten zu ihm, dem vornehmen, untadeligen Japaner.

      Langsam, langsam. Es ist weit bis zum Ende der Welt. Kitsao Tsugeno ist kein törichter Träumer, kein ungeduldiger Jüngling, der sich einbildet, im Sturm jeden Gipfel erringen zu können. Er wird warten, geduldig warten, bis die Frucht reif ist. Aber einmal wird der Tag kommen, an dem die schöne Lis van Dersen so weit ist, dass ihr ekelt vor den „weissen Gentlemen“ und ihren heuchlerisch versteckten Schwächen und Lastern. Der Tag, an dem sie vor ihnen fliehen wird zu ihm selbst, Kitsao Tsugeno. Und dann. . .

      Kitsao Tsugenos Augen glühen und funkeln vor Gier. Sein würdevolles Gesicht wirft für einen Augenblick die Maske ab und wird zur begehrlich verzerrten Fratze. Einen Augenblick nur. Dann ebbt der Sturm ab. Mr. Tsugeno ist wieder der würdevolle, überlegene Geschäftsmann, der sich selber nachsichtig belächelt. Sie ist wirklich belächelnswert, diese heisse Leidenschaft für ein junges, unbedeutendes weisses Mädchen. Kitsao Tsugeno hat sich das oft genug gesagt. Aber sie ist nun einmal da und er fühlt genau: Dieses leidenschaftliche Begehren ist stärker in ihm als alles andere. Es nutzt nichts, dagegen anzukämpfen. Man kann sie nur durch eines ersticken: durch die Erfüllung.

      Klaus Dirk ist noch nicht weit gekommen. Als er aus dem Hause Tsugenos trat, war er so vor den Kopf geschlagen, dass er versehentlich die falsche Richtung einschlug. Erst nach einiger Zeit ist ihm das zum Bewusstsein gekommen. Er hat ärgerlich kehrt gemacht und ist den Weg zurückgegangen.

      Da ist wieder der Palast des mächtigen Besitzers der „P. & S. Bank“. Unzugänglich, in vornehmem Schweigen liegt er dort tief im tropisch üppigen Park versteckt. Klaus Dirk hat einen bitteren Geschmack im Munde. Abgewiesen! Hier wie bei Mr. Bond. Der schöne Traum von einem Inselparadies beginnt sich in ein Luftschloss zu verwandeln. Das Land ist da. Der Wille, es zu kultivieren, auch. Aber was hilft das alles, wenn das Geld fehlt. Die Ersparnisse, die Klaus Dirk während seiner Dienstzeit bei den Holländern gemacht hat, sind fast aufgebraucht. Was er noch besitzt, langt grade zur Rückreise nach Borneo oder Java. Und drüben bei den Mynheers ist keine Hoffnung. Die holländischen Kaufleute, die an reiche Pflanzungen und weite Landstrecken auf den Sundainseln gewohnt sind, haben ihn einfach ausgelacht, als er ihnen mit einer so entfernt liegenden, winzig kleinen Insel kam. Die Engländer hier in Singapore waren die einzige Möglichkeit. Nun wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als noch einmal den „Schein“ zu unterschreiben, weitere fünf Jahre Dienst zu tun in der holländischen Kolonialarmee.

      So weit ist er in seinen trüben Gedanken gekommen, als den mit rotem Sand bedeckten Gartenweg entlang etwas Weisses, Wehendes auf ihn zugeflogen kommt.

      „Hallo, Mr. Dirk! Wenn Sie in die Stadt gehen, dürfen Sie mich ein Stück begleiten.“

      Klaus hat den Hut gezogen und setzt sich jetzt verwundert an der Seite des jungen Mädchens in Bewegung. Sein Herz klopft plötzlich ganz unvernünftig. Hat der Bankier sich besonnen? Will er ihm doch noch eine Chance geben?

      „Es hat mir leid getan, dass Mr. Tsugeno Sie abgewiesen hat“, beginnt Lis, nachdem sie einige Schritte schweigend nebeneinander hergegangen sind. „Ihr Projekt ist sicherlich nicht so ganz aussichtslos. Wenn wirklich eine Fahrrinne bei der Insel vorhanden ist . . .?“

      Klaus erwidert frei und offen den fragenden Blick der jungen Dame. „Es ist so, wie ich sagte, Fräulein. Aber Mr. Tsugeno scheint es nicht zu glauben.“

      „Als Geschäftsmann muss er misstrauisch sein, nicht wahr? Singapore ist, genau wie Shanghai, ein Tummelplatz für allerlei Abenteurer und Glücksritter.“

      Klaus nickt bitter. „Ja, für etwas Ähnliches hält man ja wohl auch mich.“

      „Nicht alle.“ Lis’ Atem geht rascher, während sie ihm voll ins Gesicht sieht. „Sie sollen das nicht denken, Mr. Dirk.“

      Nun horcht Klaus hoch auf. „Vielen Dank für die gute Meinung, Fräulein. Meinen Sie, dass es einen Zweck hat, wenn ich noch einmal mein Glück bei Mr. Tsugeno versuche?“

      „Das nun wohl nicht. Wenn Mr. Tsugeno Nein sagt, dann meint er auch Nein, und ich selber habe keine. Macht, ihn umzustimmen. Aber Sie sollen wissen, dass ich Sie nicht für einen . . . einen Abenteurer halte. Ich glaube, dass Sie ein ehrlicher Mensch sind.“ Lis van Dersen bleibt plötzlich stehen. Ihre Wangen röten sich langsam unter dem erstaunten Blick des jungen Mannes. Fast verlegen reicht sie ihm hastig die Hand.“ Das wollte ich Ihnen nur sagen. Und Ihnen alles Gute für Ihr Projekt wünschen! Leben Sie wohl, Mr. Dirk.“

      Sie läuft so hastig davon, dass Klaus ihr kaum einen Abschiedsgruss sagen kann.

      „Prächtiges Mädel!“ denkt Klaus Dirk, während er fast betroffen der Davoneilenden nachschaut. Er bleibt stehen und sieht ihr so lange nach, als sie noch in Sicht ist. Sieht auch, dass ein Auto auf der Fahrbahn jäh stoppt und ein Herr aus dem Wagen springt und lebhaft grüssend zu der zögernd Halt Machenden hinübergeht.

      „Mr. Belesnoi?“ Lis van Dersen ist stehen geblieben und neigt zum Gruss kühl den Kopf. „Ich denke, Sie sind beim Rennen?“

      „War“, lacht der elegante Herr, anscheinend ohne

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