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eine Chance hat. Ganz abgesehen davon aber sind Sie hier am unrechten Platz. Die Leute, die Sie hierhergewiesen haben, waren Idioten. Bond & Co sind eine „real estate Agentur“, die sich nicht mit der Finanzierung neuer Unternehmungen befasst, sondern mit Kauf und Verkauf von Grundstücken und Ländereien. Wenn Sie die Absicht haben, Ihr Inselland zu verkaufen, Mr. Dirk, will ich gern bemüht sein, einen Käufer zu finden.“

      „Ich denke nicht daran, Herr. Ich will selber siedeln.“

      Mr. Bond macht eine bedauernde Bewegung. „Dann bin ich nicht Ihr Mann. Wenden Sie sich an die „Planters und Settlers Bank“. Oder haben Sie es dort schon versucht?“

      „Nein.“

      „Well, dann tun Sie es.“ Mr. Bond reicht dem jungen Mann wohlwollend die Hand über den Tisch. „Will Ihnen einen guten Tip geben, Mr. Dirk. Gehen Sie nicht erst in die Bank Office. Gehen sie gleich zu Mr. Tsugeno, dem Inhaber der Planters und Settlers Bank. Victoria Street 14. Privatwohnung. Wenn Sie Mr. Tsugeno für Ihr Projekt interessieren können, haben Sie gewonnenes Spiel.“

      Als Klaus Dirk mit einer Dankesäusserung für den Rat das Büro verlassen hat, hält Mr. Bond seinem Sekretär wortlos seine rechte Hand hin. Mr. Jackson hat bereits ein mit einer dunklen Masse getränktes dünnes Papierblatt bereit, das er sorgfältig auf die Handfläche seines Chefs drückt und dann langsam abzieht. Mr. Bond betrachtet befriedigt die wohlgeratenen Fingerabdrücke Klaus Dirks, die auf der vorher heimlich präparierten Hand zurückgeblieben sind.

      „Daktyloskopieren, Jackson. Der Bursche sah zwar nicht aus wie ein Agent, aber eben deshalb. Die Gefährlichsten sind immer die, denen man es nicht ansieht. Und da er aus Sowjetrussland kommt . . .“

      Mr. Bond wird abermals unterbrochen. Eine Ordonnanz in der Uniform der in Singapore stationierten Marineinfanterie steht in der Tür und überreicht dem Sekretär einen länglichen gelben Briefumschlag.

      „Damn it!“ Mr. Bond steckt das Schreiben in die Brusttasche und wirft den Umschlag ärgerlich auf den Tisch. „Der Teufel hole diese Eile! Wenn sie uns Zeit gelassen hätten, richtig auf den Jungen einzuwirken, hätten wir vielleicht doch etwas aus ihm herausgebracht! Ich will doch noch einmal . . . Jackson! Lassen Sie meinen Wagen vorfahren!“

      „Sofort, Mr. Bond. Was gibt’s denn jetzt wieder?“

      Mr. Bond hat schon seine dünne Seidenjoppe mit einem Rock vertauscht. Sein Gesicht zuckt vor verhaltener Erregung. „Die Exekution ist auf morgen früh 5 Uhr festgesetzt. John Turner wird erschossen!“

      Der Sekretär Jackson begleitet seinen Chef vor die Tür und wartet, bis Mr. Bond sich leise fluchend hinter das Lenkrad geklemmt hat und Gas gibt. Dann kehrt er bedächtig in die vorderen Kontore zurück, wo vier junge Leute, unter ihnen Mr. Deep, eifrig der Geschäftskorrespondenz obliegen und gedruckte Prospekte verkünden, dass die „Real Estate Agency I. H. Bond & Co“ erfolgreich und unter günstigsten Bedingungen Kauf und Verkauf aller Arten von Grundstücken, Pflanzungen und Ländereien vermittelt.

      Drinnen im vereinsamten Chefbüro aber liegt auf dem Schreibtisch noch der gelbe Umschlag des Briefes, den vorhin die Ordonnanz gebracht hat. „Mr. Bond“ steht kurz und bündig darauf und oben in der Ecke stehen vier schwarze, gedruckte Buchstaben: D. H. M. S. — „On His Majesty’s Service!“

      Denn die Immobilienagentur I. H. Bond & Co ist die Geschäftsstelle des Intelligence-Service, des britischen Geheimdienstes in Singapore.

      Schlüssel rasseln. Eine Zellentür öffnet sich knarrend in den Kasematten der Festung Singapore. Der Soldat John Turner erhebt sich von seinem Schemel und nimmt gewohnheitsmässig Stellung, als Mr. Bond in Begleitung des diensttuenden Offiziers die Zelle betritt. Früher hat John Turner diesen Mr. Bond oft genug in den Strassen und auf dem Rennplatz gesehen und nichts anderes gewusst, als dass der grauhaarige Gentleman mit dem verknitterten Altmännergesicht der Besitzer der bekannten Maklerfirma Bond & Co war. Seitdem John Turner aber unter der schweren Anklage des Landesverrats hier sitzt, hat er zu seiner Überraschung erfahren, dass „Mr. Bond“ ein Vorgesetzter ist, der Major I. H. Bond vom Intelligence Corps.

      „Ich komme noch einmal zu Ihnen, Turner“, sagt Mr. Bond, sich ohne Umstände auf die Kante des schmalen Bettes setzend und dem Gefangenen winkend, sich ebenfalls niederzulassen. „In zwölfter Stunde, mein Junge. Sie wissen, dass das Urteil des Kriegsgerichts bestätigt worden ist. Geben Sie sich nur ja keinen Täuschungen hin! Es wird vollstreckt, ehe die nächste Sonne aufgeht.“

      „Ich weiss es, Major. Aber ich bin unschuldig.“

      „Nonsens“, gibt Mr. Bond barsch zurück. „Wenn das der Fall wäre, müssten Sie uns erklären können, woher das Geld stammt, das bei der Haussuchung in Ihrem Schrank gefunden wurde. Versteckt, mein Lieber! Sogar sehr gut versteckt.“

      „Ich habe nichts davon gewusst, Major. Ich kann nur wiederholen, was ich vor Gericht sagte: Das Geld gehört nicht mir. Ich habe keine Ahnung, wie es in meinen Schrank gekommen sein kann.“

      Ruhig und leidenschaftslos ist die Stimme John Turners. Die Stimme eines Mannes, der nach qualvollen langen Verhören, nach der langen Schmach der plötzlichen Verhaftung, der Gerichtsverhandlung und der Urteilsverkündung es aufgegeben hat, sich dem Schicksal entgegenzustemmen. Mr. Bond betrachtet mit uneingestandener Teilnahme das Gesicht des jungen Soldaten. Ein ruhiges, einfaches Gesicht, nicht anders als die Gesichter tausend anderer britischer Soldaten. Ein gewerbsmässiger Landesverräter ist der Junge bestimmt nicht. Verlockt, verführt — wie so viele andere.

      „Turner, ich mein’s gut mit Ihnen“, sagt er mit einem Anflug aufrichtiger Herzlichkeit. „Ich will sogar so offen sein, zuzugeben, dass man das Geld ohne Ihr Wissen in Ihren Schrank geschmuggelt haben könnte. Wäre nicht das erste Mal. Aber auch ohne das gefundene Geld bleibt die Tatsache bestehen: Nur Sie und Ihr direkter Vorgesetzter in der Nachrichtenabteilung, Leutnant Hoste, kannten die geplante neue Wellenlänge unseres Senders. Well, Leutnant Hoste ist genau so verhört worden wie Sie. Er hat nachgewiesen, dass er zu der Zeit, da Ihnen die neue Wellenlänge vom Stabs-Office bekannt gegeben wurde, auf Urlaub war und erst bei seiner Rückkehr davon erfuhr. Zu einer Zeit, Turner, wo diese Wellenlänge bereits einer ausländischen Macht bekannt geworden war!“

      „Leutnant Hoste hat sicherlich nichts mit dem Verrat zu tun, Major.“

      „Anständig von Ihnen, dass Sie Ihren Vorgesetzten nicht zu verdächtigen suchen, Turner. Aber wir haben Leutnant Hoste scharf vorgenommen. Er kann es nicht gewesen sein. Bleiben also nur Sie übrig. Und Tatsache ist, dass die neue Wellenlänge dem Ausland bekannt ist. Wir haben einwandfrei festgestellt, dass nicht nur die Japaner sie kennen, sondern auch noch die Russen.“

      „Seien Sie vernünftig, Turner“, fährt Mr. Bond eindringlich fort, als der Soldat keine Antwort gibt. „Zum Kuckuck mit der Wellenlänge. Sie nützt dem Ausland nichts mehr, denn seitdem wir wissen, dass sie verraten wurde, haben wir natürlich längst eine andere. Aber — ich spreche ganz offen zu Ihnen — es ist mehr und Wichtigeres verraten worden. Wir wissen es und wissen auch, dass hier in Singapore ein Gegner am Werk ist, der eine Gefahr für die Festung bildet. Ich gehe noch weiter und gestehe Ihnen, dass wir trotz aller Mühen noch nicht wissen, wer der Mann ist. Wir kennen ihn nicht. Sie aber, Turner, Sie kennen ihn oder wenigstens einen seiner Agenten!“

      „Nein, Herr Major.“

      „Sie haben es nicht gewollt, nicht wahr?“ fährt Bond fort ohne den Zwischenruf zu beachten. „Ich habe Ihr Leben genau durchforscht. Ich weiss, Sie spielen nicht, trinken mässig und haben keine kostspielige Liebschaft. Also ist es etwas anderes. Vielleicht haben Sie einen Traum, einen Wunsch, einen Ehrgeiz, den Sie erfüllt sehen möchten. Da kommt denn eines Tages jemand und gibt Ihnen eine Chance. Sie sehen eine Möglichkeit, Geld zu erhalten, viel Geld. Sehen Ihren stillen Traum Gestalt annehmen. Und es ist so leicht! Es ist so wenig, was der Mann verlangt! Kein Verrat, Gott bewahre! Eine Kleinigkeit, nicht wahr? Irgend eine Dienstvorschrift, einen Befehl, ein belangloses Schriftstück. Es ist zwar strafbar, so etwas einem Zivilisten auszuliefern, aber Sie sind Soldat und wissen genau: Das betreffende Zeug ist unwichtig. Selbst wenn es in die Hände eines Feindes fallen sollte, er kann herzlich wenig damit anfangen.

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