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es blieb mir überlassen, mich weiter auszubilden.“

      „Das haben Sie getan.“

      „Sire, ich habe von Jugend auf ein grosses Interesse für die schönen Künste und die Wissenschaften gehabt. Denen wandte ich mich zu, und ich war bemüht, mich mit allen grossen Männern der polnischen Kunst und Literatur vertraut zu machen.“

      „Und Sie vernachlässigten unsere grossen Franzosen.“

      „Nein, Sire. Aber ich war auch in der Kunst Patriotin.“

      „Und wie kam es, dass der Graf ...“

      „Sire, ich habe in der glücklichen Zeit, von der ich eben sprach, nur zwei heilige Dinge gekannt: Die Liebe zu Gott und mein Vaterland. Mehr verstand ich nicht, und die Liebe war mir ein siebenfach verschlossenes Tor.“

      „Wie auch jetzt noch,“ warf Napoleon lächelnd ein.

      Maria errötete und zauderte einen Moment, fortzufahren. Aber der Kaiser ermutigte sie durch eine Handbewegung.

      „Ich hätte nie einen Russen oder Preussen heiraten wollen, denn beide waren Feinde unseres Landes. Trotzdem wollte es das Unglück, dass ich mich in einen Russen verliebte ..“

      „Ah...“ machte der Kaiser wieder.

      „Er war ein liebenswürdiger und, wie ich glaube, auch guter Mensch,“ wandte Maria wie zu ihrer Entschuldigung ein.

      „Er war jung?“

      „Nicht eben, Sire.“

      „Und hiess?“

      „Iwanowitsch Platow.“

      Der Kaiser prägte sich sogleich mit der ihm eigenen Sicherheit diesen Namen unauslöschlich in sein Gedächtnis ein. Er kannte diesen Russen wohl. Vor 25 Jahren schon hatte Platow unter Suwarow an der Krim mit Auszeichnung gefochten. Seit sechs Jahren war er Hetman des donischen Heeres, Oberkommandierender aller russischen Kosaken, ein gefährlicher Feind des Kaisers, der auch jetzt gegen ihn im Felde stand.

      Aber er liess sich nichts von seinen Empfindungen merken. Maria fuhr fort:

      „Ich konnte seine Frau nicht werden, denn er war Russe, auch nicht vom Adel. Seine Tapferkeit allerdings war ein Freibrief auf eine ruhmvolle Laufbahn — aber er war Russe. Ich musste ihn vergessen.“

      „Es fiel Ihnen nicht leicht, Madame?“

      „Nein,“ erwiderte Maria ehrlich. Das Gesicht des Kaisers verfinsterte sich. Aber die junge Frau bemerkte es nicht.

      „Mein zweiter Freier war der Graf Anastasius Colonna von Walewice Walewski. Er war bereits das zweite Mal Witwer. Sein ältester Enkel war um meun Jahre älter als ich, aber — er war reich.“

      „Und Maria Lascinski hat sich — verkauft?“

      Maria wurde bleich und sah den Kaiser erschrocken an, der plötzlich — nur für einen Augenblick — die Maske fallen liess und den rücksichtslosen Cäsar zeigte.

      „Sire,“ stammelte sie kaum hörbar, „dort, wo unser Stammschloss stand, war er der höchste Herr. Wir kamen oft an seine Mittagstafel. Er war gegen uns ein Fürst. Bei dem verstorbenen König hat er als Kammerherr Dienst getan. Er trug das blaue Band des weissen Adlerordens. Er ist der Senior eines der ältesten Geschlechter Polens. Sein Stammbaum reicht bis zu den römischen Colonnas, und seine Ahnherren waren jene Männer Stefano und Sciarra, die nach abenteuerlichen Schicksalen und erbitterten Kämpfen um Roms willen ihr Leben liessen. Das Blut jenes Prospero fliesst in seinen Adern, der den Franzosen Italien in blutigen Siegen entriss, und dem sein Vaterland den Beinamen gab: Paganorum defensor et italicae gentis pater.“

      „Darum heirateten Sie ihn, den Siebzigjährigen?“

      „Sire, ich achtete und ehrte ihn. Aber meine Familie wurde nicht müde, mir zuzureden, ihn zu lieben. Er warb um mich, aber der Gedanke, seine Frau zu werden, warf mich aufs Krankenlager, und ich schwebte vier Monate lang zwischen Leben und Tod.“

      „Und dann liess man noch immer nicht von Ihnen ab?“

      „Genesen, führte man mich zum Altar. Ich war nicht viel älter als fünfzehn Jahre, und von da an lebte ich in Zurückgezogenheit und einsam auf Schloss Walewice.“

      „Arme Frau!“

      „Sagen Sie das nicht, Sire! Ich war reich in meinem Glauben an Gott und in den Träumen, mein Vaterland wieder gross und stark zu sehen. Als die Kunde von Ihren Siegen zu mir drang, da setzte ich alle meine Hoffnung auf Ew. Majestät.“

      „Man hat Ihnen von mir erzählt?“

      „Sire, das war nicht nötig. Ich kenne die Geschichte all Ihrer Schlachten.“

      „Und Sie schwärmten nicht ein klein wenig von mir?“

      „Es gibt keinen guten Polen, der nicht alles von Ew. Majestät erwartet. Ja, ich gestehe, dass ich auf die Kunde, Ew. Majestät nähere sich Warschau, Ihnen nach Pulstuck entgegeneilte und unter den Leuten stand, die Ihren Reisewagen in dem kleinen Städtchen Bronie umstanden. Nur, um Sie zu sehen.“

      Maria wurde immer eifriger und zutraulicher. Sie ging aus sich heraus, stand Rede und Antwort, weihte den Kaiser wie einen guten Freund in die Geheimnisse ihres Hauses ein, führte ihn durch ihre Mädchenjahre, zeigte ihm die leuchtenden Bilder ihrer ersten Jugend und brachte ihn durch kleine, sonderbare Mädcheneinfälle zum Lachen. — Sie weckte sein Interesse für alle die vielen Nebensächlichkeiten, die das Herz und den Kopf einer jungen Frau von achtzehn Jahren füllen.

      So sassen sie Hand in Hand.

      Napoleon musste schliesslich von seinen Feldzügen berichten. Er tat es mit dem Feuer, das ihm in solchen Augenblicken beim Sprechen eigen war und das seltsam von seiner Haltung während des Erlebnisses selbst abstach. Denn in den Schlachten bewahrte er in allen Phasen eine eiserne Ruhe. —

      Durch die hohen Fenster stahl sich der Morgen.

      Maria erhob sich schnell.

      „Sire, es wird Tag.“

      Napoleon lächelte über ihren Schrecken.

      „Sie sind also einer grossen Gefahr entronnen, Maria.“

      Sie lächelte ihn schelmisch an.

      „Ich glaube nicht.“

      „Warum jetzt nicht mehr?“

      „Ich habe aufgehört, den Kaiser zu fürchten.“

      „Und werden lernen, ihn zu lieben?“

      „Der Kaiser begehrt nur den Leib der Frauen, auf die sein Auge fällt.“

      „Sie täuschen sich, Maria,“ entgegnete Napoleon mit Wärme. „Die Frauen, die Napoleon lieben könnte, wissen ihm nicht mehr zu bieten. Die Gräfin Walewska aber bittet Bonaparte um ihr Herz.“

      „Was könnte ich Ihnen sein?“ fragte Maria nicht ohne den Wunsch, das Gespräch auf Polen zu lenken.

      „Coer-Dame. Ist das zu wenig?“

      „Es ist mehr, als ich vielleicht ertragen könnte, zu fassen vermöchte,“ entgegnete sie hastig.

      Denn in diesem Augenblick fühlte sie, dass sie den kleinen Mann, der den schönsten Kopf Europas hatte, Liebte.

      „Und Sie versprechen mir, wieder zu kommen?“

      „Ich verspreche es Ihnen.“

      „Morgen?“

      „So schnell es mir möglich ist.“

      „Und so bald Sie der Wunsch treibt, Polen durch mich zu befreien,“ ergänzte Napoleon bitter.

      Sie schüttelte den Kopf. Aber sie blieb stumm. Napoleon selber hüllte sie in Mantel und Schleier.

      Der getreue Duroc wartete. Er geleitete sie zum Wagen. Sie schlüpfte hinein. Noch einen schnellen, verstohlenen Gruss warf sie zu dem Fenster empor, hinter dem Napoleon

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