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den polnischen Edeldamen die Cour schnitt: Das war Murat, der damals in seinem 36. Jahre stand, Reichsmarschall, Prinz des französischen Reiches, Grossadmiral, Grossoffizier der Ehrenlegion und Oberstkommandeur der gesamten französischen Reiterei, die er bis jetzt zu unerhörten Siegen geführt hatte. Dieser ehemalige Kellner war einer der schönsten Männer seiner Zeit, ebenso eitel und prunksüchtig wie tapfer, wild und verwegen. Keine Polin, kein Pole, die selbst so viel auf Pferde halten, vergass den Anblick, den Murat bot, wenn er sich auf sein kostbares arabisches Ross schwang. Nun plauderte und charmierte er, der Draufgänger von Borghetto, Roveredo, Rivoli, St-Jean-d’Arce, Marengo, Wertingen, Austerlitz — ohne Ende waren die Namen der Ruhmeskette Murats, und wo immer mit Bewunderung der Name Napoleon genannt wurde, da fiel zu gleicher Zeit fast der seine.

      Er trug einen schweren, amarantfarbenen Samtrock mit kostbarer Verbrämung, auf der Mütze lange hinwallende weisse Straussen und Gold und Edelsteine auf Dolman, Säbel und Wehrgehänge.

      Diese buntfarbige, herrliche und machtvolle Versammlung war voll Heiterkeit. Man unterhielt sich, lachte, scherzte und knüpfte wichtige und leichtfertige Verbindungen an, ohne dass einen Augenblick die nervöse Spannung, in der sich alle befanden, nachgelassen hätte.

      Da flogen die Türen auf, und Talleyrand, der allmächtige Minister Napoleons, rief mit Kraft und Feierlichkeit in den Ballsaal:

      „Der Kaiser!“

      Wie auf einen Zauberschlag verstummte jedes Gespräch. Atembeklemmendes Schweigen legte sich über alle, Männer und Frauen, und tausend Herzen schlugen höher.

      Er trug die Paradeuniform seiner Garde. Einen Augenblick, als er stille stand, vernahm man in dem Lauschen, das ringsum war, das leise Klirren der kleinen Sporen an den glänzenden Reiterstiefeln des Kaisers.

      Sein Blick flog über die Versammlung. Es war, als ob seine scharfen grauen Augen jeden einzelnen erblickten, und jeder hatte das Gefühl, als wollten sie auf dem Grunde seiner Seele die Gedanken lesen.

      Endlich trat der Kaiser ein, und sogleich begann die Vorstellung der Damen und Herren vom polnischen Hochadel.

      Er begnügte sich nicht mit ein paar nichtssagenden Worten. Er fragte die Gräfin Potocka, die vor Verwirrung kaum zu antworten wusste, nach ihrer Familie, ihrem Befinden, über verschiedenes aus ihrer Vergangenheit. Es zeigte sich, dass er, sei es nun durch ein ganz hervorragend ausgebildetes Nachrichten- und Spionagewesen, oder durch einen ungewöhnlichen Instinkt, alles wusste, über alles unterrichtet war.

      Er grüsste seine Marschälle durch ein Lächeln, die Generäle der Legionen durch einige freundliche Worte, denen sie entnahmen, dass ihre Namen und ihre Taten klar wie an den Schlachttagen in sein Gedächtnis eingeschrieben waren.

      Unter seinen Marschällen sah er den General Rapp stehen, der den linken Arm in der Binde trug. Er war bei Golymin verwundet worden.

      Der General errötete vor Vergnügen, als der Kaiser den Blick auf ihn richtete. Denn es gab Niemanden, der Napoleon so treu und aufrichtig ergeben war, als er.

      „Nun, Rapp? Schon wieder verwundet?“ fragte der Kaiser. „Und wieder an dem bösen Arm?“

      „Sire, kein Wunder. Es ist die neunte Wunde, die ich an diesem bösen Arm erhalten habe, der dazu ausersehen zu sein scheint.“

      „Warum kein Wunder, Rapp?“

      „Sire, bei den ewigen Schlachten!“

      „Ah! Ah!“ erwiderte der Kaiser und wandte sich zum Gehen. „Damit wird es wohl erst ein Ende haben, wenn wir beide achtzig Jahre alt sind.“

      So kam er schliesslich auch zur Gräfin Walewska. Dem Gatten gönnte er ein paar Worte.

      Bei der Gräfin blieb er einen Moment betroffen stehen. Vor sich sah er eine junge Frau von achtzehn Jahren, die einem eisgrauen Greis von siebzig angetraut war. Ueber ihrer Gestalt lag der unbeschreibliche Liebreiz der Jugend. Ihr Lächeln war bezaubernd, ihr Gesichtchen zeigte ein feines Oval, ihre Haare waren reich, blond, ins Rötliche spielend. Ueber den blauen, tiefen Augen lag ein Schleier der Wehmut. Sie trug keinen anderen Schmuck als einen Blütenkranz im Haar. Ein weisses Atlaskleid schmiegte sich an die mädchenhafte Gestalt.

      Klar und ruhig sah sie dem Kaiser in die Augen. Auch sie konnte sich seinem übermächtigen Zauber nicht entziehen. Aber sie war weit von einer Begeisterung entfernt, die ihr die klare Selbstbestimmung hätte rauben können. Sie war zu jung für Empfindungen, wie sie die Gräfin Potocka ergriffen hatte, zu unerfahren, um Napoleon zu fürchten.

      Er fragte sie nach ihrer Familie, zog ihren Bruder ins Gespräch und tanzte einen Contretanz mit ihr.

      Dabei sagte er:

      „Weisser Tüll auf Atlas wirkt nicht vorteilhaft, Frau Gräfin. Ich wünschte, Sie würden einer Schönheit wie der Ihren den ihr gebüh enden Rahmen verleihen.“

      Auf diese echt napoleonische Huldigung erwiderte Maria Walewska, sie sei nicht hierhergekommen, um zu gefallen, sondern ihren Repräsentationspflichten zu genügen.

      „Ich liebe das Gesellschaftsleben nicht, Majestät, und fühle mich am glücklichsten auf unserem Gute Walewice.“

      Darauf Napoleon (vielleicht, um die Gräfin zu prüfen, vielleicht auch nur, um sie in Verlegenheit zu bringen, denn das bereitete ihm stets Vergnügen):

      „Mit Ihrem Gatten?“

      Diese Frage richtete eine solche Verwirrung in der Gräfin an, dass sie purpurrot wurde und nur etwas Unverständliches murmeln konnte.

      Ihre reizende Verlegenheit wirkte noch mehr auf Napoleon als ihre Haltung. Er sah sofort, dass er keine von den Frauen vor sich hatte, die er auf den so beliebten Maskenbällen des Hofes in Paris mit Vorliebe erschreckte, indem er ihnen kleine Indiskretionen zuflüsterte, die ihm sein allmächtiger Polizeiminister Fouqué zugetragen oder die er von seinen Spionen direkt erfahren hatte. Auch zu jenen geistreichen Frauen zählte Maria Walewska nicht, die sich in die Politik mischten und Unfrieden säten. Sie war keine Madame Stael, der Napoleon auf die Frage, welche Frau nach seiner Meinung die beste und verehrungswürdigste sei, die Antwort gab: „Die, welche die meisten Kinder zur Welt bringt ...“

      Maria Walewska wartete wohl mit heimlichem Beben auf den Augenblick, wo der grosse Korse das Gespräch auf die Politik bringen würde. Aber Napoleon vermied es, davon zu reden, und so ergriff die Gräfin die Gelegenheit, wo Napoleon einiges über die Verdienste des polnischen Adels sprach, um schnell einzufallen:

      „Was haben alle die Opfer genützt, Majestät? Bei Dubienka fiel die Blüte der polnischen Nation, als Kosciuszko mit 4000 Mann und 8 Kanonen fünf Tage gegen 18000 Russen mit 40 Geschützen kämpfte. Hat Kosciuszko nicht selber, als er, mit Wunden bedeckt, bei Maciejowice vom Pferde sank und in die Hände der Russen fiel, „Finis Poloniae“ gerufen? Und jetzt?“

      Napoleon hörte mit einem leisen Lächeln zu. Worüber die Gräfin sprach, redeten in diesen Tagen alle Polen. Es war das alte Lied, und der Kaiser merkte sofort, worauf sie hinauswollte.

      „Euer Kosciuszko,“ erwiderte er, „ist ein griesgrämiger Herr geworden, der bei Fontainebleau Rüben baut und Kaninchen züchtet. Ich habe ihn mehrmals zur Mitarbeit heranziehen wollen, aber er war nie zu bewegen, in meine Dienste zu treten.“

      „Gleichwohl erwartet ganz Polen von Ew. Majestät die Befreiung von seinen Feinden und die Wiedererweckung zu alter Herrlichkeit.“

      Der Kaiser entgegnete nur:

      „Sie lieben also Ihr Vaterland?“

      „Mehr als alles Andere auf Erden.“

      „Und Sie sehnen eine Befreiung Polens herbei?“

      Ein feuriger Blick aus ihren Augen war die Antwort. Napoleon fuhr fort:

      „Nun, ich glaube, man wird mit mir zufrieden sein. Ich habe Russland gezwungen, einen Landstrich auszuliefern, den das Reich des Zaren auf unredliche Weise an sich gerissen hat. Vertrauen Sie auf die Zeit.“

      „Sire, die Zeit ist kostbar für Polen. Wir haben schon allzuviel

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