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      »Na, gib also recht acht und zerreibe die Klumpen ordentlich!« sagte Ljewin und ging wieder zu seinem Pferde. »Und paß auch auf Michail auf! Wenn die Saat gut kommt, sollst du für jede Deßjatine fünfzig Kopeken haben.«

      »Danke ergebenst! Wir können ja auch so schon mit Ihnen sehr zufrieden sein, möchte ich meinen.«

      Ljewin stieg aufs Pferd und ritt auf das Feld, wo der vorjährige Klee stand, und auf das, das mit dem Pfluge für den Sommerweizen bereitgemacht war.

      Der Klee auf dem Stoppelfelde war sehr gut herausgekommen. Er war schon ganz aufgelebt und zeigte ein kräftiges Grün zwischen den zerknickten vorjährigen Weizenstengeln. Das Pferd sank bei jedem Tritte bis an die Fesseln ein, und jeder seiner Füße schmatzte, wenn er aus der halb aufgetauten Erde herausgezogen wurde. Auf dem gepflügten Acker war es überhaupt nicht möglich, zu reiten; der Boden trug nur da, wo noch etwas Eis lag; aber in den aufgetauten Furchen versank der Fuß des Pferdes bis über die Fesseln. Das Ackerfeld sah vorzüglich aus; Ljewin sagte sich, in zwei Tagen werde geeggt und gesät werden können. Alles war schön, alles war heiter. Zurück beabsichtigte Ljewin durch den Bach zu reiten, da er hoffte, das Wasser werde schon so weit gefallen sein. Und in der Tat konnte er hindurchreiten und scheuchte dabei zwei Enten auf. ›Da müßten ja auch die Waldschnepfen schon da sein‹, dachte er, und wie gerufen, begegnete ihm an einer Wendung des Weges nicht mehr weit vom Hause der Waldhüter, der seine Vermutung über die Waldschnepfen bestätigte.

      Ljewin ritt im Trabe nach Hause, um schnell zu Mittag zu essen und sein Gewehr für den Abend instand zu setzen.

      14

      Als sich Ljewin in heiterster Stimmung seinem Hause näherte, hörte er von der nach dem Haupteingang zu gelegenen Seite das Schellengeklingel eines Gefährtes.

      ›Da kommt jemand von der Eisenbahn‹, dachte er, ›das ist gerade die Zeit des Moskauer Zuges. – Wer mag es sein? Wenn es gar Bruder Nikolai wäre? Er hat ja gesagt: »Vielleicht fahre ich ins Bad, vielleicht besuche ich aber auch dich.«‹ Im ersten Augenblick hatte er ein unangenehmes, banges Gefühl, die Anwesenheit seines Bruders Nikolai könne ihm diese glückliche Frühlingsstimmung verderben. Aber er schämte sich dieses Gefühles und öffnete sofort gleichsam im Geiste die Arme und erwartete und wünschte nun mit freudiger Rührung von ganzem Herzen, daß es sein Bruder sein möchte. Er trieb sein Pferd an, und als er aus dem Akaziengebüsch herauskam, sah er, daß von der Bahnstation her eine Mietstroika herangefahren kam und ein Herr in einem Pelze darin saß. Das war nicht sein Bruder. ›Ach, wenn es doch irgendein angenehmer Mensch wäre, mit dem man ein bißchen plaudern könnte!‹ dachte er.

      »Ah!« rief Ljewin erfreut und hob beide Arme in die Höhe. »Das nenne ich mir einen erfreulichen Besuch! Ach, wie freue ich mich über dein Kommen!« rief er, als er Stepan Arkadjewitsch erkannte.

      ›Jetzt werde ich sichere Nachricht bekommen, ob sie sich verheiratet hat oder wann sie sich verheiraten wird‹, dachte er.

      Und an diesem schönen Frühlingstage fühlte er, daß ihn die Erinnerung an sie gar nicht schmerzte.

      »Na, du hast mich wohl nicht erwartet?« sagte Stepan Arkadjewitsch, während er aus dem Schlitten stieg, mit Schmutzklümpchen auf dem Nasenrücken, den Backen und Augenbrauen, aber strahlend von Heiterkeit und Gesundheit. »Ich bin gekommen, um dich einmal wiederzusehen, erster Grund«, sagte er und umarmte und küßte ihn, »und um auf den Schnepfenstrich zu gehen, zweiter Grund, und um den Wald in Jerguschowo zu verkaufen, dritter Grund.«

      »Wunderschön! – Was sagst du zu diesem Frühling? Wie bist du nur mit dem Schlitten durchgekommen?«

      »Mit dem Wagen wäre es noch schlechter gegangen, Konstantin Dmitrijewitsch«, antwortete der Kutscher, der mit Ljewin bekannt war.

      »Nun, ich freue mich sehr über deine Ankunft, ganz außerordentlich freue ich mich«, sagte Ljewin und lächelte dabei von ganzem Herzen, so recht kindlich froh.

      Ljewin führte seinen Gast in das Fremdenzimmer, wohin auch dessen Sachen gebracht wurden: ein Reisesack, ein Gewehr im Futteral, eine große Zigarrentasche; dann ließ er ihn allein, damit er sich waschen und umkleiden könne, und ging unterdessen selbst in das Kontor, um wegen des Pflügens und des Klees das Erforderliche anzuordnen. Agafja Michailowna, die um die Ehre des Hauses immer sehr besorgt war, fing ihn im Vorzimmer ab und befragte ihn wegen des Mittagessens.

      »Macht das, wie Ihr wollt; nur schnell muß es gehen«, erwiderte er und ging zu dem Verwalter.

      Als er zurückkehrte, trat Stepan Arkadjewitsch gewaschen, gekämmt und mit einem strahlenden Lächeln aus seiner Tür, und sie gingen zusammen hinauf.

      »Nein, wie ich mich freue, daß ich wirklich einmal in deinen Schlupfwinkel eingedrungen bin! Nun werde ich endlich dahinterkommen, was für geheime Dinge das sind, die du hier treibst. Aber nein, wahrhaftig, ich beneide dich. Was für ein Haus, wie prächtig das hier alles ist! So hell und freundlich!« sagte Stepan Arkadjewitsch und vergaß dabei ganz, daß es nicht immer Frühling und so schönes Wetter war wie gerade jetzt. »Und was für ein Prachtstück ist deine alte Kinderfrau! Wünschenswerter wäre ja allerdings ein hübsches Stubenmädchen mit Latzschürzchen, aber zu deinem Mönchtum und zu deiner strengen Lebensweise paßt die Alte sehr gut.«

      Stepan Arkadjewitsch erzählte viel interessante Neuigkeiten, darunter eine für Ljewin besonders interessante: daß sein Bruder Sergei Iwanowitsch beabsichtige, diesen Sommer bei ihm auf dem Lande zu verleben.

      Von Kitty und überhaupt von der Schtscherbazkischen Familie sagte Stepan Arkadjewitsch kein Wort, nur von seiner Frau bestellte er einen Gruß. Ljewin war ihm für dieses Zartgefühl dankbar und hatte über seinen Gast eine große Freude. Wie immer hatte sich bei ihm in der Zeit seiner Einsamkeit eine ganze Menge von Gedanken und Gefühlen angesammelt, über die er mit den Menschen, die er auf seinem Gute um sich hatte, nicht sprechen konnte, und nun schüttete er vor Stepan Arkadjewitsch sein ganzes Herz aus: seine poetische Freude über den Frühling, und was ihm in der Wirtschaft mißlungen sei und was er plane, und seine eigenen Gedanken und seine Bemerkungen über die Bücher, die er gelesen hatte, und besonders setzte er ihm die Tendenz seiner Abhandlung auseinander, deren Grundgedanke, ohne daß er sich dessen selbst bewußt geworden wäre, auf eine Kritik aller älteren Schriften über Landwirtschaft hinauslief. Stepan Arkadjewitsch, der auch sonst immer liebenswürdig war und alles auf eine bloße Andeutung hin begriff, legte seine Liebenswürdigkeit bei diesem Besuche in besonderem Maße an den Tag, und Ljewin bemerkte an ihm noch etwas Neues, wodurch er sich sehr geschmeichelt fühlte, nämlich eine gewisse Hochachtung und sozusagen Zärtlichkeit seines Gastes ihm gegenüber.

      Die Bemühungen Agafja Michailownas und des Kochs, das Mittagessen besonders gut zu gestalten, hatten nur zur Folge, daß die beiden hungrig gewordenen Freunde sich zu den Vorspeisen hinsetzten und tüchtig Butterbrot, Gänsebrust und eingemachte Pilze aßen, und ferner, daß Ljewin befahl, die Suppe ohne die noch nicht fertigen Pastetchen aufzutragen, mit denen der Koch den Gast ganz besonders hatte in Erstaunen setzen wollen. Aber Stepan Arkadjewitsch fand alles ausgezeichnet, obwohl er an ganz andere Diners gewöhnt war: den Kräuterschnaps und das Brot und die Butter und besonders die Gänsebrust und die Pilze und die Nesselsuppe und das Huhn mit weißer Sauce und den weißen Krimwein; alles lobte er als vortrefflich und wundervoll.

      »Ausgezeichnet, ausgezeichnet!« sagte er, als er sich nach dem Braten eine dicke Zigarre anzündete. »Es ist mir hier bei dir zumute, als ob ich aus einem Dampfer mit seinem Lärm und Gerüttel an einem stillen Ufer ausgestiegen wäre. – Also du meinst, wir müssen den Arbeiter selbst, als ein sehr wesentliches Element, studieren und uns dadurch bei der Wahl unserer landwirtschaftlichen Methoden leiten lassen. Ich bin ja auf diesem Gebiete Laie, aber ich möchte doch meinen, daß umgekehrt die theoretische Wissenschaft und ihre praktische Anwendung auch ihrerseits einen Einfluß auf den Arbeiter haben werden.«

      »Ja, aber warte einmal: ich rede nicht von der Nationalökonomie, sondern von der wissenschaftlichen Landwirtschaft. Sie muß, in der Art der Naturwissenschaft, die tatsächlich vorhandenen Erscheinungen beobachten und muß den Arbeiter mit

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