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anderen Teil Gelsenkirchens ist der westfälische Pohlbürger mit seiner konservativen Mentalität so stark vertreten. Als der Ort 1928 mit der Stadt Gelsenkirchen und der Gemeinde Horst-Emscher zur neuen kreisfreien Stadt Gelsenkirchen-Buer zusammengelegt wurde, steuerte Buer fast 100.000 Bürger bei, ein Drittel der neuen Einwohnerzahl, dennoch wurde schon zwei Jahre später der Städtename auf „Gelsenkirchen“ reduziert. Im Boom der Nachkriegszeit erreichte Gelsenkirchens Einwohnerzahl 1959 mit 391.745 den historischen Höchststand. Mit dem Niedergang der Montanindustrie begann die Bevölkerung zu schrumpfen, bis heute um mehr als ein Drittel auf ca. 256.000.

       Eine bipolare Stadt

      Buer-Mitte hatte unter den städtebaulichen Sünden der Industrialisierung wie auch unter den Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs weniger zu leiden als das übrige Gelsenkirchen. Bis heute ist der Stadtteil umgeben von kleineren Waldgebieten und sogar von Ackerland. Es gibt Grünzonen und Parkanlagen mit Teichen und Seen, sogar eine Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert mit französischem Schlossgarten. Und auch die Hinterlassenschaften der längst geschlossenen Zechen fügen sich mittlerweile in dieses Bild. Die Abraumhalde Rungenberg der Zeche Hugo ist begrünt und ein Naherholungsgebiet. Zu Füßen des Rungenbergs liegt die alte Arbeitersiedlung Schüngelberg, die 1989 denkmalgerecht saniert wurde.

      Frank Baranowski, der sozialdemokratische Oberbürgermeister Gelsenkirchens, spricht von einer bipolaren Stadt: „Wir sind heute eine Großstadt, die aus zwei Großstädten mit ihren jeweiligen Stadtteilen entstand und eben über zwei Zentren verfügt. (…) Gerade Buer war und ist dabei in unserer Stadt immer ein Teil gewesen, mit dem sich die Bewohner besonders identifiziert haben. Und Buer hat sich seinen kleinteiligen Kern bewahren können – das macht es attraktiv für viele Besucher. Hinzu kommen die zahlreichen Einzelhandelsgeschäfte und der Markt: Buer ist eine sehr geschätzte Einkaufsstadt.“

      Was er nur verklausuliert umschreibt, ist die Tatsache, dass der Gelsenkirchener Süden noch heute proletarischer geprägt und sozial schwächer ist, wogegen im Raum Buer und insbesondere in Buer-Mitte ein Großteil der Besserverdienenden, des Mittelstandes und der Lehrerschaft wohnt. Während Gelsenkirchen südlich des Rhein-Herne-Kanals Bevölkerung verliert, ist Buer und besonders Buer-Mitte noch ein Gebiet, wo Wohnungen und Häuser gesucht werden.

      „Buer in Westfalen“ sagen manche Bueraner noch heute gerne. Manche antworten, wenn man sie nach ihrer Herkunft fragt, nicht mit „Gelsenkirchen“ oder wenigstens „Gelsenkirchen-Buer“, sondern nur mit „Buer“. Für Gelsenkirchener Verhältnisse – aber auch nur für diese – gelten die Bueraner deshalb als etwas dünkelhaft. Aber Buer ist wirklich nur das Monaco Gelsenkirchens.

       Die Wurfkraft des Vaters

      Buers soziale Vielschichtigkeit manifestiert sich auch im Fußball. Der SSV Buer 07/28 ist ein eher bürgerlicher Verein und das Resultat einer 1964 erfolgten Fusion von Ballspielverein Buer 07 – kurz: BVB (!) 07 – und den Sportfreunden Buer 1928. Der BVB 07 war eine Anlaufadresse fußballbegeisterter Bueraner Gymnasiasten, die Sportfreunde gehörten zur katholischen Sportbewegung DJK. Der Stadtteilrivale Spvgg. Westfalia war hingegen ein Zechenverein.

      Auch Manuels Vater Peter Neuer spielte Fußball, allerdings in keinem der Buerschen Vereine. Bis 1979 lebte er noch in der südlich am Hauptbahnhof anschließenden Gelsenkirchener Neustadt und spielte dort in der Jugend von Eintracht Gelsenkirchen, deren Heimat das Südparkstadion war. Die Eintracht war einige Jahre hinter Schalke der zweite Verein in der Stadt. In den 1960ern und 1970ern spielte der Klub acht Jahre in der Regionalliga West, der damals zweithöchsten Spielklasse. Letztmalig in der Saison 1973/74, in der man die Qualifikation für die neue 2. Bundesliga verpasste, trotz vorausgegangener Fusion mit der STV Horst-Emscher zum STV Eintracht Gelsenkirchen-Horst. Aus der Eintracht gingen eine Reihe späterer Bundesligaspieler hervor, u. a. Heinz Hornig, der mit dem 1. FC Köln 1964 erster Bundesligameister wurde, Willi Koslowski, genannt „der Schwatte“, der in der Bundesliga für Schalke und Rot-Weiss Essen vor den Ball trat und auch in die Nationalelf berufen wurde, Hans Nowak, der mit dem FC Bayern München 1966 den DFB-Pokal und ein Jahr später den Europapokal der Pokalsieger gewann. Und Jürgen Rynio – ein guter Keeper, der aber das Pech hatte, dass er viermal aus der Bundesliga abstieg: mit dem Karlsruher SC (1968), dem 1. FC Nürnberg (1969), Borussia Dortmund (1972) und dem FC St. Pauli (1978).

      In der Eintracht-Jugend kommt Peter Neuer allerdings nie über die 2. Mannschaft der jeweiligen Altersklasse hinaus. Zwischenzeitlich spielt er auch mal in der Jugend bei Schalke. Im Seniorenalter tritt er für Schwarz-Weiß Neustadt vor den Ball. Dort wechselt er nach einiger Zeit jedoch die Sportart: Statt Fußball spielt er nun Handball. Peter Neuer besitzt auch leichtathletische Qualitäten. Als Zehnjähriger wirft er den Schlagball fast 50 Meter weit und landet beim Weitsprung bei etwas über vier Metern – die weiten Abwürfe und die Sprungkraft seines Sohnes Manuel kommen einem da in den Sinn.

       Mit zwei Jahren den ersten Ball

      Es ist schon früh erkennbar, dass Manuel Neuer im Umgang mit dem Ball Talent besitzt. Mit zwei Jahren bekommt Manuel seinen ersten Fußball geschenkt. Er selber erzählt später dem „FAZ“-Journalisten Michael Horeni von seiner frühen Fußballbegeisterung: „Selbst beim Sonntagsspaziergang mit der Familie habe ich den Ball immer dabeigehabt. Das machst du doch normal nicht, wenn du mit fünf, sechs Jahren schon dreimal die Woche trainierst, auf dem Schulhof in den Pausen spielst und dann noch zum Tennis gehst. Als Kind denkst du aber nicht so. Da macht man, was einem Spaß macht. Ich war besessen davon. Ohne Ball konnte ich nirgendwo hingehen. Auch zum Skifahren habe ich den Ball mitgenommen, selbst im Tiefschnee musste mein Vater mit mir Fußball spielen.“

      Auf dem Bolzplatz steht er nicht im Tor, sondern kickt im Feld. Es war ein anderes Fußballspielen als später als Profi. „Ich hatte riesige Freude, das kann man gar nicht mit heute vergleichen. Da war es spielerisch.“

      1991, kurz vor seinem fünften Geburtstag, wird Neuer bei den Bambini-Kickern von Schalke 04 angemeldet. Zuvor schwankte man zwischen dem SSV Buer und Schalke – am Ende gewinnen die „Knappen“. Die Buerer Westfalia war für die Eltern keine Option. Dass Schalke dem SSV Buer vorgezogen wird, hat einen einfachen Grund: Beide Eltern sind Fans der Königsblauen. Bei Schalke 04 wird Manuel Neuer nun insgesamt 20 Jahre verbringen.

      Dass er bei Schalke im Tor landet, ist nicht seine Entscheidung. „Ich wollte zunächst vorne mitspielen, Tore schießen. Als meine Eltern mich mit vier Jahren zu den Schalker Bambinis brachten, fehlte dort natürlich erst einmal der Torwart. Alle Kinder wollen spielen, nicht hinten rumstehen. Also musste der erste Doofe rein. Weil ich es dann ganz gut gemacht habe, kam ich nicht mehr raus.“ Aber das „Mitspielenwollen“ wird man ihm nicht austreiben.

      Seinen ersten Auftritt hat Neuer im Alter von knapp fünf Jahren bei einem Mini-Kicker-Hallen-Turnier im benachbarten Herten-Westerholt. Bei YouTube kann man davon ein Video anschauen: Die Kleinen spielen auf Handballtore, Neuer hütet seinen Kasten in einem langärmeligen Torwarttrikot und langer, gepolsterter Hose, in der er etwas unbeweglich wirkt. Ein Knäuel von Spielern kämpft vor seinem Tor um den Ball. Der vermutlich Beste von ihnen setzt sich durch und schiebt den Ball in die linke untere Ecke des Tores, in die Manuel vergebens „abtaucht“. Der Kleine macht den Fehler, dass er zu lange auf der Linie kleben bleibt, anstatt dem Schützen den Winkel zu verkürzen. So aber ist er chancenlos. Anschließend steht er mit hängenden Armen und zu einem Pfosten gewandt auf der Linie seines Tores und weint. Das Spiel ist abgepfiffen, aber Neuer rührt sich nicht. Ein Betreuer kommt, holt den Kleinen aus seinem Tor und versucht ihn zu trösten. Ohne Erfolg, weshalb ein Zweiter herbeieilt. Man führt den kleinen Manu zum Mittelkreis, aber dann fällt ihm ein, dass er den großen Teddy, das Maskottchen der Mannschaft, im Tor hat liegen lassen, und er läuft zurück, um ihn zu holen. Immerhin dabei zeigt er einen lockeren, leicht federnden Laufstil, der schon an den heutigen Neuer erinnert.

       Geschwister

      Manuel Neuer bleibt der einzige herausragende Fußballer seiner Familie. Er hat drei

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