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Ich hatte meine Lektion gelernt, und sie kostete 12.000 Pfund.

      Die unfairste Strafe aller Zeiten (das ist natürlich nur meine Meinung, eine offizielle Rangliste für so etwas gibt es nicht) habe ich mir vor ein paar Jahren eingehandelt, als ich mich mit meinem damaligen Trainer überworfen hatte und zwischen uns komplette Funkstille herrschte. Er ließ keine Gelegenheit aus, mich zu bestrafen, was die übliche Vorgehensweise ist, wenn man einen Spieler loswerden will. Ist dieser Punkt erst einmal erreicht, kann es durchaus vorkommen, dass Spieler hin und wieder blaumachen. Mir ging es in diesem Fall aber wirklich nicht gut. Ich musste mich ständig in der Nähe einer Toilette aufhalten und hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Kurz: Mir war sterbenselend zumute.

      Morgens rief ich den Physio an und meldete mich vom Training ab. Fünf Minuten später rief er zurück und meinte: „Tut mir leid, Alter. Der Boss besteht darauf, dass du zum Doc gehst.” Wie ich später erfuhr, wurde unser Teamarzt extra aus seiner Praxis herbestellt. Der Trainer hoffte insgeheim, ich würde nicht auftauchen, damit er mich dafür bestrafen könnte, eine Krankheit simuliert und die Zeit des Arztes verschwendet zu haben. „Ich kann nicht kommen”, stöhnte ich. „Ich habe Dünnpfiff und kann keine halbe Stunde im Auto sitzen.” Der Physio gab das pflichtgemäß an den Trainer weiter, der davon nichts hören wollte und mir bis zehn Uhr Zeit gab, beim Doc vorstellig zu werden. Andernfalls würde er mir ein Wochengehalt abziehen. Dass einem Angestellten Sanktionen fürs Kranksein angedroht werden können, gibt es wohl auch nur im Fußball.

      Ich schleppte mich zum Wagen, packte ein paar Extrahosen und ein Handtuch zum Sitzen ein (wäre ja schade um das schöne Leder gewesen) und machte mich auf den Weg. Nach rund zehn Minuten legte ich sehr zur Erheiterung der übrigen Verkehrsteilnehmer den ersten von vier Zwischenstopps auf dem Seitenstreifen ein, bevor ich schließlich um 10:40 Uhr am Trainingsgelände eintraf.

      Ich ging hinein und machte mich auf den Weg zum Physio. „Allmächtiger, du siehst echt schlimm aus”, meinte er, als ich hineinschlurfte und auf einer der Massagebänke zusammensackte. Der Doc kam rein, schaute mich kurz an, und nachdem er noch ein wenig auf meinem Unterleib herumgedrückt hatte, diagnostizierte er eine Gastro-Dingsbums. In dem Moment steckte der Trainer den Kopf zur Tür rein. „Ist er krank?”, fragte er und schaute den Doc erwartungsvoll an. „Ja, Boss, er ist definitiv krank”, entgegnete der Doc. „Okay”, sagte der Trainer und fuhr zu mir gewandt fort: „Dann sieh mal zu, dass du ins Bett kommst, statt hier alle anzustecken. Und übrigens: Du zahlst einen Tausender fürs Zuspätkommen.” Ich sagte gar nichts.

      Ich war damals noch recht jung, aber wenn man älter und erfahrener wird, ändern sich die Dinge allmählich. Heute werde ich vom Trainer ab und zu nach meiner Meinung gefragt, aber offen gesagt, fällt es mir nach wie vor schwer, meinem Boss zu sagen, was ich wirklich denke.

      Als einer meiner Klubs auf Trainersuche war, bat mich die Vereinsführung, an der Diskussion über mögliche Kandidaten teilzunehmen. Das ist relativ ungewöhnlich und für einen Spieler, wie ich damals auch anmerkte, etwas heikel. Stellen Sie sich mal vor, mit der gesamten Geschäftsführung in einem Raum zu sitzen, wo Sie Ihre Meinung über Ihren möglichen neuen Chef äußern sollen. Das kann eigentlich nur in die Hose gehen. Ich befürchtete, dass alles, was ich sagte, früher oder später nicht nur bis zu unserem neuen Boss, sondern auch zu allen anderen Kandidaten vordringen würde. Also ging ich lieber auf Nummer sicher und lobte selbst die Trainer, mit denen ich auf gar keinen Fall zu tun haben wollte, über den grünen Klee.

      Ganz ehrlich: Ich kann mir für einen neuen Trainer keine schlechteren Voraussetzungen vorstellen, als dass die Spieler bei seiner Einstellung mitentschieden haben. Das ist der sichere Weg ins Verderben. Andererseits möchte er auch nicht von Vornherein die Mannschaft gegen sich haben. In den ersten Tagen agieren neue Trainer deshalb in der Regel relativ zurückhaltend. Es werden Hände geschüttelt und Freundlichkeiten ausgetauscht, während er aus der Ferne das Training beobachtet und sich im Kopf Notizen über die spielerischen Qualitäten und das Verhalten seiner neuen Schützlinge macht.

      Manche Spieler geben sich die allergrößte Mühe, ihrem neuen Boss in den Arsch zu kriechen, aber das bringe ich auch im fortgeschrittenen Alter und wohl wissend, dass dieser Mann über meine Bezüge bestimmt, nicht fertig. Gleichwohl nehme ich mir die Zeit, mit ihm über Fußball zu plaudern, wobei ich obskure Namen und Daten ausländischer Ligen einstreue, um meine umfassenden Fachkenntnisse zur Schau zu stellen. Insgeheim spekuliere ich nämlich auf eine zweite Karriere als Scout oder Trainer.

      Was die Leistungen angeht, kann ein Trainerwechsel bisweilen Wunder wirken. Ich sage nicht, dass Taktik dabei keine Rolle spielt, aber wenn ich selbsternannte Experten darüber schwadronieren höre, dass die Mannschaft unter ihrem neuen Trainer „besser organisiert” sei, zucke ich innerlich zusammen. Meistens hat eine Leistungssteigerung weniger damit zu tun, was auf dem Trainingsplatz passiert, als mit dem wieder entfachten Einsatzwillen der Spieler.

      Manchmal hängt die zuvor gezeigte Formschwäche nur damit zusammen, dass sich die Spieler zu sehr an ihren Trainer gewöhnt haben und die letzte Spannkraft fehlt. Man kann davon ausgehen, dass genau das der Fall ist, wenn ein Trainer sagt, dass er die Mannschaft an ihr Limit geführt habe. Frei übersetzt heißt das nämlich: „Die Spieler fürchten oder respektieren mich nicht mehr und lassen sich letztlich nicht mehr von mir motivieren.”

      Der größte Fehler, den ein neuer Trainer machen kann, ist, die Nähe der Spieler zu suchen, um sie auf seine Seite zu ziehen. Ich hatte einen Trainer, der vor dem Spiel kumpelhaft mit uns Witze riss, nur um uns dann zur Halbzeit, als wir zurücklagen, nach allen Regeln der Kunst den Arsch aufzureißen. Das roch ein wenig nach Doppelmoral, weswegen er nie den Respekt genoss, den ein Trainer im Umgang mit Spielern braucht, die riesige Gehälter beziehen und noch größere Egos haben. Da gibt es bessere Möglichkeiten, sich bei den Spielern beliebt zu machen.

      Ein neuer Trainer muss der Mannschaft frühzeitig klarmachen, wer das Sagen hat. Um das zu erreichen, wird manchmal ein Spieler geopfert. Ich habe so etwas auch einmal erlebt, und es spielt dabei überhaupt keine Rolle, wie gut oder populär der Spieler ist (tatsächlich werden gerade namhafte Leistungsträger am liebsten ins Visier genommen). Hat der Trainer sein Opfer gefunden, macht er ihn bei jeder Gelegenheit und vor versammelter Mannschaft zur Schnecke, bis er ihn schließlich aus dem Kader streicht und dazu verdonnert, sich mit dem Nachwuchs fit zu halten. Damit signalisiert er dem Rest der Mannschaft unmissverständlich, wer der Boss ist.

      Ich bin kein Fan dieser Methode. Ich halte sie für vollkommen überflüssig und finde, dass sie von mangelnder Führungsqualität zeugt. Ein Freund musste in der Saison 2011/12 eine solche Prozedur über sich ergehen lassen, und Sie können mir glauben, dass damals nicht gut Kirschen mit ihm essen war.

      Trainer wie Arsène Wenger, José Mourinho, André Villas-Boas und Brendan Rodgers haben mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass ein Trainer nur dann etwas taugt, wenn er auch als Spieler ein paar Titel gewonnen hat. Die meisten Trainer haben mit dem eigentlichen Training ohnehin nur sehr wenig zu tun und überlassen die Leitung der Einheiten ihren Assistenten. Über einen ehemaligen Spieler von Manchester United, der heute als Trainer tätig ist, heißt es, er lasse sich grundsätzlich nur am Spieltag bei der Mannschaft blicken.

      Vor nicht allzu langer Zeit traf ich an einem Strand in der Karibik zufällig einen alten Bekannten, der für ein Altherren-Turnier dorthin eingeladen worden war. Normalerweise handelt es sich dabei um nichts anderes als ein zünftiges Gelage auf Kosten eines Sponsors, der seine Helden kennenlernen möchte. Abends lud mein Kumpel mich auf einen Drink in die Hotelbar ein und schüttete mir zu meiner Überraschung sein Herz darüber aus, wie ernüchternd sich sein neues Dasein als Trainer gestaltete. Dabei hatte er sich schon seit Jahren darauf gefreut, ins Traineramt zu wechseln, nachdem er als Spieler wahrlich nicht die Welt aus den Angeln gehoben hatte. Er liebte den Fußball und war überzeugt davon, alle Voraussetzungen mitzubringen, um als Trainer bestehen zu können. Er hatte sämtliche Scheine in der Tasche, inklusive der A-Lizenz, für die allein er rund 5.000 Pfund hingeblättert hatte.

      Nach nicht einmal einem Jahr als Trainer war ihm nun klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. „Ich hatte ja keine Ahnung, was alles zu tun ist”, stöhnte er. „Ich wusste wohl, dass es eine Menge Arbeit ist und ich wenig Zeit für die Familie haben würde.

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