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Neuer. Dietrich Schulze-Marmeling
Читать онлайн.Название Neuer
Год выпуска 0
isbn 9783730702307
Автор произведения Dietrich Schulze-Marmeling
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Bei folgenden Personen, die in irgendeiner Weise zu diesem Buch beigetragen haben, möchte ich mich bedanken: Eddy Achterberg, Bernd Beyer, Jörg Butt, Norbert Elgert, Siegbert „Siggi“ Hüneborn, Christoph Osigus, Hartmut Hering, Lothar Matuschak, Christina und Michael Matthoff, Olivier Kruschinski, Jaap Visser, Fans von Schalke 04 und des FC Bayern. Hierzu gehören auch die Bayern-Ultras von der „Schickeria“, deren Probleme mit Manuel Neuer ich nie so richtig verstehen und akzeptieren konnte (ohne dass meine Anerkennung für ihren Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie im Fußball darunter gelitten hätte).
Eher halbherzig habe ich auch den direkten Kontakt zu Manuel Neuer gesucht, wenngleich es mir nicht zwingend notwendig erschien, um dieses Buch schreiben zu können. Ich hätte kaum andere Fragen gestellt, als dies die Journalisten der Tagespresse bereits seit Jahren tun. Und die Antworten wären ebenfalls kaum andere gewesen. Und schon gar nicht wollte ich den Eindruck einer Pseudo-Autorisierung erwecken.
Manuel Neuers Management hatte dem Verlag in einem sehr frühen Stadium geschrieben, dass der Zeitpunkt für ein Buch über den Torwart noch nicht gekommen sei – was den Keeper irgendwie ehrt. Aber mir ging es nicht darum, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Mir ging es um sein Torwartspiel: woher dieses Spiel stammt, wie Manuel Neuer zu diesem Spiel kommt und es weiter entwickelt hat, wie dieses Spiel seitens der Öffentlichkeit betrachtet wird, welche Erfolge es verbuchen kann.
Dietrich Schulze-Marmeling
August 2015
KAPITEL 1
Ein Hauch von Abenteuer
Nahezu jeder Weltmeister hat auf dem Weg zum Titel mindestens ein Spiel, das arge Zweifel an seiner Siegerqualität weckt. Manchmal droht dann sogar das vorzeitige Scheitern. Dass ein Weltmeister in jeder Begegnung eines WM-Turniers überzeugt und souverän siegt, das gibt es kaum.
Bei der WM 2014 in Brasilien sind es Deutschlands 128 Minuten und 21 Sekunden gegen Algerien, in der alle Träume zu zerplatzen drohen. Wäre da nicht Keeper Manuel Neuer gewesen. Der Torhüter glänzt am 30. Juni 2014 in Porto Alegre nicht durch tollkühne Paraden. Neuer ist in diesem Spiel nicht der Keeper mit den tausend Händen. Er berührt den Ball vor allem mit dem Fuß und spielt neben dem Torwart auch noch einen überragend antizipierenden Libero.
Nie zuvor in der 84-jährigen Geschichte des WM-Turniers hat ein Torwart seine Rolle so unkonventionell und offensiv interpretiert (und sich dabei wiederholt hart am Rande zum Abgrund bewegt) wie Manuel Neuer im Achtelfinale des Turniers in Brasilien.
Eine offene Rechnung
Das Team von Bundestrainer Jogi Löw ist als Gruppensieger in die K.o.-Phase eingezogen. Algerien ist in seiner Gruppe hinter Belgien Zweiter geworden. Ein machbarer Gegner, denken die allermeisten Fans der Deutschen und wohl auch viele der deutschen Spieler.
Im Nachhinein ist man immer schlauer: Von den sechs Gegnern des DFB-Teams auf dem Weg ins Finale sind die Nordafrikaner der unangenehmste. Die Algerier hatten mit den Deutschen noch eine Rechnung offen. Bei der WM 1982 in Spanien hatten sie das DFB-Team im ersten Gruppenspiel sensationell mit 2:1 geschlagen, scheiterten aber am Einzug in die zweite Finalrunde, weil sich die auf dem Fußballfeld eigentlich spinnefeindlichen Nachbarn Deutschland und Österreich gegen den Emporkömmling verbündeten. Beim direkten Aufeinandertreffen in Gijón einigte man sich auf einen knappen 1:0-Sieg für die Deutschen, das beiden Ländern zum Weiterkommen reichte. In Porto Alegre soll nun die „Schande von Gijon“ gerächt werden. Vahid Halilhodzic, der bosnische Coach der „Les Fennecs“ (Die Wüstenfüchse): „Wir haben das nicht vergessen, nicht Gijón, nicht Deutschland. 32 Jahre sind eine lange Zeit, aber jeder in Algerien weiß, was passiert ist.“
Die Deutschen können auch nicht auf den Ramadan hoffen. Erstmals seit der WM 1986 kollidiert die muslimische Fastenzeit mit dem Turnier. Algeriens Trainer und Spieler verweigern eine Antwort darauf, wie sie mit dem Fastengebot umzugehen gedenken. Allerdings hört man aus dem Umfeld, dass Leistungssportlern die Nahrungsaufnahme in Ausnahmefällen tagsüber erlaubt sei. Und das Projekt „Rache für Gijón“ ist nun ganz sicherlich ein Ausnahmefall.
Ein Kader mit Problemen
Bundestrainer Jogi Löw war mit einem Kader nach Brasilien gereist, in dem einige Spieler angeschlagen sind und erst im Laufe des Turniers voll einsatzfähig werden. Der Bundestrainer muss deshalb in den ersten vier Turnierspielen improvisieren. Auch Keeper Manuel Neuer hatte es erwischt – ausgerechnet beim letzten Pflichtspiel der Saison. Im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund hatte sich der Keeper des Double-Siegers Bayern München eine Schulterverletzung zugezogen. Hinter dem Einsatz von Deutschlands Nr. 1 stand einige Wochen ein Fragezeichen. In Brasilien kann Neuer zunächst nur eingeschränkt trainieren. Er steht dann zwar beim Turnierstart im Tor, kann aber erst gegen Algerien, also beim vierten Auftritt des DFB-Teams, „endlich wieder richtig abwerfen“, wie er später erzählt.
Den DFB-Kader plagt ein weiteres Problem. Abgesehen von Kapitän Philipp Lahm gibt es keinen Außenverteidiger von internationaler Klasse. Aber Lahm wird zunächst im defensiven Mittelfeld benötigt. Die hier gesetzten Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger sind in der ersten Turnierphase noch nicht wirklich fit, weshalb Löw das Risiko scheut, beide gleichzeitig auflaufen zu lassen.
Gegen Algerien muss Löw auch noch auf Innenverteidiger Mats Hummels verzichten, den eine Grippe flachlegt. Für ihn rückt Boateng von der Außenposition in die Abwehrzentrale neben Mertesacker. Für Boateng verteidigt nun der 22-jährige Shkodran Mustafi auf der rechten Seite, der erst nachträglich in den WM-Kader gerutscht ist, nachdem sich Marco Reus im letzten Testspiel vor der WM schwer verletzt hatte und für die Reise nach Brasilien ausfiel. Mustafis Heimat ist normalerweise die Innenverteidigung oder das defensive zentrale Mittelfeld. Beim Anpfiff des Achtelfinals hat Mustafi erst 107 Länderspielminuten vorzuweisen. Links verteidigt Benedikt Höwedes, auch er ein gelernter Innenverteidiger. So besteht Jogi Löws Viererkette aus vier Innenverteidigern.