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Ein Liebestraum. Napoleon I. Gräfin von Walewska. Robert Heymann
Читать онлайн.Название Ein Liebestraum. Napoleon I. Gräfin von Walewska
Год выпуска 0
isbn 9788711503539
Автор произведения Robert Heymann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Erst in den frühen Morgenstunden fuhr Maria in ihr Palais zurück. Die Schwestern ihres Gatten, die durch die Gräfin Potocka eingeweiht waren, erwarteten sie. Es waren die Fürstinnen Jablonowska und Birginska. Jene war eine Urenkelin des berühmten Kronfeldherrn und Reichsfürsten, der Schrecken der Türken. Aber so glühend lebte in allen Polen und Polinnen der Wunsch, dem Vaterlands zu nützen, die teure Erde von den verhassten Feinden zu befreien, dass diese beiden Fürstentöchter nichts Entehrendes in der Rolle sahen, die Maria übernommen hatte. Sie beglückwünschten sie zu ihrer Stellung und trafen Anstalten, die Ehescheidung zwischen dem alten Walewska und Maria in die Wege zu leiten.
Der gesamte polnische Adel stand hinter der achtzehnjährigen jungen Frau.
Sie aber wurde ihrer Mission nicht froh. Denn sie war glücklich, ihm anzugehören, ohne einen Augenblick mehr zu wollen oder weiter zu denken.
Sie war Polin. Aber man hatte das Weib in ihr geweckt.
Und dieses war stärker als die Vaterlandsliebe, stärker als alles, was Maria Walewska bis dahin heilig gegolten hatte.
Sie fehlte von nun an bei keinem Diner, bei keiner Festlichkeit.
Es genügte Napoleon nicht, sie des Nachts in seinen Armen zu halten. Er musste sie immer in seiner Nähe wissen, denn seine Liebe für Maria war kaum geringer als die ihre zu ihm. Und mitten in welterschütternden Plänen und zwischen blutigen Schlachten liebten sie sich, waren glücklich, sich lieben, nur lieben zu dürfen.
5.
Die Kaiserin wurde ungeduldig. Es war vereinbart worden, dass Napoleon sie nach Warschau kommen lassen würde. So war sie nach Mainz gereist und wartete hier auf weitere Nachrichten. Kurrier um Kurrier traf von ihr in Warschau ein und meldete ihre Ungeduld. Aber Napoleon konnte jetzt Josephine nicht gebrauchen.
Seine Liebe zu ihr war anderer Art als zu Maria. Sie war die Gefährtin seiner Jugend, die Zeugin seiner Erfolge, die Freundin, die er nicht hätte missen können. Aber die Zeiten, wo er als General Bonaparte aus dem italienischen Feldzug schrieb:
„Meine einzige Josephine! Fern von Dir gibt es keine Freude für mich! Fern von Dir ist die Welt eine Wüste, in der ich einsam und verlassen stehe“ — diese Zeiten waren durch Josephinens Schuld vorüber. Die Liebe Bonapartes hatte sich in die echte Freundschaft des Kaisers gewandelt. Aber die heisse, korsikanische Liebe brach immer wieder in Napoleon durch, und nun gehörte sie Maria Walewska, ihr allein.
Er hielt Josephine hin. Die Wege seien zu schlecht, der Kaiserliche Reisewagen würde im Moraste stecken bleiben. Zum Schluss sei sein Aufenthalt in Warschau nur mehr nach Tagen bemessen, denn er erwarte stündlich eine entscheidende Bewegung der russischen Armee.
Talleyrand, Napoleons Minister des Aeussern, war auch in vielen privaten Dingen sein Vertrauter. Der Kaiser, sonst so sicher in der Beurteilung seiner Umgebung, liess sich von diesem Manne täuschen, die erste Zeit vielleicht bewusst, denn er musste den Diplomaten schätzen, der ihm den Staatsstreich erleichtert und die Friedensschlüsse von Lüneville und Amiens durchgesetzt hatte, der das Konkordat in Frankreich begründete und in diplomatischen Fragen stets am klügsten zu raten wusste.
Napoleon bedachte nicht, dass Talleyrand aus jenem Adel war, der dem Emporkömmling aus Korsika ewig die Macht missgönnte. Dass dieser Mann mit dem lahmen Bein erst Priester, dann Politiker, dann Kaufmann und schliesslich Minister gewesen war. Er verzieh ihm die Heirat mit Madame Grant, zu der Papst Pius VII. seinen Segen gegeben, obgleich sie die grösste Dirne Frankreichs war, die nacheinander Tallien, Barras, Ouvrards und noch einem Dutzend anderen Männern angehört hatte. Er war überhaupt sehr nachsichtig gegen diesen geborenen Verräter und Spieler, dem der Spekulant im Blute lag, gleichviel, ob das Objekt ein goldener Einsatz oder eine Kaiserkrone war.
Vielleicht entschuldigte der spöttische Geist und die überlegene Ironie, die der Diplomat besass, ihn in den Augen Napoleons. Jedenfalls war er es, der die pikanten Abenteuer des Kaisers in der Pariser Hofgesellschaft kursieren liess, ohne dass der Imperator darauf gekommen wäre, wer der Schwätzer war.
Talleyrand war längst in die Warschauer Sensation eingeweiht, schneller vielleicht als der Polizeiminister Fouché in Paris. Er machte Napoleon nach dem Diner einige diskrete Vorstellungen wegen der Kaiserin.
Aber Napoleon erwiderte ihm kalt:
„Ich bin nicht ein Mann wie andere, und die Gesetze der Moral und Schicklichkeit können nicht auf mich angewandt werden.“
„Aber auf die Kaiserin,“ entgegnete Talleyrand.
Darauf der Kaiser lächelnd:
„Sie soll und wird mir keine Vorwürfe machen. Ich werde diese Angelegenheit auch nicht vor ihr verheimlichen. Die Untreue eines Mannes hinterlässt für ihn nicht die geringste Spur. Die Frau wird zwar zuerst ärgerlich sein, vergibt jedoch. Manchmal gewinnt sie sogar dabei. Nicht dasselbe ist es mit der Untreue der Frau. Wer bürgt dafür, dass ihr Fehler keine Folgen hinterlassen hat? Das Unheil ist nicht wieder gut zu machen, und deshalb darf und kann sie nicht dasselbe tun wie der Mann. Die Verpflichtung der Frau ist Unterwürfigkeit und Abhängigkeit.“
Talleyrand, der, wie die Aufführung seiner Gattin bewies, nicht die Mannesgabe besass, solche Theorieen in die Tat umzusetzen, erwiderte etwas spöttisch, dass unter solchen Gesichtspunkten die Liebe nicht eben allzureich bedacht würde.
Der Kaiser, der den Stachel fühlte und wohl ahnte, dass der schlaue Fuchs ihn wegen Maria Walewska ausholen wollte, erwiderte gelassen:
„Wissen Sie noch nicht, Fürst, dass die Liebe nicht für mich geschaffen ist? Was ist überhaupt Liebe? Eine Leidenschaft, die alles, die ganze Welt links liegen lässt und nur den angebeteten Gegenstand sieht. Bin ich dazu geschaffen, mich einer solchen Einseitigkeit hinzugeben?“
Ohne die Antwort seines Ministers abzuwarten, erhob sich Napoleon.
Als er sein Kabinett betrat, erwartete ihn eine Botschaft Bernadottes.
Der Kaiser las sie, befahl augenblicklich Rustan, seinem getreuen Mameluken, die nötigsten Effekten bereit zu halten, und reiste am selben Tage ab, ohne Maria Walewska noch einmal gesehen zu haben.
Es war in der Nacht des 31. Januar. Eine der mörderischsten Schlachten, die die Weltgeschichte kennt, sollte geschlagen werden.
Kurz vor seiner Abreise schrieb Napoleon der Geliebten:
„Ich ziehe in den Krieg, Maria. Erwarte in Kürze meine Nachrichten, es soll nichts auf Erden geben, das imstande wäre, uns zu trennen.“
Im Feldlager fand Napoleon noch Zeit, den Kurfürsten von Sachsen zum König zu erheben. Unter den legitimen Fürsten war dieser sein treuester Freund, der einzige jedenfalls, der es mit Versprechungen und Eidschwüren genau nahm. — Die übrigen Souveräne stutzten sich ihre Moral nach Gutdünken zurecht.
Murat erwartete den Kaiser in Willenberg. Bei Passenheim traf Napoleon mit seiner Armee auf die Russen, aber diese gingen sogleich nach Suktdorf zurück.
Die Russen und die letzten Trümmer der preussischen Armee wurden von dem General Bennigsen kommandiert.
Napoleon, der schon der Meinung war, die Moskowiter seien eingeschlossen, warf sich mit der Garde und dem dritten und siebenten Korps auf sie und befahl Soult, die Brücke bei Bergfried zu stürmen, um den linken Flügel des Feindes zu umgehen.
Zwölf russische Bataillone verteidigten die Brücke mit Heldenmut. Aber der Marschall führte im Sturmschritt seine Kolonnen heran und warf den Feind mit unwiderstehlicher Gewalt. Die Russen liessen vier Kanonen und viele Tote zurück.
Nun folgten in kurzen Abständen die Gefechte von Waltersdorf, Deppen, Hoff, in denen die Franzosen siegreich blieben.
Am 6. Februar standen sich Franzosen und Russen mit den verbündeten Preussen auf die Entfernung eines Kanonenschusses bei Preussisch-Eylau